Montag, 23. Februar 2009

Was nun?

Nun also ist geschehen, was seit Tagen und Wochen vorhergesagt wurde: in Lettland muß wieder eine neue Regierung gebildet werden. Ivars Godmanis ist am Freitag zurückgetreten.

Die vergleichsweise kurzen Meldungen der deutschen Presse vermerken, die Regierung sei an der Finanzkrise gescheitert. Aber so einfach ist die Erklärung nicht. In Zeiten der Finanzkrise ist die Koalition zerbrochen. Und das war allerdings nicht nur schon länger absehbar, sondern die Frage nach dem prognbostizierbaren Verbleiben im Amt war zum Amtsantritt dieser Regierung im Dezember 2007 bereits berechtigt. Godmanis hat es auf den üblichen Durchschnitt der Lebensdauer von lettischen Regierungen geschafft.

Jetzt kursieren zahlreiche Vermutungen und Spekulationen, warum die Regierung scheiterte, warum gerade jetzt und wer ihr folgen wird.

Die Regierung Godmanis ist mit der Belastung gestartet, daß der Regierungschef selbst nach der Regenschirmrevolution nur ein Kompromißkandidat war, den die Vertreter der größeren Parteien Grüne und Bauern sowie Volkspartei vorschoben, nachdem Vorgänger Aigars Kalvītis das Vertrauen der Bevölkerung verloren hatte.

Da alle in der Koalition befindlichen Parteien unter einem Vertrauensschwund leiden, aber im Juni Kommunal- und Europawahlen anstehen, ist die Positionierung derzeit wichtig und zwar auch wichtiger als die Verwaltung der Krise und die Bekämpfung ihrer negativen Folgen. So murrte auch nur Godmanis selbst, die Parteien hätten sich vor ihrem Schritt überlegen sollen, was die Abwesenheit einer handlungsfähigen Exekutive bedeutet.

Volkspartei und die Union aus Grünen und Bauern geben sich einstweilen optimistisch und kündigten eine zügige Regierungsbildung an. Noch diese Woche soll dem Parlament ein neues Kabinett zur Vertrauensabstimmung vorgestellt werden.

Da die Regierung noch zwei Wochen vor diesem Rücktritt mit den gleichen Abgeordneten einen Mißtrauensantrag der Opposition überstanden hatte, läßt vermuten, daß hinter den Kulissen bereits Vereinbarungen getroffen wurden.

Hierbei ist die Rolle des Präsidenten undeutlich, der als Kandidat der Volkspartei gehandelt werden kann. Während der letzten wurden Kabinettssitzungen und Fraktionsrunden de facto bereits in der Rigaer Burg, dem Sitz des Präsidenten abgehalten, ja im Grunde einberufen, denn Präsident Zatlers fühlte sich immer häufiger gemüßigt, von seinem Vertrauen in konkrete Personen zu sprechen, isnbesondere den Regierungschef. Noch am Montag wurde aus diesem Grunde der jetzt zurückgetretene an den Burgplatz zitiert. Dies sieht die Verfassung nicht vor.

Der einzige vom Präsidenten der Verfassung entsprechend verlangte Vertrauensbeweis ist die Nominierung eines Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Nicht mehr, allerdings auch nicht weniger. Folglich gibt erst der Rücktritt Godmanis’ nun dem Präsidenten wieder die Möglichkeit, die Parteienchemie zu beeinflussen.

Während die Volkspartei mit Außenminister Märis Riekstiņš und dem Minister für Kommunale Angelegenheiten, Edgars Zalāns, gleich zwei Namen nannte, erklärte die Union aus Grünen und Bauern, sie habe keine Veranlassung, sich von Kandidat Aivars Lembergs zu distanzieren, den sie auch 2006 plakatiert hatten. Da der Bürgermeister von Ventspils derzeit vor Gericht steht, heißt dies mit anderen Worten, diese Partei verzichtet auf den Posten.

Eine Regierungsbildung, die nicht wieder dieselben Partner zusammenführt, kann nur unter Einbeziehung des als pro-russisch gelteneden Harmoniezentrums oder der Neuen Zeit gebildet werden. Erstere haben bisher alle Parteien als Partner gemieden, während letztere im Frühjahr 2006 aus einer Koalition mit eben den an der Macht befindlichen Parteien unter Protest verlassen hatte. Was also sollte diese Partei zur Rückkehr in dieselbe Koalitionsarithmetik veranlassen.

Mit dem Europaabgeordneten Valdis Dombrovskis steht der Partei seit langem außerdem ein eigener potentieller Kandidat für das Amt des Regierungschefs zur Verfügung. Aber auch wenn die Union aus Grünen und Bauern sich einen Regierungschef der Neue Zeit angeblich vorstellen kann, ist die Bereitschaft der Volkspartei zur Akzeptanz einer neuerlichen Führung durch eine kleinere Partei fraglich.

Die Neue Zeit fordert darum konsequent einen parteilosen Regierungschef. Namen kursieren bereits. Die Chefin des Rechnungshofes, Inguna Sudraba, hat allerdings beispielsweise öffentlich bislang die Übernahme dieser Aufgabe abgelehnt, die Parteien sein nicht wirklich bereit zu arbeiten.

Diese Woche wird nun zeigen, ob sich die Parteien tatsächlich bereits auf etwas geeinigt haben. Anderenfalls wird wohl kaum schon in dieser Woche ein neues Kabinett bestätigt.

Was könnten sich Volkspartei und die Union aus Grüne und Bauern erhoffen? Darüber existieren im wesentlichen zwei Spekulationen. Entweder die Volkspartei will in einer Koalition mit der Neuen Zeit diese und ihr Saubermannimage entzaubern, um bei den Wahlen selbst bessere Aussichten zu haben. Ein weiterer positiver Aspekt läge in der Trennung der Neuen Zeit von den neugegründeten Parteien Bürgerliche Union und Andere Politik, die jeweils Aspaltungen von den beiden erstgenannten Parteien sind und als Dreierbund mit einer oppositionellen Neuen Zeit bei allfälligen Wahlen in Kürze realistische Ambitionen auf ein gutes Ergebnis geltend machen könnten.

Wenn die Neue Zeit sich aber an einer Regierung nicht beteiligt, bliebe noch die Variante, mit dem Harmoniezentrum zusammenzuarbeiten. Inwiefern Volkspartei und Grüne und Bauern damit ihr Beliebtheit steigern könnten, steht jedoch ebenso in Frage wie eine Verweigerung der Neuen Zeit.

