Samstag, 20. Juli 2013

Esten machen Ernst mit Demokratie

Demokratie heißt Volksherrschaft. Und wenn das in vielen Demokratien vorwiegend bedeutet, einmal in vier Jahren zur Wahl zu gehen, dann haben die Esten im letzten Herbst Ernst gemacht mit der Einberufung eines rundes Tisches aus Ottos Normalverbrauchern, also durchaus auch nicht organisierten Menschen.

Grund für diesen Schritt war eine weit verbreitete Stimmung, die in Deutschland unter dem Begriff Politikverdrossenheit bekannt ist. Und das vor einem überraschenden Hintergrund. Estland gilt als baltischer Tiger unter den postsozialistischen Ländern, hat 2011 den Euro eingeführt und mit Ministerpräsident Andrus Ansip einen liberalen Regierungschef, der seit 2005 im Amt ist – ein einsamer Rekord unter den Transformationsstaaten im Osten Europas. Und obwohl er nun in den vergangenen Jahren immer wieder gewählt worden war, regte sich seit 2012 mehr und mehr Unmut über einsame Entscheidungen der politischen Elite und den Regierungsstil Ansips.

Ins Rollen kamen die Proteste durch den ehemaligen generalsekretär der Reformpartei, Silver Meikar, der vergangenes Jahr an Die Öffentlichkeit ging und berichtete, er habe über Jahre geld aus anonymen Quellen erhalten und wie ihm geheißen an die Partei weitergeleitet. Zunächst reagierte diese darauf mit einer generellen Leugnung und schmiß den Politiker aus ihren Reihen. Doch der Skandal zog schnell weitere Kreise und schließlich mußte Justizminister Kristen Michal zurücktreten.

Das führte im Herbst 2012 zu Massendemonstrationen, weldeh die Hauptstadt Tallinn lange nicht gesehen hatte. Intellektuelle verfaßten eine Charte, in der sie vom Zerbröseln der Demokratie im Lande sprachen, die inzwischen von fast 20.000 Menschen online im Internet unterzeichnet worden ist. An der Spitze der bewegung stand Marju Lauristin, eine Aktivistin aus der Umbruchszeit zum Ende der Sowjetunion, die in den 90er Jahren einmal Ministerin war und den Sozialdemokraten angehörte, im Hauptberuf jedoch als Universiotätsprofessorin wirkte.

Die Politik mußte schließlich handeln. An die Spitze setzte sich Präsident Toomas Hendrik Ilves , der im November Vertreter der Zivilgesellschaft in den alten Eiskeller des Schlosses Kadriorg, dem alten Amtssitz einlud. Nicht ganz unerwartet für ein Land, das sich gerne auch E-stonia nennt, wurde die Protestbewegung weitgehend über das Internet organisiert. Über eine eigens eingerichtete Seite konnte jeder Einwohner Estlands Vorschläge unterbreiten, womit sich die Politik dringend einmal beschäftigen müsse. Diese wurden dann von Experten gesichtet und strukturiert, so daß am Ende 18 Arbeitspunkte dem vom Präsidenten einberufenen Runden Tisch zur Diskussion vorgelegt.

Dieser Runde Tisch bestand aus ca. 300 Personen von mehr als 500 ausgewählten, welche sich dann tatsächlich die Mühe machten, in die Hauptstadt zu fahren. Ausgewählt wurden sie weitgehend nach dem Zufallsprinzip. Es handelte sich also nicht um ein Gremium von Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft. Gerade aus den ländlichen Gebieten waren zahlreiche Kandidaten nicht angereist, wofür es vermutlich vesrchiedene Gründe gibt. Neben Zeit- und Geldmangel mag es sicher auch der Respekt vor der Öffentlichkeit gewesen sein. Die Politik vor dem Fernseher zu kritisieren ist schließlich einfacher, als in der Hauptstadt seine Themen persönlich vor einem großen Publikum vortragen zu müssen. Auf diese Weise fehlten besonders Vertreter der russischen Minderheit wie auch von Bürgern mit geringerem Bildungsniveau.

