Mittwoch, 29. Januar 2014

Lettland mit erster Regierungschefin

Lettland hat seine erste weibliche Regierungschefin. Laimdota Straujuma. Kaum war die bisherige Landwirtschaftsministerin nominiert, kamen erste Vergleich mit Angela Merkel auf nicht zuletzt wegen der neuen Frisur. Straujuma ist als neue Regierungschefin genauso eine Überraschung wie es der plötzliche Rücktritt ihres Vorgängers Valdis Dombrovskis im Herbst vergangenen Jahres war, und Regierungsbildung nur neun Monate vor der nächsten Parlamentswahl im September ist es ebenfalls. Nach dem Rücktritt von Dombrovskis waren die Parteien im lettischen Parlament, der Saeima, der Ansicht, die Partei des scheidenden Ministerpräsidenten Vienotība (Einigkeit) habe als größte Partei den Auftrag zur Regierungsbildung. Deren Kandidat war eigentlich der auch in der Bevölkerung beliebte Verteidigungsminister Artis Pabriks. Doch die Benennung eines Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten obliegt dem Präsidenten. Andris Bērziņš lehnte Pabriks gleich zwei Mal aufgrund von Kriterien ab, die er nicht öffentlich machte. Ex-Premier Valdis Dombrovskis sprach daraufhin seine bisherige Landwirtschaftsministerin an. Die bis dahin parteilose Mathematikerin Laimdota Straujuma gilt als ausgeglichen und kompromißorientiert. Vermutlich erwartete er sich von ihr eine ähnlich ruhige Regierungsführung, wie er sie selbst über vier Jahre praktiziert hatte. Straujumas Biographie gibt Anlaß für eine solche Vermutung. Obwohl Straujuma Mathematik studiert hat, wurde sie nach der Unabhängigkeit 1991 aktiv in verschiedenen Organisationen in der Landwirtschaft und sorgte für Bewegung in diesem Sektor. Aus dieser Position heraus wurde sie von Mitgliedern der inzwischen nicht mehr existierenden Volkspartei angesprochen, in die Partei einzutreten, in der auch Verteidigungsminister Artis Pabriks war. Politisch aktiv wurde sie jedoch zunächst nicht. Erst später holte sie der spätere Ministerpräsident Aigars Kalvītis als Staatssekretärin ins Landwirtschaftsministerium. Nachdem der frühere Präsident Valdis Zatlers 2011 das Parlament aufgelöst hatte, bildete Valdis Dombrovskis erneut eine Regierung, und überredete Laimdota Straujuma, am Kabinettstisch Platz zu nehmen. Diese Regierung war für Lettland bedeutend, weil sie als erste galt, in der keine der lettischen Oligarchen vertreten waren. Die Bauernunion, deren graue Eminenz der Bürgermeister von Ventspils, Aivars Lembergs, ist, fand sich in der Opposition wieder, auch weil die neue Reformpartei des inzwischen aus dem Amt geschiedenen Valdis Zatler s hier eine rote Linie gezogen hatte. Doch im Laufe der vergangenen zwei Jahre bröckelte die Mehrheit der Regierung an verschiedenen Fronten und mancher Minister übernahm sich mit seinen Reformvorstellungen. Der Minister für Regionalentwicklung von der Reformpartei versuchte mehrfach vergeblich, den verschiedenener Korruptionsfälle verdächtigten Lembergs abzusetzen. Die neue Regierung unter Laimdota Straujuma räumt mit diesen Konflikten auf. Die Reformpartei hat ihre rote Linie aufgegeben und die Bauernunion wird zur Bildung einer möglich breiten Koalition wieder mit an der Macht sein. Beobachter reagierten schockiert, Aivars Lembergs, der im Parlament nicht einmal über ein Mandat verfügt, am Verhandlungstisch bei den Koalitionsgesprächen zu sehen. Straujuma betonte in einem Interview, sie sei als Landwirtschaftsministerin schon von Interessengruppen angesprochen worden, die jedoch schnell begriffen hätten, daß die Verteilmentalität aus Zeiten, als die Bauernunion das Ministerium führte, vorüber sind. Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts zeigt dennoch, wie viele Kompromisse zwischen den Parteien erforderlich waren. Öffentlichkeit und Präsident waren der Ansicht, daß Außenminister Edgars Rinkevičs und Innenminister Rihards Kozlovskis gute Arbeit geleistet haben und im Amt bleiben sollten, obwohl sie beide der inzwischen geschrumpften Reformpartei angehören. Finanzminister Vilks wollte die Einigkeit unbedingt halten. Aber damit die Bauernunion Ministerien erhalten kann, wurde Verteidigungsminister Artis Pabriks geopfert. Er verlor sein Amt ebenso wie Sozialministerin Ilze Viņķele, beide von der Einigkeit. Straujuma hat erklärt und Parteichefin und Parlamentspräsidentin Solvita Āboltiņa erwartet das öffentlich auch von ihr, es werde keine radikalen Wendungen geben, sondern die Arbeit der bisherigen Regierung werde fortgesetzt. Es ist damit offen, ob die Partei Einigkeit, in welche die neue Regierungschefin kurz vor ihrer Nominierung schnell noch eintrat, und auch Straujuma selbst ihre Amtszeit als Übergang betrachten. Wer tritt im Herbst als Spitzenkandidat an? Parteichefin Solvita Āboltiņa würde gerne nach Brüssel gehen und war schon während dieser Regierungsbildung aufgefordert worden, ihren Hut als mögliche Ministerpräsidentin in den Ring zu werfen, was sie jedoch ablehnte. Gleichzeitig ist nach Umfragen mehr als offen, ob die Einigkeit im Herbst noch einmal so stark abschneiden wird, um die Regierungsführung für sich zu beanspruchen. Straujuma lächelt über den Vergleich mit Angela Merkel und bemerkt, daß sie nicht nur im Amt der Regierungschefin die erste Frau sei, sondern auch als Landwirtschaftsministerin die erste weibliche gewesen sei.