Dies ist wiederum alles in Abhängigkeit von der weiteren Vorgehensweise des Präsidenten zu sehen. Wird er sich als Kandidat der Volkspartei am 31. März an sein Ultimatum erinnern? Wird er Gründe finden, die Parlamentsauflösung anzuregen oder sich mit wiederum welchen anderen Erklärungen von seiner Ankündigung distanzieren.

Insofern versuchen die Parteien wohl, sich für Wahlen bereits in diesem Herbst zu positionieren, während die Oligarchen vielleicht auch auf eine Gnadenfrist bis zum Herbst 2010 spekulieren.

Freitag, 20. Februar 2009

Zatlers leugnet Probleme mit Zigeunern

Vorweg, der Begriff Zigeuner ist in Deutschland verpönt. In Lettland dagegen ist er weitegehend wertneutral.

Selbstverständlich ist die Einstellung der Bevölkerung nicht neutral. Insofern überraschte es, daß Staatspräsident Valdis Zatlers bei einem Besuch in einer Schule im kurländischen ventspils jüngst leugnete, daß es in Lettland Probleme gibt mit Zigeunern.

Sinti und Roma leben in Lettland, sind jedoch zahlenmäßig eine kleine Gruppe, die gemeinsam mit Juden, Deutschen und Esten nach Angaben des Statistikamtes 2,7% der Bevölkerung stellen. Die auf Lettisch Čigāni genannten Menschen leben vorwiegend im westlettischen Kurland, besonders in der Stadt Sabile, und in Riga vorwiegend in der sogenannten Moskauer Vorstadt. Das ist eine zentral neben Bahnhof, Busbahnhof und Zentralmarkt gelegene Gegend mit viel Holzarchtitektur, die allerdings einstweilen noch ziemlich heruntergekommen ist. Während des Zweiten Weltkrieges befand sich hier das jüdische Ghetto.

Nachdem Zatlers in Ventspils Probleme mit dieser Volksgruppe geleugnet hatte, regte sich unter den Schülern Widerspruch, für Zigeuner sei es sehr schwierig, wenn überhaupt möglich, Arbeit zu finden.

In der Moskauer Vorstadt pfeifen es die Spatzen von den Dächern, daß viele Sinti und Roma ihren Lebensunterhalt mit illegalen Tätigkeiten verdienen. Andere versuchen Billigwaren rund um die genannten, viel frequentierten Orte zu verkaufen. Beides trägt ganz und gar nicht zur Verbesserung ihres Rufes bei.

Zatlers leugnete das Problem auf die Nachfrage hin ein weiteres Mal und habe dann, so berichtet die Presse, das Thema gewechselt.

Mit dieser Vogel-Strauß-Politik hätte der Präsident auch behaupten können, daß Wasser in Lettland bergauf fließt.

Donnerstag, 19. Februar 2009

Absurdistāna vai rien ne va plus Lettonie?

Dienas un nedēļas ilgi valdošā koalīcija diskutē par ministru kabineta posteņu reorganizāciju. ZZS bija gatava pamest koalīciju argumentējot, ka zemnieku prastu skaļāk bļaut – ko viņi arī pierādīja – lai nesalikt kopā zemkopību ar vides aizsardzību. OK, šie divi arī pārstāv savā starpā drīzāk pretrunīgas intereses. Tikai interesanti, kā notiek ZZS frakcijas sēdes un partijas kongresi?

Pēc tam Godmaņa valdība izturēja opozīcijas iesniegto neuzticības balsojumu 5. februārī. Četras dienas vēlāk tomēr ZZS ierosināja izveidot Feifera vadītu ministru kabinetu..

Tad valdošā koalīcija it kā vienojās. Premjera partijai paliek tikai viena ministrija, nepārsteidzoši Šlesera vadītā. Savukārt, pēkšņi TP drīkstētu uzņemt atbildību par gandrīz visu. OK, pēdējā laikā tik un tā medijos izskatās, ka drīzāk pats Ivars Godmanis vada visas ministrijas.

Pēc tam iepretim ieguldītajam laikam brīdī, kad citu nopietnu uzdevumu esamību noliegt nevar, pēkšņi viss projekts tika atcelts pa visam. Esot jāgaida līdz jūnija pašvaldību un Eiropas parlamenta vēlēšanām, lai redzētu partiju atbalstu vēlētāju vidū.

Izskatās, ka visi šie plāni aizmirsa jau Zatlera izteiktu, konstitucionāli apšaubāmo ultimātu.

Scenārijs 1: Pēc ultimāta beigām 31. martā prezidents ierosinās 1. aprīlī (!) par ko tad maijā būs obligātais referendums. Sekojoši izveidos jūnijā jaunu valdību vai pārmainīs Godmaņa kabinetu, lai septembrī notiktu ārkārtas vēlēšanas.

Scenarijs 2. Pēc ultimāta beigām 31. martā prezidents ierosinās 1. aprīlī (!) paziņos savu apmierinātību ar deputātu darbiem un pēc jūnija vēlēšanām izveidos jaunu ministru kabinetu vai mainīs esošo, kas tad paliks amatā līdz regulārām vēlēšanām 2010 gada rudenī.?

Pēc spēkā esošas Satversmes Saeimu atlaists var tikai sekojot prezidenta ierosinājumam. Zatlera kā arī TP likumprojektus šīs kārtības maiņai vai papildināšanai pats parlaments vēl nav pieņēmis un pat ir strīdi par to, vai tādi grozījumi vispār varētu stāties spēka tagadēja Saeimas sasaukumā.

Pēc lietussarga revolūcijas 2007. gada rudenī līdz grautiņiem 13. janvārī skatoties varbūt Latvijas pilsoņiem jāņem piemēru no Argentīnas Plaza de Mayo mātēm pirms militāras diktatūras sabrukuma kā arī nesenām, katru dienu notiekošam demonstrācijām pie parlamenta Islandē un sapulcēties katru dienu pēc darba Pils laukumā, kamēr valsts prezidents Valdis Zatlers populistiskā un apšaubāma ultimāta vietā ierosinās Saeimas atlaišanu.

Absurdistan (ergänzt)

Als Ministerpräsident Aigars Kalvītis im Herbst 2007 dem „Druck der Straße“folgend zurücktrat, obwohl er über eine parlamentarische Mehrheit verfügte und Ivars Godmanis ihn im Amt ablöste, habe ich bereits in der Überschrift die Vorgänge als politischen Zirkus bezeichnet.

Der Regierung Godmanis gelang es zunächst durchaus, daß sich die Wogen um die Entlassung des Chefs der Anti-Korruptionsbehörde, der Festnahme des Bürgermeisters von Ventspils, Aivars Lembergs, und des Sprungs von Edgars Gulbis in die Daugava etwas legten. Diese Ereignisse hatten in der Regenschirmrevolution gemündet und kein gutes Licht auf den Staat Lettland geworfen.