Der Runde Tisch erwies sich schließlich als weniger poulistisch als man hätte erwarten können. So wurde etwa die auch in anderen parlamentarischen Demokratien gerne geforderte Direktwahl des Präsidenten abgelehnt. Alle weiteren Vorschläge wurden via Präsident Ilves an das Parlament weitergeleitet, wo die Beratungen erst ergeben müssen, welche Ideen aus dem Volk auch dort eine Mehrheit finden. In jedem Fall sind zahlreiche Intellektuelle hier noch skeptisch.

Kindertausch

Die russische Minderheit in Lettland ist zahlreich. Viele dieser Menschen sind in der Sowjetzeit zugewandert und leben in den Städten in ihren Vierteln, in denen sie im Alltag die lettische Sprache nicht brauchen und deshalb trotz aller politischen Daumenschrauben seit der Unabhängigkeit des Landes vor mehr als 20 Jahren nicht erlernt haben. Die Parallelwelten haben sich damit während der letzten Jahre erhalten.

Der Parlamentsabgeordnete der regierenden Partei Einigkeit, Andrejs Judins kam deshalb auf die Idee, im Interesse der Integration Familien einfach mal ihre Kinder tauschen zu lassen, damit der Nachwuchs im Alltag Vertreter der jeweils anderen Volksgruppe kennelernt. Er meinte, um etwas beim Kontakt zu verbessern, müsse man allem voran erst einmal miteinander reden.

Der Vorschlag wurde vielerseits begrüßt, stieß jedoch wie nicht anders zu erwarten auch auf Bednken. In der russischen Presse wurde teilweise sogar kolpotiert, auf diese Weise wolle die Politik junge Russen in lettischen Familien indoktrinieren lassen und ihren ihre Identität nehmen. Dennoch nahm sich der Staat des Projektes an und finanzierte den Plan. Einbezogen wurden Lehrer und Eltern sowie Verbände, damit letztlich 100 Kinder für einige Tage in einer anderen Familie verbringen konnten. Selbstverständlich machten sich die Organisatoren die Mühe, Familien, die sich beworben hatten für das Projekt, erst einmal unter die Lupe zu nehmen. Teilnehmen konnte schließlich nur, wer zu Hause in der Lage war, den Kindern ein entsprechendes Umfeld bis hin zu einem eigenen Zimmer bieten zu können. Als Kompensation erhielten die Familien aus den bereitsgestellten Mitteln knapp 10 Euro pro Tag pl;us Eintrittsgelder für gemeinsam besuchte Veranstaltungen. Außerdem gab es einen kleinen Crashkurs über die jeweils andere Volksgruppe, damit es nicht zu unvermuteten Mißverständnissen kommen konnte. Die ausgewählten Familien, besuchten sich erst einmal vor Beginn des Projekts gegenseitig, um sich kennenzulernen und davon zu überzeugen, wohin sie ihre Kinder zu schicken bereit sind.

Teilnehmen konnten schließlich Schüler der Klassen 5 bis 9 und mit einem konkreten Fall in der Kleinstadt Ikšķīle (Üxküll) beschäftige sich sogar der WDR. Hier berichtet die Mutter eines zehnjährogen Letten, dessen Vorurteile gegen die Russen hätten sich komplett verflüchtigt. Habe er früher gedacht, am besten gäbe es an der Schule überhaupt keine Russen, hat er in einem Austausch-Russen seinen neuen besten Freund gefunden und alle bisherigen Vorurteile über Bord geworfen. Aber auch für die Rigenser russischen Kinder gab es neue Erfahrungen. Im gegenteil uz lettischen Familien, die in aller Regel irgendwo auf dem Land Verwandte haben oder eine Datscha, wo sich gerade während des Sommers regelmäßig aufgehalten haben, gilt das für viele Russen nicht. Mit dem Projekt kommen also manche russische Kinder, die in Plattenbauten der Vortorte Pļavnieki oder Imanta wohnen auf dem Lande erstmal ins Kontakt mit einem ganz anderen Lettland.

Die Familien des russischen und des lettischen Jungen aus Ikšķīle wollen auf jeden Fall auch ēeiterhin in Kontakt bleiben und sich besuchen. Die Jungs unternehmen jetzt immer noch viel gemeinsam.

