Mittwoch, 16. September 2009

Deutsche Parteien kranken an ihrem System

Wenn man es genau nimmt, so bestand bei Bundestagswahlen seit 1994 die Möglichkeit, daß durch den Einzug der PDS weder scharz-gelb noch rot-grün eine Mehrheit haben würden. Die vieldiskutierte Überhangmandatregelung und das vom Bundesverfassungsgericht bemängelte, sogenannte negative Stimmengewicht ist sicher ein Grund dafür, warum dies erst 2005 geschah. Freilich gab es auch andere Gründe politischer Inhalte, allem voran eine Abneigung gegenüber der PDS, in welcher viele, die die Zeit der deutschen Teilung noch in gutter Erinnerung haben, nach wie vor die SED sehen.

Die Zeiten haben sich aber geändert. Ein guter Teil der Wähler ist inzwischen zu jung, um eine emotionale Erinnerung an die DDR zu haben und mit Oskar Lafontaine hat ein Politiker aus dem Westen die Partei auch hier “hoffähiger” gemacht – aber eben auch nur ein bißchen.

Das Ergebnis der Landtagswahl in Hessen 2007 konnte insofern nicht überraschen. Und das mit genau diesem Ergebnis die Debatte über den Umgang mit der Linkspartei beginnen würde, war ebenso absehbar. Einstweilen ist die Partei im Westen nicht das, was sie in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern war und ist, als sie dort politische Verwantwortung übernahm.

Seit dieser Zeit geht im deutschen Parteiensystem ein Virus um: die Ausschließerrietis. Der Infektionsherd ist das Parteiensystem nur indirekt, indem es sich verändert. Auslöser sind viel mehr ein Teil der Wähler und mehr noch die Medien, unter deren Vertretern –Journalisten – die Fraktion mit emotionaler Erinnerung an die deutsche Teilung die Mehrheit stellt. Die Ausschließerrietis geht also vorwiegend von moralischer Empörung der Journalisten und eines Teils der Wählerschaft aus als von den Politikern, unter denen immer wieder darauf hingewiesen wurde, daß der Vorwurf einer Machtbeteiligung einer für den Austritt aus der NATO eintretenden Linken auf Bundesebene absurd ist.

Die Empörung hat 2007 verhindert, daß als Lösung nicht gewählt wurde, was in anderen, vor allem nordeuropäischen Ländern, normal ist, nämlich die Bildung einer Minderheitsregierung, die mit wechselnden Mehrheiten regiert.

Auch Heribert Prantl kommentierte, daß die Wähler und mit ihnen das Parteiensystem bunter und flexibler geworden sind, die Parteien selbst sind es aber (einstweilen noch) nicht. Die Parteien haben auf Druck der Presse damals das Thema vertagt. Mit den Landtagswahlen in Thüringen und dem Saarland hat es sich aber postwendend und zu einem für die Parteien unangenehmem Moment wieder auf die Tagesordnung gemogelt. Doch auch dies war zu erwarten.

Nun droht sich Gleiches wie in Hessen in umgekehrter Form zu wiederholen. Während Andrea Ypsilanti ihr Versprechen verwarf, nicht mit der Linken zusammenarbeiten zu wollen, um ihre politischen Ziele zu realisieren, schickt sich Christoph Matschie in Thüringen nun an, das Koalitionsversprechen einzuhalten und zu diesem Zweck seine inhaltlichen für eine Koalition mit der CDU über Bord zu werfen. Die SPD war in diesem Land bereits einmal in einer großen Koalition und stürzte anschließend von fast 30% auf unter 20% ab.

Freilich unterscheiden sich die beiden Beispiele; in Hessen zog die Linke erstens nur knapp in den Landtag ein, während sie in Thüringen zweitstärkste Kraft ist und fast zehn Prozent vor den Sozialdemokraten liegt. Zweitens ist die Partei im Osten eine politikerfahrene und kein Sammelbecken für diverse linksorientierte Sektierer wie parteill in Hessen und in Niedersachsen.

Nun wäre es an der Zeit, pragmatische Lösungen zu finden, die eine bessere Antwort auf den Wählerwillen darstellen, als so lange wählen zu lassen, bis der politischen Elite und den Journalisten das Ergebnis paßt. Freilich, räumen wir den Parteien großzügig ein, sich zu orientieren bis zur Bundestagswahl. Es ist nachvollziehbar, daß unmittelbar vor dem nationalen Urnengang Entscheidungen in diesen Fragen das Wählerverhalten nicht nur beeinflussen, sondern den Wähler möglicherweise auch verunsichern können.