Dann erreichte die Finanzkrise Lettland mit voller Wucht und der Regierungschef demonstrierte den geschäftigen, den Macher. Aber zügig stellten sich Zweifel an der Kompetenz dieses Kabinettes insbesondere in der Krise ein. Finanzminister Atis Slakteris gab ein englischsprachiges Interview, das zur Farce wurde durch dessen Antwort auf die Frage, was mit der lettischen Wirtschaft gerade geschehe, denn Slakteris antwortete: Nothing special. Ein geflügeltes Wort.

Dann folgten die Ausschreitungen vom 13. Januar und das Ultimatum des Präsidenten.

Die Regierung hängt am seidenen Faden, hängt sie?
Es folgte ein Kuddelmuddel sich tägliche ändernder Nachrichten.

Die Union aus Grünen und Bauern hatte im Februar der Regierung, an der sie selbst beteiligt ist, das Vertrauen ausgesprochen und der Mißtrauensantrag der oppositionellen Neuen Zeit war damit gescheitert. Bereits vier Tage später schlug sie vor, der Bankier Feiferis möge eine neue Regierung bilden. Wieder fast nur Stunden später war der Fraktionsvorsitzende Augusts Brigmanis bereit, sogar die ein oder andere weitere Forderung im Rahmen der Kabinettsumbildung fallen zu lassen. Es sei nicht die richtige Zeit.

Am nächsten Tag verlautbarte Ministerpräsident Godmanis, die Koalitionspartner haben sich jetzt doch noch auf den neuen Zuschnitt der Ressorts einigen können. Grüne und Bauern haben soch durchgesetzt, daß das Landwirtschaftsministerium nicht mit dem Umweltschutz zusammengelegt wird. Über die anderen Veränderungen ließe sich diskutieren, viel Zuständeigkeiten passen unvermeidlich mehr oder weniger zusammen.

Während die Neue Zeit zu Recht erklärte, alle paar Tage ein Mißtrauensvotum einzubringen, sei unsinnig, verkündete nun Präsident Zatlers, daß er Godmanis nicht mehr vertraue. R\gewiß, es gehört zu den Aufgaben des Präsidenten, einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefes zu benennen, der anschließend vom Parlament bestätigt werden muß. Doch das Vertrauen entziehen kann diesem ebenfalls nur das Parlament. Daran erinnerte Ex-Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga in einem Fernsehinterview.

Dann traf sich diese Woche Montag der Ministerpräsident mit dem Präsidenten, um, wie es hieß, das Vertrauensverhältnis zu erneuern. Vielfach war erwartet worden, Godmanis werde am Abend seinen Rücktritt bekannt geben. Das aber geschah nicht. Der Ministerpräsident hatte bereits vorher mehrfach erklärt, die Regierung arbeite und er plane keinen Rücktritt.

Ergebnis: Die Regierungsmehrheit stand am 6. Februar. Godmanis will nicht zurücktreten und Zatlers kann aus seiner Position nur mit starken Worten auftreten, schickt sich allerdings nicht an, sein einziges Recht anzuwenden und die Auflösung des Parlamentes anzuregen. Vom Ultimatum ist ebenfalls seit Tagen die Rede nicht mehr, sondern ausschließlich von den zu erledigenden Aufgaben.

Und in diesem Moment legt die Volkspartei plötzlich wieder einen Plan zur Reorganisation des Kabinetts vor.

Diese Frage liegt dem Beobachter unwillkürlich auf der Zunge. Aber eigentlich ist es trivial: alle Parteien wissen, daß sie bei einer allfälligen Neuwahl das Verdikt des Wählers treffen wird. Es geht darum einerseits um eine Positionierung und natürlich um Einfluß in der Noch-Regierung. Godmanis in der Krise als Buhmann vorzuschieben hat Vorteile, unter seinem Kommando zu arbeiten aber gewiß nicht der Traum der beiden deutlich größeren Kräfte Volkspartei und Grüne/Bauern.

Was ist eigentlich hier los?
Dabei sollte nicht vergessen werden, daß Zatlers trotz aller populistischen Forderungen an die Politik während der letzten Monate immer noch der Kandidat genau dieser regierenden Koalition ist. Die Frage ist folglich einzig, wer hat welchen Einfluß darauf, ob und wann Zatlers von seinem einzigen starken verfassungsmäßigen Recht Gebrauch macht.

Nach der geltenden Verfassung kann nur der Präsident die Auflösung des Parlamentes anregen. Nach den Protesten zwischen der Regenschirmrevolution im Herbst 2007 und den Ausschreitungen am 13. Januar dieses Jahres könnten sich die Bürger Lettlands ein Beispiel an Argentiniens Müttern der Plaza de Mayo zum Ende der Militärdiktatur und Island jüngst nehmen: täglich vor der Rigaer Burg demonstrieren, bis Präsident Zatlers anstelle populistischer und fragwürdiger Ultimaten seines Amtes waltet.

Szenario 1: Der Präsident regt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) die Parlamentsauflösung an, worüber dann im Mai das obligatorische Referendum stattfindet. Daraufhin wird im Juni die Regierung umgebildet oder auch eine neue installiert und im September gewählt.

Szenario 2: Der Präsident gibt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) bekannt, daß er mit der Erfüllung der von ihm gestellten Aufgaben durch das Parlament zufrieden ist, und im Juni bilden dann die Parteien nach dem Wählerverdikt auf kommunaler und Europa-Ebene auf der nationalen Ebene eine neue Regierung, die dann bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2010 im Amt bleibt?

Was, wenn der Staat bald nicht mehr in der Lage sein sollte, seine hoheitlichen Aufgaben wahrzunehmen? Was Heißt es also schon rien ne va plus Lettonie?

Mittwoch, 18. Februar 2009

Das Unternehmen Staat

Der Präsident der lettischen Nationalbank, Ilmārs Rimšēvičs ,hat jüngst bei einem Vortrag in einer Rigaer Mittelschule den Schülern erklärt, der Staat müsse wie ein Unternehmen geführt werden.

Solche Vorschläge gibt es schon einmal aus verschiedenen Richtungen, vor allem dann und von dort, wann und wo jemand vermutet, die Regierung regiere nicht ordentlich, erfülle ihre Aufgaben nicht und / oder verschwende Geld. Der Vorschlag klingt zunächst verführerisch logisch.

Doch daß dieses Mal ausgerechtnet der Chef einer Notenbank dies sagt überrascht. Denn der erste und wichtigste Unterschied zwischen einem Staat und einem Unternehmen ist, daß ersterer über eine Notenbank verfügt, letzteres aber nicht.