Donnerstag, 30. Mai 2013

Lettland macht Ernst mit Kinderschutz

Gewalt gegen Kinder ist ein Verbrechen - fraglos. Jugendliche sollen auch unter 18 Jahren keinen Alkohol trinken oder rauchen. Auch dagegen gibt es Gesetze, die den Verkauf entsprechender Waren an Minderjährige verhindern sollen. Das alles weiß jedes Kind. Und die Mäßigkeit des Erfolges ist auch hinlänglich bekannt.

Seit Kameraüberwachung und elektronischen Kassen ist es aber durchaus möglich, so manche Verletzungen dieser Gesetze zu verhindern.

Lettland arbeitet nun an einem Gesetzesvorschlag, den Schutz der Kinder noch grundlegend zu erweitern und will Erwachsenen verbieten, in der Gegenwart von Kindern zu rauchen.

Von der Idee her mag es gut sein zu verhindern, daß so viele Kinder in verrauchten Elternhäusern aufwachsen müssen, und da bekamen gleich einige Leute Angst, Eltern, die schlimmstenfalls noch beide Raucher sind, plane das neue Gesetz, die Kinder abzunehmen. So weit will aber der lettische Gesetzgeber denn gewiß nicht gehen.

Dennoch bleibt die unbeantwortete Frage, wie man das überwachen will. Die Polizei kann sicher nicht in allen Kneipen und Restaurants gleichzeitig anwesend sein, aber jedem dieser Etablissements kann jederzeit eine Kontrolle drohen, und die offenbart auch dann, daß vor Ort regelmäßig geraucht wird, wenn zum konkreten Zeitpunkt der Kontrolle kein Glimmstengel glüht. Aber wie bitte soll das in Privatwohnungen aussehen? Rauchrazzia im Wohnzimmer als neue Aufgabe für die lettische Polizei?

Mittwoch, 17. April 2013

Euro-Einfuhrung in Lettland

Anfang Februar hat das lettische Parlament das Gesetz zur Einführung des Euros verabschiedet. Damit sprach sich zwar eine Mehrheit der Angeordneten für den Plan der Regierung aus, am 1. Januar 2014 den Lats durch den Euro zu ersetzen, aber eine nennenswerte Minderheit unter den Abgeordneten ist bereit, sich auf die Seite der Gegner zu schlagen und die Anstrengungen für ein separates Referendum zum Thema zu unterstützen.

Der Euro ist in den Staaten, die ihn bereits nutzen ein emotionales Thema und noch viel mehr in Lettland, wo viele Menschen ihre nationale Währung mit der nationalen Unabhängigkeit verbinden.

Währungen haben immer etwas mit Psychologie zu tun, mit dem Vertrauen, daß die Bevölkerung in sie setzt. Daneben sollten aber ökonomische Argumente nicht vernachlässigt werden.

Auch in Deutschland gab es nach der Einführung des Euro schnell Enttäuschungen, weil viele ihn wenigstens subjektiv als „teuro“ empfanden. Estland hat die Gemeinschaftswährung zu Beginn des Jahres 2011 trotz aller Bedenken zu Beginn der Euro-Krise eingeführt und ebenfalls anschließend eine Inflationserfahrung damit verbunden, so daß es dort heute nicht schwierig ist Menschen zu finden, die meinen, man wäre besser bei der estnischen Krone geblieben. Die Slowakei und Slowenien gehören ebenfalls zu den neuen Mitgliedsstaaten, in denen die Bevölkerung mäßig überzeugt ist.

Dem steht entgegen, daß alle 2004 der EU beigetretenen Staaten rein juristisch betrachtet mit ihrem positiven Referendum über den Beitritt auch „ja“ zum Euro gesagt haben. Darauf pocht der lettische Ministerpräsident Valdis Dombrovskis, dessen Regierung es sich zum Ziel gesetzt hat, 2014 den Euro einzuführen. Das stößt derzeit nicht nur in der Bevölkerung eher auf Ablehnung, dagegen wehren sich auch zahlreiche Journalisten, allen voran der Ökonom Juris Paiders, der schon 2003 mit einer kritischen Bewertung des EU-Beitritts aufgefallen war. Er wollte mit seiner Analyse damals so wenig den Beitritt ablehnen, wie er dies jetzt zu tun beteuert. Wie er meint, sei es für die Gemeinschaftswährung einfach zu früh, Lettland nicht reif.