Minderheitsregierungen mit wechselnden Mehrheiten wäre eine Lösung, die in Hessen ermöglicht hätte, sowohl das gegen die Linke gerichtete Versprechen Ypsilantis wenigstens teilweise einzuhalten und damit auch die Regierung nicht von unsicheren Kantonisten abhängig zu machen. In Thüringen ist die Linkspartei hingegen kein Chaotenhaufen und mit Lafontaine im Hintergrund auch im Saarland weniger. In beiden Fällen wären rot-grüne Minderheitskabinette angesichts der Stärke der Linken entschieden kleiner als in Hessen.

Bliebe als Alternative für Thüringen, daß nicht die stärkste Partei einer rot-rot-grünen Koalition, also die Linke den Regierungschef stellte. Christoph Matschie fühlt sich einstweilen in einer starken Position, weil ohne die SPD keine Regierung möglich ist. Daß die stärkste Koalitionspartei nicht den Ministerpräsidenten stellt, ist für Deutschland eine Ausnahme und ist etwa mit Reinhold Maier in Baden-Württemberg 1952 wie auch in Niedersachsen im selben Jahrzehnt vorgekommen, als das Parteiensystem noch unübersichtlicher war.

Einstweilen wurde für Thüringen der parteilose Theologe Ralf-Uwe Beck in die Diskussion gebracht. Aber gerade weil die Grünen in Thüringen für eine Mehrheit gar nicht nötig wären, Bodo Ramelow jedoch eine Ein-Stimmen-Mehrheit für zu klein hält und die Grünen aus diesem Grunde mit ins Boot holen möchte, warum nicht einen Grünen zum Ministerpräsident wählen? Dann würden diese sich auch gewiß weniger als fünftes Rad am Wagen fühlen.

So könnten in Thüringen neue Wege beschritten werden wie auch im Saarland völlig unabhängig von den Alternativen rot-rot-grün und Jamaika etwas neues ausprobiert werden muß und wird.

Auf der Bundesebene herrscht die Ausschließerrietis jedoch noch vor, und damit kann es am Ende, wenn es für Schwarz-gelb nicht reicht, nur wieder eine große Koalition geben. In beiden Fällen wird das aber nicht verhindern können, daß die Parteien sich mit den neuen Mehrheitsverhältnissen bald werden auseinandersetzen müssen.
Eine (knappe) schwarz-gelbe Mehrheit wird die dann in der Opposition befindlichen Kräfte auf der Landesebene beflügeln. Eine neuerliche große Koalition würde genau so unter dem Druck der rot-rot-grünen Option stehen wie im Spannungsfeld des Umgangs der Union mit ihrer Kanzlerin, wenn es ihr nicht gelingt, die große Koalition durch eine genehmere Mehrheit zu beenden.

Donnerstag, 10. September 2009

Zwischenruf zum Thema Wahlverdruß

NDRinfo strahlte jüngst einen Beitrag mit Kommentaren von Politologen, Politikern und Publizisten aus, der sich mit dem Verdruß der Wähler und seinem Ausdruck in Wahlenthaltung beschäftigte. Dabei wurden erneut “Säue durch das Dorf getrieben”, die ihr Rennen schon unzählige Male wiederholt haben. Dies betrifft die Volkswahl des Bundespräsidenten als Motivation einerseits sowie Ursachen und Folgen der Wahlabstinenz andereseits.

Die Direktwahl des Bundespräsidenten hat Amtsinhaber Horst Köhler selbst seines wieder ins Gespräch gebracht, nachdem es seit Bestehen der Bundesrepublik immer wieder diskutiert worden ist. Anlaß für ihn war gewiß der diesjährige Wirbel um die Kandidatin Gesine Schwan und deren eventuelle Wahl mit den Stimmen der Linken.
Daß Experten die Idee jetzt mit dem Hinweis unterstützten, daß gerade weil es sich um ein repräsentatives Amt handele, man den Wähler auch direkt an die Urnen rufen könnte, überrascht. Soll das etwa heißen, dem Wähler nur Entscheidungen zuzutrauen, die eigentlich keine Entscheidungen mit Entscheidungskraft sind?