Sonst gibt es die ein oder andere Ähnlichkeit: Staat und Unternehmen müssen über einen Korpus verfügen, was beim Staat das Territorium ist, beim Unternehmen der Ort von Prosuktion oder Dienstleistung. Zweite Voraussetzung ist eine Bevölkerung, die dann beim Unternehmen die Mitarbeiter sind. Drittens freilich muß die Führung über die tatsächliche Macht über beides verfügen. Auch dies wäre vergleichbar.

Rimšēvičs nun meint, so wie in einem Unternehmen müsse auch der Staat Renten und Einkommen seiner derzeitigen und früheren Mitarbeiter planen. Gegenwärtig geschehe dies in Lettland alles nach bloß Gusto.

Der oberste Währungshüter Lettlands spricht zu Recht an, daß in seinem Land über die letzten 18 Jahre eher weniger von good governance gesprochen werden konnte. Waren dies in den 90er Jahren partiell noch Patzer aufgrund fehlender Erfahrungen und Kenntnisse, so kann davon in den letzten Jahren die Rede schon lange nicht mehr sein.

Die Metapher ist jedoch mehr als fehl angebracht. Man stelle sich nur vor, in der derzeitigen Phase würdden andere Staaten Lettland nicht mehr als Staat, sondern als Unternehmen betrachten!

Daß der Vorschlag ausgerechtnet vom Präsidenten der Notenbank kommt, ist ein weiteres Zeichen dafür, daß Lettland (leider) nicht wie ein Staat geführt wird, sondern in weiten Teilen wie eine GmbH.

Sonntag, 15. Februar 2009

Latviešu vērtības

90. gados Samuel Huntington publicēja savu prognoze, ka nākotnē būs starptautiskie konflikti starp civilizācijām par demokrātisko valsts iekārtu. Ronald Inglehart, ideju pārņemot, apgalvoja, ka konflikts nebūs par demokrātiju, bet par indivīdu lomu sabiedrībā. Rietumu liberālisms neesot citās kultūrās akceptējams.

Šī teorija, protams, tika sastādīta, kad sociālistiskās valstis vēl nebija sabrukušas. Un to sabiedrību vērtības pēc pārmaiņām vēl nevarēja raksturot.

Tagad ar ticību kaut kādai žīdu-geji sazvērestībai (autors šeit izmanto žīdu jēdzienu sakarā ar tā lietošanu iedzīvotāju vidū) un it īpaši saistīts ar personu Geroge Soros parādās piemēri, apgaismības trūkumam Austrumeiropas sabiedrībās salīdzinot ar Rietumiem, kur arī vēl pirms pusgadsimta homoseksuālitāti sodīja ar ieslodzījumu cietumā.

Protams, runāt par Rietumvērtībām nav nekas universāls, jo pat ASV, kura tiek uzskatīta par vadošo Rietumvalsti, atsevišķos -štatos piemēro nāves sodu, kas kontinentālā Eiropā nav vairs sen iedomājams.

Tā, vai nu Latvija cieš no finanšu krīzes vai nē, joprojām šis jautājums regulāri ir dienas kārtībā. 123. februārī, Saeima JL frakcijas deputāte, kas pat kādreiz ir bijusi aizsardzības ministre, publicē komentāru Latvijas Avīzē, prasot nāves sodu pedofiliem. Neviens, viņa argumentē, nevarot viņu pārliecināt par kaut ko citu, ka bērnu slepkavām esot tiesības dzīvot. Un viņa bez tā vēl pasvītro, ka arī neticot Eiropas argumentiem, jo tā Eiropa, kā redzams, nespējot Latvijā valdošo haosu nespējot nekādīgi ietekmēt.

Virsraksts: „Pedofiliem nav cilvēktiesības!“. Izsaukuma zīmi ielika pati autore.

Mūrniece nepiemin, ka seksuālās orientācijas pašas pa sevi nav noziegums, bet gan tikai pedofilijas velmju realizēšana. Arī viņa neraksta par seksuālu izmantošanu, kas, galvenokārt, notiek pašā ģimenē reizēm gadiem ilgi. Arī netiek pievienots rakstam fakts, ka daudz vairāk bērnu Latvijā cieš no vardarbības ģimenē nekā no pedofiliem.

Līdz ar to raksts nekas cits nav nekā populistiskais blabla.

Neskatoties uz to vajadzētu arī citiem latviešiem, kas vainu par visām grūtībām meklē regulāri labāk Briselē, pārdomāt, vai viņi sevi pieskaita pie Rietumvērtībām. Ja cilvēkties
Ibas nav universālās, tad tās nav cilvēktiesības. Un ja pa tiešam viņas nebūtu spēkā visiem cilvēkiem, tad , lūdzu, kurš šajā pasaulē noteiktu, kur, kad un kam viņas ir spēkā? Linda Mūrniece?

Latvija ir suverēnā valsts, kurai ir tiesības, veidot sabiedrību pēc savām iedomām. Varbūt, Mūrniecei vajadzētu nodibināt jaunu partiju, kura atklāti iestāsies par izstāšanos no ES kā arī visām pārējām telpām, kā, piemēram, Šengenas līguma. Tad varētu novērst, ka bez latviešu vai Latvijas vēstniecību piekrišanas ieceltos žīdi un geji.

Ja viņa sevi uzskata par demokrāti, tad viņa mēģinās atrast atbalstu tautas vidū demokrātiskā ceļā. Citādāk vienīgi palīdzētu valsts apvērsums un autoritārisms, kam atbalsts arī nemaz nav tik maz Latvijā.

Protams, tad būtu gan nepieciešams iedzīvotājiem pateikt un paskaidrot, kāds ir šāda soļa sekas. Iepirkties Berlīnē, Parīzē dzert kafiju utt. Vajadzētu tad ilgāk iepriekš ieplānot.

Kā beidzās autarkijas mēģinājumi, par to Eiropā var stāstīt Rumānija un Albānija.

Samstag, 14. Februar 2009

Lettlands Wertegemeinschaft (ergänzt)

In den 90er Jahren veröffentlichte Samuel Huntington seine Idee vom Konflikt zwischen den Zivilisationen über die Frage der demokratischen Staatsordnung. Ronald Inglehart behauptete anschließend, es ging nicht um die Frage der Staatsform, sondern um die Rolle des Individuums in der Gesellschaft. Der abendländische Liberalismus sei für andere Kulturen nicht annehmbar.

Diese Theorie wurde freilich aufgestellt, als der real existierende Sozialismus gerade erst zusammen brach und die Einstellungskomplexe dieser Gesellschaften noch wenig bekannt waren.