Freilich darf die Gemeinschaftswährung erst eingeführt werden, wenn die sogenannten Maastricht-Kriterien erfüllt werden. Zur Erinnerung: Das Defizit des Haushaltes darf nicht mehr als 60% der jährlichen Wirtschaftsleistung betragen und die Neuverschuldung nicht mehr als 3%, während die Inflationsrate nicht um mehr als 1,5% vom Durchschnitt der niedrigsten Inflationsraten in der EU abweichen darf. Das sind alles trockene Zahlen, die dem einfachen Bürger nicht unbedingt auf Anhieb verständlich sind. Was aber jeder versteht ist, daß unter den Staaten der Eurozone kaum ein Land diese Ķriterien derzeit einhält. Und es ist für viele nicht vergessen, daß ausgerechnet Deutschland und Frankreich als erste verstießen, ganz abgesehen davon, daß Griechenland seine Zahlen frisierte.

Während sich die Befürworter des Euro mit den altbekannten Argumenten von stabileren Verhältnissen ohne Wechselkurse und folglich höheren Investitionen zu Wort melden, fragen andere Kommentatoren, warum man auf ein sinkendes Schiff aufspringen sollte. Der einfache Bürger hat in Unkenntnis der makroökonomischen Zusammenhänge vor dem Hintergrund der ständig dramatischer klingenden Meldungen über die Eurokrise schlicht Angst davor, sich von seinem guten alten Lats zu verabschieden.

Aber was bringt den Letten eigentlich ihre eigene Währung? Zunächst einmal war die Einführung 1993 nach der Übergangswährung des lettischen Rubels, der nach dem Namen des damaligen Nationalbankpräsidenten Einars Repše gerne auch als „Repši“ bezeichnet wurde, ein Symbol für die nach einem halben Jahrhundert wiedergewonnene Unabhängigkeit. Viele Ausländer wunderten sich damals an den Wechselstuben, daß sie für Ihre Dollar, Mark oder Schweizer Franken der Nennsumme nach weniger Lat über den Tresen geschoben bekamen. Historisch war der Wert des Lats immer hoch, damit auch die kleinste Münze noch einen Wert hat.

Die Kaufkraft einer Währung mißt sich jedoch nicht an ihrem Nennwert, sondern an der Relation zwischen Verdienst und Preisen. Bei einem staatlichen Mindestlohn von 200 Lats sind 2 Lats als Preis genauso teuer wie bei einem Einkommen von 1.000 Euro 10. Darüber hinaus bedeutet eine nationale Währung zu haben, daß diese auch nur national ausgegeben werden kann. Der Auslandsreisende aus Lettland wird seinen Lats in einer Wechselstube auswärts also nur dann los, wenn dort jemand bereit ist, ihm dafür eine andere Währung zu geben. Und das wird nur der Fall sein, wenn er mit den entgegengenommenen Lats etwas anfangen kann. Was aber kann der Wechsler in Lettland für die eingetauschten Lats erwerben?

Damit aber nicht genug. Seit dem Beitritt zu EU 2004 ist der Lats fest zum Kurs von 1:0,7 an den Euro gebunden, also nur noch sehr bedingt eine nationale Währung. Das bedeutet zwar nach wie vor, daß man für 20 Euro in der Wechselstube eben nur 13 Lati bekommt. Dennoch ist der Lats de facto nichts anders als ein etwas anders aussehender Euro. Nicht einmal abwerten könnte die lettische Nationalbank ohne Genehmigung von der EZB.