Seit langem ist klar, daß ein direkt gewählter, aber politisch weitgehend machtloser Präsident ein demokratietheoretisches Problem darstellt, wenn die tatsächliche Regierung und der Kanzler nur aus indirekten Wahlen hervorgehen. Der Amtsinhaber mit weniger Macht hätte dann mehr demokratische Legitimation. Aus diesem Grund ist der Gedanke bereits in der Vergangenheit immer wieder verworfen worden.

Die Direktwahl noch zu unermauern mit dem Hinweis, daß die Bürgermeister inzwischen überall in Deutschland direkt gewählt werden, zeigt ein weiteres Mal den Irrwitz der Argumentation. Während Räte auf kommunaler Ebene kein wirkliches legislatives Organ sind, sind die Bundesländer über die vergangenen gut zehn Jahre alle zu der Süddeutsche Ratsverfassung ähnlichen Strukturen übergegangen, in denen der Bürgermeister Chef der Verwaltung und damit eben die mächtige Figur in den Kommunen ist – also kein Vergleich zum Präsidenten auf Bundesebene.

Die Frage der Wahlenthaltung wird ebenfalls regelmäßig diskutiert und häufig kritisch, ja geradezu negativ gewertet. In der erwähnten Sendung merkte aber ein schleswig-holsteinischer SPD-Bundestagsabgeordneter treffend an, daß Wahlenthaltung als Protest so lange keine Folgen zeitige, als die Politik auf diesem Wege nicht erfahre, warum der Wahlberechtigte zur Wahl nicht geht. Daß ein Politikwissenschaftler Wahlenthaltung einseitig als Ausdruck von Unzufriedenheit mit der Politik (aller Parteien) bezeichnet, Überrascht, denn tatsächlich weiß niemand, ob die Nichtwähler wegen schlechten Wetters nicht vor die Tür möchten oder bei gutem Wetter spannendere Freizeitvergnügen vorziehen – aus diesem Grunde finden Wahlen in anderen Ländern beispielsweise nicht sonntags, sondern werktags statt. Aber vielleicht ist der Betreffende auch einfach krank oder sein Arbeitgeber hat ihm kurzfristig und nur für diesen Zeitraum Urlaub genehmigt?

Jene Kommentatoren, die in einer niedrigen Wahlbeteiligung immer gleich den Untergang der Demokratie sehen, verkennen, daß in den USA etwa ein Wähler sich aktiv registrieren muß, um überhaupt abstimmen zu können, was für manche Bevölkerungsgruppen eine wirkliche Hürde darstellt, weshalb das System regelmäßig kritisiert wird.

Ein weiterer Aspekt ist, daß sind die Zeiten der großen polarisierenden Konflikte wie Wiederbewaffnung, Ostpolitik oder NATO-Doppelbeschluß lange zurückligen. Die Parteien werden in ihren Positionen immer austauschbarer, weil auch die Millieus, welche früher identitätsstiftend gewirkt haben, sich auflösen. Seit langem wird auch konstatiert, daß politisches Engagement in und durch Parteien nachläßt wie auch deren Mitgliedschaft schrumpft, viele Menschen aber gleichzeitig an anderen Stellen engagieren.

Somit kann Wahlenthaltung, auch wenn Unzufriedenheit als häufige Ursache nicht in Abrede gestellt werden kann und soll, durchaus als allgemeine Zufriedenheit dargestellt werden. Immerhin gäbe es für den Nichtwähler die Möglichkeit, sich zu organisieren die Neugründung einer Partei zu initiieren, wie dies seinerzeit mit den Grünen geschah, und Protest könnte sich auch in einem starken Anwachsen des Erfolges radikaler Flügelparteien äußern. Das ist aber bislang nicht geschehen.

Dienstag, 1. September 2009

Linksammlung

Mit diesem Post möchte ich am Baltikum Interessierten weitere Links geben, die bei Recherchen zu verschiedenen Themen hilfreich sein können und vorwiegend nicht kommerziell sind. Gleichzeitig möchte ich die Linkliste des Blogs selbst damit nicht bis zur Unübersichtlichkeit verlängern.
Der erste Link ist die Osteuropa-Datenbank von iMOE:

https://webmail.lanet.lv/horde/util/go.php?url=http%3A%2F%2Fdatenbank-osteuropa.imoe.de%2F&Horde=024e5cc115424542d5c98d40cd8d0564

Eine beschränkte Version der Info-Datenbank ist unter www.osteuropa-guide.de online.

Weitere werden folgen und mit entsprechenden Hinweisen versehen.