Inzwischen zeigt sich unter anderem am Glauben an eine jüdisch-schwule Weltverschwörung in persona von beispielsweise George Soros, daß die Gesellschaften Osteuropas in solchen Fragen entschieden weniger aufgeklärt sind, als es im Westen des Kontinents üblich ist, wo noch vor einem halben Jahrhundert Homosexualität auch mit Gefängnis bestraft wurde.

Freilich, diese Wertegemeinschaft ist ein brüchiger Ansatz. Schließlich gibt es in den USA, die als eines der führenden Länder des westens angesehen werden, in vielen Bundesstaaten nach wie vor die Todesstrafe, welche in Kontinetaleuropa verpönt ist.

Und so ist dieses Thema, Finanzkrise hin oder her, auch in Lettland nach wie vor auf der Tagesordnung. Die Abgeordnete der Neuen Zeit, Linda Mūrniece, forderte erst am 12. Feburar in einem Kommentar in der eher konservativen Latvijas Avīze die Todesstrafe für Pädophilie. Mūrniece schreibt wörtlich: “ich bin eine Befürworterin der Todesstrafe und niemand kann mich vom gegenteil überzeugen, daß ein Kindermörder das Recht habe zu leben. Ich glaube auch nicht an die Argumente bezüglich der europäischen Forderungen, denn wie wir gegenwärtig sehen ist Europa nicht in der Lage das gegenwärtige in unserem Staat herrschende Chaos in irgendeiner Form zu beeinflussen”.

Die Überschrift lautet: “Pädophile haben keine Menschenrechte!” Das Ausrufungzeichen wurde von der Autorin gesetzt.

Mūrniece geht nicht darauf ein, daß aus sexueller Anziehung erst dann ein Kapitalverbrechen wird, wenn der Betroffene sie auslebt. Sie geht auch nicht auf den meist in der Familie stattfindenden, teilweise über Jahre andauernden sexuelle Mißbrauch ein wie auch unerwähnt bleibt, daß im Vergleich zu Fällen von Pädophilie häusliche Gewalt in Lettland das eigentliche Problem der Kinder ist.

Damit bleibt der Artikel in Zeiten wichtigerer Themen populistisches Geplänkel.

Abgesehen davon wäre den vielen Letten, die auch die Schuld der derzeitigen Krise in Brüssel suchen, anzuraten, sich über Ihre Zugehörigkeit zu welcher Wertegemeinschaft Gedanken machen. Wenn Menschenrechte nicht für ALLE Menschen gelten, dann sind es keine. Und wenn sie nicht für alle Menschen gelten, wer bitte entscheidet dann, für wen sie gelten, wann und wo? Linda Mūrniece?

Lettland ist ein uabnhängiges Land, dem das Recht zusteht, seine Gesellschaft zu gestalten. Vielleicht sollte Frau Mürniece einfach eine neue Partei gründen, welche offen für den Rückzug aus EU und dem Schengenraum proklamiert. Dann können keine Juden und Schwule mehr einreisen, ohne von einer Botschaft Lettlands kontrolliert zu werden.

Sieht sie sich als Demokratin, versucht sie dafür eine politische Mehrheit im demokratischen Entscheidungsprozeß zu finden. Sonst hilft nur ein Putsch und eine autoritäre Herrschaft, die nicht wenige in Lettland ebenfalls befürworten.

Gewiß wäre es dann noch von Nöten, der Bevölkerung zu erklären, welche Folgen dies für das Land hat. Shopping in Berlin, Kaffe trinken in Paris etc müsten die Letten dann natürlich länger im Voraus planen.

Wohin Versuche von Autarkie führen, darüber können in Europa Rumänien und Albanien berichten.

Absurdistan oder rien ne va plus Lettonie?

Die Absage an eine Koalitionsumbildung jetzt begründet Ministerpräsident Godmanis damit, daß jetzt der falsche Zeitpuntk dafür sei – nachdem in diese Diskussion seit Tagen und Wochen Zeit investiert wurde!

Jetzt soll bis zu den Kommunal- und Europawahlen abgewartet werden, die im Juni am selben Tag stattfinden, um die Stärke der Parteien abschätzen zu können.

Wie dieser Plan zusammenpaßt mit dem Ultimatum des Präsidenten, bleibt völlig offen.

Szenario 1: Der Präsident regt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) die Parlamentsauflösung an, worüber dann im Mai das obligatorische Referendum stattfindet. Daraufhin wird im Juni die Regierung umgebildet oder auch eine neue installiert und im September gewählt.

Szenario 2: Der Präsident gibt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) bekannt, daß er mit der Erfüllung der von ihm gestellten Aufgaben durch das Parlament zufrieden ist, und im Juni bilden dann die Parteien nach dem Wählerverdikt auf kommunaler und Europa-Ebene auf der nationalen Ebene eine neue Regierung, die dann bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2010 im Amt bleibt?

Freitag, 13. Februar 2009

Steigerung der Steigerung?

Die Grammatik erlaubt eine Steigerung bis zum Superlativ. Danach geht es nicht weiter. In der lettischen Politik gilt ein solches Gesetz nicht.

Da hatte die Union aus Grünen und Bauern am Donnerstag vergangener Woche der Regierung, an der sie selbst beteiligt ist, das Vertrauen ausgesprochen und der Mißtrauensantrag der Opposition war damit gescheitert. Bereits vier Tage später schlug sie vor, der Bankier Feiferis möge eine neue Regierung bilden. Und plötzlich ist nun Augusts Brigmanis bereit, sogar die ein oder andere weitere Forderung im Rahmen der Kabinettsumbildung fallen zu lassen.

Die Koalitionspartner haben sich jetzt doch noch auf den neuen Zuschnitt der Ressorts einigen können.

Grüne und Bauern haben soch durchgesetzt, daß das Landwirtschaftsministerium nicht mit dem Umweltschutz zusammengelegt wird. Über die anderen Veränderungen ließe sich diskutieren, viel Zuständeigkeiten passen unvermeidlich mehr oder weniger zusammen. Nur eines ist wirklich positiv, ein gemeinsames Justiz- und Innenministerium entsteht nicht, wie es zwischenzeitlich auch bereits vorgeschlagen worden war.

Daß das Ministerium für Regionalentwicklung mit dem Wirtschaftsministerium zusammengelegt wird, ist halbwegs nachvollziehbar. Überraschend hingegen bleibt als einziges Ressort das Verkehrsministerium unangetastet, welches unter anderem auch für die Post zuständig ist.

Der Amtsinhaber Ainārs Šlesers bleibt im Amt, die graue Eminenz seiner Partei, und ist neben dem Regierungschef nun der einzige Vertreter seiner Partei.