Sollte also Lettland bis 2014 die Maastricht-Kriterien einhalten und die Eurokrise bis dahin die Gemeinschaftswährung nicht zur Vergangenheit gemacht haben, dann wird das Land den Euro wohl einführen und wohl ähnliche Erfahrungen machen wie alle anderen Mitgliedsländer der Eurozone auch. Den Untergang Lettlands wird das nicht bedeuten und ob die optimistischen Hoffnungen der Euro-Befürworter eintreten, hängt ganz gewiß nicht nur von der Währung ab, sondern auch von anderen politischen und ökonomischen Umständen. Und da hatte Lettland im Vergleich zu Estland schon während der vergangenen 20 Jahre erhebliche Nachteile aufzuweisen.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Who the hell are „Depardjē“ and „Olands“?

Auf Lettisch muß man ja noch aussprechen Ualands für den zweiten. Wer Rēcs, Rēts, Rētcs oder Rētss sein könnte, mag dem Leser sich schneller eröffnen. In den 90ern gab es eine amerikanische Fernsehserie, die in Lettland „Beverlihilsa“ hieß. Noch ein bißchen einfacher. Und wie steht es mit „Klāra Šūmane-Wīka“?

Wem nicht gleich klar ist, von welchen Personen und Orten hier die Rede ist, möge ein wenig knobeln.

Worum geht es? In der lettischen Sprache werden Eigennamen nicht einfach übernommen, sie werden transkribiert. Die Letten sollen sie anschließend in ihrer Schreibweise so aussprechen können, wie im Original. Das natürlich ist schwer möglich, da es für viele Laute gar keinen lateinischen Buchstaben gibt und man auch erst einmal über Philologen aller Sprachen der Welt verfügen müßte, um die unzähligen Diphthonge zu kennen. Darum heißt die Iron Lady im Lettischen eben „Tečere“ und der frühere französische Präsident ist der mittlere Rand oder eben „Miterands“.

Was hier so lustig daher kommt, hat durchaus auch juristische Folgen. Vor einigen Jahren klagte eine Lettin nach ihrer Hochzeit mit einem Deutschen namens Mentzen vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und bekam dort nicht Recht. Den Richtern genügte das Angebot der lettischen Behörden, die Originalschreibweise in ihrem Paß wenigstens in Klammern hinzuzufügen.

Der Autor dieser Zeilen wird in sämtlichen Verträgen – also juristischen Dokumenten – ebenfalls nur im Original genannt. Da er über keinen lettischen Paß verfügt wäre es sonst auch nicht ganz einfach zu beweisen, daß mit einer der eingangs genannten Schreibweisen in einem Dokument tatsächlich er gemeint ist.

Nichtsdestotrotz ist Anlaß für diese neuerliche Erwähnung des Themas ganz gewiß der Umstand, daß man ja meistens wie bei „Rihards Vāgners“ und im Genitiv der „Riharda Vāgnera iela“ noch halbwegs darauf kommt, wer gemeint sein könnte. „Olands“ hingegen stellt nun wirklich auch gegenüber mittleren Rändern eine neue Dimension dar.

Einzige Entschuldigung ist, daß die vielen vom lateinischen Alphabet abgeleiteten Sonderzeichen der slawischen und auch baltischen Sprachen denn auch in der deutschen oder englischen Presse ignoriert werden. Aber wer verlangt, jedweden fremdsprachigen Namen in jedwedem Land richtig auszusprechen?

Ist der deutsche Wähler schizophren?

2009 versprach die FDP vor der Bundestagswahl Steuersenkungen und erzielte beim Urnengang das beste Ergebnis ihrer Geschichte, fast 15%, obwohl nicht nur die Medien, sondern auch Umfragen belegten, daß unter den Wählern kaum jemand glaubte, ein solches Versprechen könne realistisch sein. Das Versprechen wurde nicht eingelöst und man könnte jetzt einfach mal behaupten, die übliche Wut der Wähler über nicht eingelöste Wahlversprechen sei der Grund, warum die Partei in den Umfragen um 10% abstürzte und jetzt um den Einzug in den Bundestag im Herbst bangen muß.

Quintessenz: Der Wähler entscheidet sich also für Versprechungen, denen er selber keinen Glauben schenkt und ist anschließend trotzdem beleidigt?

