Mittwoch, 6. Februar 2013

Who the hell are „Depardjē“ and „Olands“?

Auf Lettisch muß man ja noch aussprechen Ualands für den zweiten. Wer Rēcs, Rēts, Rētcs oder Rētss sein könnte, mag dem Leser sich schneller eröffnen. In den 90ern gab es eine amerikanische Fernsehserie, die in Lettland „Beverlihilsa“ hieß. Noch ein bißchen einfacher. Und wie steht es mit „Klāra Šūmane-Wīka“?

Wem nicht gleich klar ist, von welchen Personen und Orten hier die Rede ist, möge ein wenig knobeln.

Worum geht es? In der lettischen Sprache werden Eigennamen nicht einfach übernommen, sie werden transkribiert. Die Letten sollen sie anschließend in ihrer Schreibweise so aussprechen können, wie im Original. Das natürlich ist schwer möglich, da es für viele Laute gar keinen lateinischen Buchstaben gibt und man auch erst einmal über Philologen aller Sprachen der Welt verfügen müßte, um die unzähligen Diphthonge zu kennen. Darum heißt die Iron Lady im Lettischen eben „Tečere“ und der frühere französische Präsident ist der mittlere Rand oder eben „Miterands“.

Was hier so lustig daher kommt, hat durchaus auch juristische Folgen. Vor einigen Jahren klagte eine Lettin nach ihrer Hochzeit mit einem Deutschen namens Mentzen vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und bekam dort nicht Recht. Den Richtern genügte das Angebot der lettischen Behörden, die Originalschreibweise in ihrem Paß wenigstens in Klammern hinzuzufügen.

Der Autor dieser Zeilen wird in sämtlichen Verträgen – also juristischen Dokumenten – ebenfalls nur im Original genannt. Da er über keinen lettischen Paß verfügt wäre es sonst auch nicht ganz einfach zu beweisen, daß mit einer der eingangs genannten Schreibweisen in einem Dokument tatsächlich er gemeint ist.

Nichtsdestotrotz ist Anlaß für diese neuerliche Erwähnung des Themas ganz gewiß der Umstand, daß man ja meistens wie bei „Rihards Vāgners“ und im Genitiv der „Riharda Vāgnera iela“ noch halbwegs darauf kommt, wer gemeint sein könnte. „Olands“ hingegen stellt nun wirklich auch gegenüber mittleren Rändern eine neue Dimension dar.

Einzige Entschuldigung ist, daß die vielen vom lateinischen Alphabet abgeleiteten Sonderzeichen der slawischen und auch baltischen Sprachen denn auch in der deutschen oder englischen Presse ignoriert werden. Aber wer verlangt, jedweden fremdsprachigen Namen in jedwedem Land richtig auszusprechen?

Ist der deutsche Wähler schizophren?

2009 versprach die FDP vor der Bundestagswahl Steuersenkungen und erzielte beim Urnengang das beste Ergebnis ihrer Geschichte, fast 15%, obwohl nicht nur die Medien, sondern auch Umfragen belegten, daß unter den Wählern kaum jemand glaubte, ein solches Versprechen könne realistisch sein. Das Versprechen wurde nicht eingelöst und man könnte jetzt einfach mal behaupten, die übliche Wut der Wähler über nicht eingelöste Wahlversprechen sei der Grund, warum die Partei in den Umfragen um 10% abstürzte und jetzt um den Einzug in den Bundestag im Herbst bangen muß.

Quintessenz: Der Wähler entscheidet sich also für Versprechungen, denen er selber keinen Glauben schenkt und ist anschließend trotzdem beleidigt?

Naja, ganz so schlimm wird es nicht sein. Ähnlich wie in Niedersachsen, wo die FDP vergangenen Monat auf 10% und ihr damit ebenfalls bestes Ergebnis kam, liegt es auf der Hand, daß 2009 viele (Unions-)Wähler aus der großen Koalition heraus in das über 16 Jahre unter Kohl bewährte Bündnis von Union zurück wollten wie sie auch in Niedersachsen ihren Regierungschef behalten wollten.

Aber auch so einfach kann man es sich nicht machen. Es ist noch nicht lange her, da war Peer Steinbrück im ZDF-Politbarometer der beliebteste Politiker Deutschlands. Politiker? Das fragt man sich da. Ja sicher, der Mann war auch damals Bundestagsabgeordneter, sonst aber in keinen Funktionen und im Alter von Mitte 60 gewiß einer der bekanntesten Sozialdemokraten, aber mehr auch nicht.

Dann wurde er aus den bekannten Gründen als Kanzlerkandidat nominiert und plötzlich stürzten sich die Medien auf seine Nebentätigkeiten, die zugegeben viel Geld gebracht haben. Wer kann schon von sich sagen, mit einer spitzen Zunge im Feindesterritorium innerhalb von vielleicht 90 Minuten fünfstellige Summen zu verdienen?

Steinbrück stürzte in den Umfragen ab und es wurde Fragen gestellt, wieviel überhaupt ein Mandatsträger nicht nebenbei verdienen darf, und ob er überhaupt etwas anderes machen darf als das Volk zu vertreten – Geld hin oder her.

Das ist alles ein bißchen komisch und zeigt, wie wenig mancher Volkesvertretene die Politik mißverstanden hat. Volksvertreter sein ist oft ein Beruf. Beispiele wie Guido Westerwelle lassen grüßen. Aber das ist bei weitem kein Vorteil, auch die Volksvertretenen selbst beschwerden sich schließlich regelmäßig darüber, wie entfernt die Volksvertreter von ihnen seien. Dann aber muß man auch zulassen, daß jemand aus seinem erlernten und ausgeübten Beruf auf Zeit hinausgehender sich dieses Standbein erhält. Ganz abgesehen davon, daß mehr Stunden in die Lektüre von Akten zu investieren nicht unbedingt bedeuten muß, die Materie besser zu verstehen. Bekanntlich unterscheiden sich auch die Intellekte und die Auffassungsgabe. Je mehr Vorkenntnisse, desto schneller die Aktenlektüre.

Und daß Peer Steinbrück vielleicht auch ohne große Aktenlektüre schneller im Thema ist als ein junger Frank Schäffler ... , wer wollte das aus der Ferne beurteilen? Klar, da kommt der Neideffekt auch noch hinzu. Steinbrück ist ein Mann, der vielleicht in anderen Funktionen mehr Geld hätte verdienen und weniger in der dauernden öffentlichen Beobachtung und Kritik stehen können. Klar können andere Menschen auch mit spitzer Zunge wortgewnadt irgendwo auftreten. Aber die waren vielleicht nicht jahrelang Finanzminister, genießen nicht denselben Bekanntheitsgrad und damit Marktwert und sind als spitzzüngige Angreifer eben weniger nachgefragt.

Da wird also eine als Kandidat vorgeschickt, dem man intellektuelle Fähigkeiten ebenso wenig absprechen kann wie die Bereitschaft, mal Klartext zu reden. Und wegen 200.000 Euro schaltet ein 80 Millionen-Volk wieder um auf Angela Merkel als beliebteste Politikerin, die als eine ihrer wenigen deutlichen Formulierungen mal gesagt hat, sie habe zu Guttenberg als Minister und nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt.

Na schön. Wenn die Volksvertretenen das so wollen, dann sollen sie es so machen, aber bitte nicht wieder anschließend beschweren.