Während die Vertretung von Für Vaterland und Freiheit nunmehr auch mit dem Wirtschaftsministerium auf ein Ressort beschränkt wurde, hat die Volkspartei die Ehre, alle weiteren Ministerien zu besetzen.

Daß diese weniger personelle als die Zahl der Posten betreffende Regierungsumbildung nicht in erster Linie der Effizienz des Regierens und der Einsparung finanzieller Mittel dient, liegt auf der Hand. Wem aber dient es dann?

Nach der geltenden Verfassung kann nur der Präsident die Auflösung des Parlamentes anregen. Nach den Protesten zwischen der Regenschirmrevolution im Herbst 2007 und den Ausschreitungen am 13. Januar dieses Jahres könnten sich die Bürger Lettlands ein Beispiel an Argentiniens Müttern der Plaza de Mayo zum Ende der Militärdiktatur und Island jüngst nehmen: täglich vor der Rigaer Burg demonstrieren, bis Präsident Zatlers anstelle populistischer und fragwürdiger Ultimaten seines Amtes waltet.
Und das Neueste kurz von heute: Jetzt wirst erst einmal gar nichts geandert. Morgen mehr.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Lettland im freien Fall

Das Handelsblatt titelte jüngst, die lettische Wirtschaft sei im freien Fall. Das der Staat bankrott ist und ein politisches Vakuum besteht, wurde – auch an dieser Stelle – bereits erwähnt.

Am Montag hat der Fraktionsvorsitzende der Union aus Grünen und Bauern, Augusts Brigmanis, den Wunsch geäußert, den Vorstandsvorsitzenden der Hypothekennank, Inesis Feiferis, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Damit machte der Politiker seine Ablehnung zum Ausdruck, den derzeitigen Ministerpräsidenten weiter zu unterstützen. Und das nur vier Tage nach einer erfolgreichen Abwehr eines Misstrauensotums der Opposition!

Dies geschah unmittelbar nach einer Sitzung, in welcher sich die Koalitionsparteien nicht einigen konnten, welche Ministerien liquidiert und gegebenenfalls mit welchen Portfolios zusammengelegt werden sollen.

Dies läßt auf den offensichtlich erheblichen Einfluß schließen der grauen Eminenz der Partei schließen. Und das ist der Bürgermeisters von Ventspils, Aivars Lembergs. Warum sonst sollte sich diese Partei in so kurzer Zeit zu einer diametralen Meinungsumkehr entscheiden?

Die Koalitionsparteien demonstrieren damit, daß selbst in der Krise die Konflikte zwischen Personen (und Seilschaften) wichtiger sind als das Regieren.

In diesem Moment wäre es im Interesse der Staatsräson Aufgabe des Präsidenten, eine Entscheidung zu treffen und statt verfassungrechtlich bedenklicher Ultimaten die Anregung zur Auflösung des Parlaments auszusprechen. Das Land bleibt sonst de facto ohne Regierung, auch wenn allmorgendlich ein Amtsinhaber das Gebäude der Ministerien betritt.

Lettland steht am Scheideweg. Die Bürger Lettlands, nicht nur die politische Elite müssen sich nun entscheiden, ob sie ihren Staat überhaupt woollen, weil sich einstweilen der lettische Patriotismus auf Sängerfest und die Natur beschränkt. Die Volkspartei, welche nach ihrer Grundung im ersten Wahlkampf 1998 noch mit der Losung warb: Wir lieben diesen Staat (nicht Land), ist bereits klinisch tot.

Jüngst war eher aus Jux ein Internetportal eingerichtet worden, in dem Unterschriften unter einen Aufruf an Schweden gesammelt wurden, das Land zu besetzen. Ein anderer Vorschlag ging an einen russischen Millionär, der das Land bitte kaufen möge.

Eine Annexion durch Schweden wie auch der Kauf durch russische Schwerreiche ist wenig realistisch. Und welches andere Interesse als den Zugang zum mehr sollte Russland als Staat an Lettland haben? Und dieser läßt sich auch kaufen, ohne gleich ein bankrottes Staatswesen übernehmen zu müssen, deren Einwohner gerade ebenfalls zu Hauf in die Privatinsolvenz schlittern.

Bliebe das Modell Kosovo. Vor Ort sitzt ein Administrator, der das Vertrauen Brüssels genießt, während das Land de facto von dort gelenkt würde. Da der Lat als nationale Währung ebenfalls eigentlich nicht mehr existent ist, könnte wie in dem genannten territorialen Gebilde auf dem Balkan ebenfalls gleich der Euro als Zahlungsmittel verwendet werden.

Samstag, 7. Februar 2009

Politikvakuum in Lettland

Lettland ist wirtschaftlich von der Krise gezeichnet und die politische Elite am Ende ihres Lateins: Es herrscht ein Politikvakuum.

Im Falle eines Machtvakuums wäre unklar, wer regiert. Dies aber ist nicht der Fall. Die Regierung unter Ministerpräsident Godmanis verfügt auch nach dem Austritt einiger Abgerdneter aus den vier die Koalition stützenden Fraktionen über eine Mehrheit im Parlament. Das zeigte sich bei der Vertrauensabstimmung auf Antrag der Neuen Zeit am vergangenen Donnerstag.

Diese Mehrheit war nach der letzten Wahl im Herbst 2006 in der Regierungszeit von Aigars Kalvītis noch etwas größer. Auch er war nicht parlamentarisch gestürzt worden, sondern aufgrund des politischen Drucks selbst zurückgetreten.

Ein Politikvakuum besteht nun, weil Unklarheit über Politikinhalte besteht, ja mehr noch, eine Politik eigentlich nicht mehr stattfindet.

Lettland nicht regiert, sondern dirigiert
Natürlich ist die tiefe wirtschaftliche Krise, in der die Hilfe von IWF und der Europäischen Union die Zahlungsunfähigkeit Lettlands verhindern, ein wichtiger Grund, warum derzeit weniger in Riga als an anderen Orten entschieden wird.

Der politische Beobachter gewinnt aber darüber hinaus derzeit den Eindruck, daß die Regierung ohnehin nur noch aus einer Person besteht: dem Regierungschef selbst. So wichtige Amtspersonen wie der Finanz- und der Wirtschaftsminister, die jeweils anderen Parteien angehören, tauchen in der Öffentlichkeit gar nicht mehr auf.

Der dem vierten Koalitionspartner angehörende Landwirtschaftsminister ist angesichts der Bauernproteste dieser Tage von seinem Amt zurückgetreten. Damit stellt er eine Ausnahme dar.