Naja, ganz so schlimm wird es nicht sein. Ähnlich wie in Niedersachsen, wo die FDP vergangenen Monat auf 10% und ihr damit ebenfalls bestes Ergebnis kam, liegt es auf der Hand, daß 2009 viele (Unions-)Wähler aus der großen Koalition heraus in das über 16 Jahre unter Kohl bewährte Bündnis von Union zurück wollten wie sie auch in Niedersachsen ihren Regierungschef behalten wollten.

Aber auch so einfach kann man es sich nicht machen. Es ist noch nicht lange her, da war Peer Steinbrück im ZDF-Politbarometer der beliebteste Politiker Deutschlands. Politiker? Das fragt man sich da. Ja sicher, der Mann war auch damals Bundestagsabgeordneter, sonst aber in keinen Funktionen und im Alter von Mitte 60 gewiß einer der bekanntesten Sozialdemokraten, aber mehr auch nicht.

Dann wurde er aus den bekannten Gründen als Kanzlerkandidat nominiert und plötzlich stürzten sich die Medien auf seine Nebentätigkeiten, die zugegeben viel Geld gebracht haben. Wer kann schon von sich sagen, mit einer spitzen Zunge im Feindesterritorium innerhalb von vielleicht 90 Minuten fünfstellige Summen zu verdienen?

Steinbrück stürzte in den Umfragen ab und es wurde Fragen gestellt, wieviel überhaupt ein Mandatsträger nicht nebenbei verdienen darf, und ob er überhaupt etwas anderes machen darf als das Volk zu vertreten – Geld hin oder her.

Das ist alles ein bißchen komisch und zeigt, wie wenig mancher Volkesvertretene die Politik mißverstanden hat. Volksvertreter sein ist oft ein Beruf. Beispiele wie Guido Westerwelle lassen grüßen. Aber das ist bei weitem kein Vorteil, auch die Volksvertretenen selbst beschwerden sich schließlich regelmäßig darüber, wie entfernt die Volksvertreter von ihnen seien. Dann aber muß man auch zulassen, daß jemand aus seinem erlernten und ausgeübten Beruf auf Zeit hinausgehender sich dieses Standbein erhält. Ganz abgesehen davon, daß mehr Stunden in die Lektüre von Akten zu investieren nicht unbedingt bedeuten muß, die Materie besser zu verstehen. Bekanntlich unterscheiden sich auch die Intellekte und die Auffassungsgabe. Je mehr Vorkenntnisse, desto schneller die Aktenlektüre.

Und daß Peer Steinbrück vielleicht auch ohne große Aktenlektüre schneller im Thema ist als ein junger Frank Schäffler ... , wer wollte das aus der Ferne beurteilen? Klar, da kommt der Neideffekt auch noch hinzu. Steinbrück ist ein Mann, der vielleicht in anderen Funktionen mehr Geld hätte verdienen und weniger in der dauernden öffentlichen Beobachtung und Kritik stehen können. Klar können andere Menschen auch mit spitzer Zunge wortgewnadt irgendwo auftreten. Aber die waren vielleicht nicht jahrelang Finanzminister, genießen nicht denselben Bekanntheitsgrad und damit Marktwert und sind als spitzzüngige Angreifer eben weniger nachgefragt.

Da wird also eine als Kandidat vorgeschickt, dem man intellektuelle Fähigkeiten ebenso wenig absprechen kann wie die Bereitschaft, mal Klartext zu reden. Und wegen 200.000 Euro schaltet ein 80 Millionen-Volk wieder um auf Angela Merkel als beliebteste Politikerin, die als eine ihrer wenigen deutlichen Formulierungen mal gesagt hat, sie habe zu Guttenberg als Minister und nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt.

Na schön. Wenn die Volksvertretenen das so wollen, dann sollen sie es so machen, aber bitte nicht wieder anschließend beschweren.

Samstag, 26. Januar 2013

Hausmitteilung

Unter dem Namen AxelReetz bin ich seit neuestem auch bei Twitter registriert. Je nach Ansprache werden die Posts dort Englisch, Deutsch oder auch Lettisch sein.
Reģistrējos nesen arī Twitterī kā AxelReetz. Posts tajā būs atkarībā no uzrunātās auditorijas angliski, vāciski vai arī latviski.