So wenig die Koalitionspartner den die zweitkleinsten Regierungspartei vertretenden Ministerpräsidenten lieben mögen, niemand erklärt derzeit seine Bereitschaft, an dessen Stelle zu treten. Dieser müßte dann außerdem erst von Präsident Valdis Zatlers benannt werden. Über eine solche Machtposition verfügt aber derzeit kein Politiker. Während Godmanis am vergangenen Sonntag im Fernsehen verkündete, er habe nicht die Absicht zurückzutreten und die Regierung arbeite weiter, stellt sich die Frage, welche Alternative es überhaupt gäbe.

Die Koalitionspartner, die teilweise ihren Regierungschef in den letzten Tagen und Wochen kritisiert haben, beeilten sich vor der Abstimmung am Donnerstag zu erklären, daß sie nicht gegen die Regieung stimmen würden. Darunter auch die an mangelndem inneren Zusammenhalt leidende Union der Grünen und Bauern, deren Fraktionsvorsitzender einen parteilosen Nachfolger für den zurückgetretenen Landwirtschaftsminister vorgeschlagen hat.

Präsident Zatlers hat derweil an die Partizipationsbereitschaft der Bevölkerung appelliert und die Intellektuellen aufgerufen, doch bitte in die Politik zu gehen, neue Parteien zu gründen oder in bestehende einzutreten. Der Hintergrund? Zatlers kann die Parlamentsauflösung anregen und wüde im anschließenden obligatorischen Referendum Umfragen zu Folge eine Zustimmung von zwei Dritteln des Wahlvolkes erhalten. Doch wen sollen die Wahlbürger an die Stelle der jetztigen abgewirtschafteten politischen Elite wählen? Zatlers hat sich also mit seinem, den Geist der Verfassung überschreitenden Ultimatum an die Parlamentariern, selbst ein Bein gestellt.

Wurde Lettland regiert?
Ein Politikvakuum, werden Kritiker behaupten, gab es bereits zuvor. Und tatsächlich, die oligarchischen Parteien haben, wie ihnen die Bürger vorwerfen, während der vergangenen Jahre auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung keine oder wenig Rücksicht genommen und dienten statt dessen oftmals ihrem eigenen Vorteil. Die lettische Politik war zwar nicht mafiös, aber im Rahmen des weitgehend Legalen wurde stand good governance nicht im Mittelpunkt des Bemühens.

Das müssen sich auch nicht politische andere Amtspersonen vorwerfen lassen. Denn ein günstiger Zeitpunkt wie auch eine günstige Alternative der Ausrichtung einer Neuwahl wurden nicht genutzt.

Bereits kurz nach der Wahl 2006 hatten die Behörden festgestellt, daß gleich mehrere Parteien – eben jene, die derzeit die regierende Koalition bilden – im Wahlkampf gegen die Gesetze über die Wahlkampfausgaben verstoßen hatten. Die Zusammensetzung des Parlamentes, so kommentierten bereits damals Juristen, Politologen und Journalisten, gründe sich auf illegale Handlungen. Doch nichts geschah.

Was nun?
In einem Machtvakuum könnte es aus Ärger der Bürger zu revolutionären Zuständen kommen. Dafür aber fehlt in Lettland die Mentalität. Ebenso könnte jemand versucht sein, ein autoritäres Regime zu errichten. Dafür aber fehlt die entsprechende Figur. Außerdem sind sich alle Vertreter der politischen und wirtschaftlichen Elite bewußt, welche Folgen dies innerhalb von NATO und EU hätte und folglich den Lebensstandard der Bevölkerung betreffend eher zu einer drastischen Verschlechterung führte.

Wenn aber die Intellektuellen des Landes nun nicht endlich bereit sind, sich für ihren Staat zu engagieren, droht nach einer allfälligen Neuwahl ein Parlament zusammengesetz bestenfalls aus der dritten und vierten Garde des sozialen Kapitals, der nach dem Abtreten der Oligarchen dann auch noch die politische Erfahrung fehlt. Damit würde Lettlands Position als Mezzogiorno der EU auf Dauer gefestigt.

Aber dabei ist immer die Rede von Neuwahlen. So lange der Gesetzentwurf des Präsidenten, die Verfassung zu Gunsten eines Volksrechtes zur Entlassung des Parlamentes zu ändern, ebenso wenig den Weg durch die parlamentarische Beratung findet wie es eine Mehrheit für den Vorschlag der Volkspartei gibt, die Verfassung durch ein Selbstauflösungsrecht der Saeima zu ergänzen, bliebt dieses Parlament auf Gedeih und Ververb erhalten. Und mit jedem Monat rückt der reguläre Wahltermin im Herbst 2010 näher.

Bliebe als Ausweg ein Rücktritt der Regierung Godmanis und die Bereitschaft etwa der Chefin des Rechnungshofes, Inguna Sudraba, als Parteilose eine Regierung zu bilden. Derzeit verfügen die oppositionelle Neue Zeit gemeinsam mit dem pro-russischen Harmoniezentrum und den Abgeordneten, die ihre alten Fraktion verlassen haben, über so viele Stimmen, daß sie mit der Partei von Godmanis knapp die absolute Mehrheit im Parlament verfehlen. Bliebe die Erwartung eines Zerbrechens Union der Grünen und Bauern.

Und hier gibt es wieder wilde Spekulationen: Die Oligarchen haben verstanden, daß ihre Zeit vorbei ist un sorge unter einem Premier Godmanis noch schnell dafür, ihre Pfründe zu sichern, um dann das Feld zu räumen.

Donnerstag, 5. Februar 2009

Ein neues Parteiensystem in Deutschland?

Als sich die Grünen in den 80er Jahren im deutschen Parteiensystem etablierten, kam es erstmalig zu den hessischen Verhältnissen, in denen keine Alleinregierung einer Volkspartei oder eine der bis dahin klassischen Koalitionen möglich war. Der Politologe Christian Graf von Krockow veröffentlichte einen kleinen Sammelband unter dem Titel „Brauche wir ein neues Parteiensystem?”

Im Rahmen der neuerlichen hessischen Verhältnisse, denen der Urnengang vom 18. Januar ein (vorübergehendes?) Ende setzte, stellt sich nunmehr in bezug auf das Parteiensystem nicht mehr die Frage, was Deutschland braucht, sondern was es nolens volens bekommt.

Veränderungen der vergangenen Jahre
Seit die PDS mit der WSAG zur Linken fusionierte und in mehrere westdeutsche Landesparlamente einzog, spricht die Politikwissenschaft bereits vom „etablierten Fünfparteiensystem”. Wie aber inzwischen zutreffend festgestellt wurde, demonstriert ein Blick durch die Länder das Potential zum Siebenparteiensystem. Denn einerseits ist es rechtsradikalen Parteien schon mehrfach gelungen, vor allem in ostdeutsche Landtage einzuziehen, andererseits reüssierten die Freien Wählern jüngst in Bayern als neue politische Kraft auf Landesbühne.

Dabei ist es richtig, daß rechtsradikale Parteien bislang trotz Erfolgen in der Provinz den Sprung über 5% auf der Bundesebene nie geschafft haben. Ursache dafür ist die Zersplitterung in mehrere Parteien, die sich dann auf konkrete Bundesländer konzentrierend in Parlamente einzogen. Die Freien Wähler haben ihrerseits über eine bundesweite Organisation und Kandidatur noch nicht entschieden.

Triviales und Bemerkenswertes in Hessen

Das Wahlergebnis in Hessen wurde bislang vorwiegend im Hinblick auf seine trivialen Erkenntnisse kommentiert. Ja gewiß, die SPD wurde abgestraft, das Ergebnis ist den Anspruch einer Volkspartei nicht wert. Und ja, Rolands Koch offensichtliche Beliebtheitslücke hat ihn beim wiederholten Urnengang auf der Stelle treten lassen.

Die Ironie dieser Niederlage könnte darin liegen, daß sein Weg nach Berlin sich schließlich nicht durch seinen Erfolg in Hessen begründet, sondern im Gegenteil, durch seinen Mißerfolg.

Die hessische Landtagswahl am 18. Januar ermöglicht zwar die Rückkehr zu einer der klassischen Koalitionen, liefert aber keineswegs den Beweis dafür, daß generell Hoffnungen auf eine Renaissance klassischer Zweierbündnisse begründeter geworden sind:

1. Obwohl die Linke zerstritten ist und heftige Vorwürfe gegen die Partei von den eigenen Leuten kam, ist die Partei erneut in den hessischen Landtag eingezogen.

2. Die Zuwächse der FDP sind nur bedingt mit einer Entscheidung für das bürgerliche Lager, aber gegen Koch zu erklären. Diese Wähler hatten bereits 2008 den Liberalen zu einem besseren Ergebnis verholfen.

3. Eventuelle Anti-Koch Protestwähler, die der CDU zwar einen Denkzettel erteilen wollten, ohne damit gleich einen Regierungswechsel herbeizuführen, sind nicht reumütig bei der Wiederholungswahl zurückgekehrt, wie es bei anderen Landtagen in der Vergangenheit der Fall war, wo im Anschluß an hessische Verhältnisse neu gewählt wurde.

Prozentual sind nun die Verluste der SPD ziemlich gleichermaßen an FDP und Grüne gegangen:
1. Es darf darum davon ausgegangen werden, daß es sowohl diejenigen Enttäuschten sind, die 2008 für die SPD gestimmt hatten, um einen Regierungswechsel herbeizuführen und sich anschließend über Andrea Ypsilantis „Meineid” aufgeregt hatten.

2. Ebenfalls enttäuscht von der offensichtlichen Regierungsunfähigkeit der SPD sind natürlich auch jene, die den links-ökologischen Kurs der Spitzenkandidaten ausdrücklich unterstützten und folglich 2009 gleich grün gewählt haben.

Daß die FDP von vielen bürgerlichen Koch-Gegnern wie auch jenen Wählern unterstützt wurde, die offensichtlich einen Regierungswechsel bevorzugt hätten, zeigt das außergewöhnlich gute Ergebnis, daß das liberale Stimmpotential nicht repräsentiert.

Aussichten für die Bundestagswahl
Nicht nur die SPD ist seit geraumer Zeit innerlich zerrissen. Auch die CDU ist es. Dies fiel nur einerseits wegen der Popularität der Kanzlerin lange Zeit nicht auf wie auch wegen es Medienfokus auf die Selbstzerfleischung der SPD. Spätestens mit dem Ergebnis der Bayernwahl sind aber alle Grundsteine für interne Konflikte auch in der Union gelegt.

In Umfragen kommt Schwarz-gelb auf Bundesebene seit Monaten regelmäßig ungefähr auf 50% der Wähler. Daß das Wahlergebnis im Herbst dann tatsächlich so aussieht, hängt, wie andere Stimmen bereits zutreffend kommentiert haben, auch von der wirtschaftlichen Entwicklung im Rahmen der Finanzkrise während der nächsten Monate ab. Union und FDP wird mehr Wirtschaftskompetenz zugebilligt, der SPD hingegen das Eintreten für soziale Fragen. Was also, wenn bis September die Krise eine soziale wird?

Entscheiden sich Unionswähler im September aus Frust über den Linkskurs Merkels für die FDP können dieser Wähler wegen ihres wirtschaftsliberalen Kurses wegbrechen. Die Krise eines Systems, das vor allem von der FDP unter ihrer derzeitigen Führung propagiert wurde, ist einstweilen in aller Munde.

Mehrfach erwähnt wurde von verschiedenen Publizisten und Wissenschaftlern in den vergangenen Monaten, daß die Bevölkerung eigentlich ganz zufrieden ist, in Zeiten der Krise eine große Koalition zu haben. Einige Beobachter äußerten sogar die Ansicht, auch die Koalitionspartner fühlten sich in dieser Konstellation eigentlich ganz wohl.

Während die FDP nach einem Jahrzehnt in der Opposition in die Regierung drängt, dürfte das Regieren mit einer knappen Mehrheit aus schwarz und gelb für die Union weniger anziehend sein. Angesichts der Notwendigkeit unpopulärer Entscheidungen drohte der in der Bundesrepublik übliche Effekt, daß die Regierungsparteien anschließend die Landtagswahlen verlieren.

Ausweg aus einer großen Schrumpfkoalition
Nichtsdestotrotz beweisen die Urnengänge der letzten Zeit, daß die sogenannten Volksparteien schrumpfen. Dies ist in Hessen wieder geschehen und dürfte auch für die Bundestagswahl im Herbst gelten. Mehr als 40% zu gewinnen ist für CDU/CSU und SPD nicht in Sicht. Das aber bedeutet in Zukunft, daß kleine Koalitionen nur noch selten mit zwei Partnern möglich sind.

Und darum spricht noch etwas für eine Fortsetzung der großen Koalition. Bereits in Hessen haben die Parteien bewiesen, daß die Zeit für Dreierbündnisse offensichtlich noch nicht reif ist wie auch Deutschland nicht reif ist für Minderheitsregierungen mit wechselnden Mehrheiten. Der einzige Ausweg ist dann eben eine große Koalition geschrumpfter Partner. Nach dem Erscheinen der Grünen hat es auch eine Weile gedauert, bis sich die Politik daran gewöhnt hatte.