Dienstag, 31. März 2009

Gefährliche Ruinen in Riga

Am 29.März stürzte ein Teil der Fassade eines Hauses Ecke Marijas und Elizabetes Straße im Zentrum von Riga auf Fahrbahn und Gehweg. Das ist nicht nur generell gefährlich, sondern besonders an dieser Stelle, weil zahlreiche Trolleybuslinien mit Endstation in Bahnhofsnähe stadteinwärts an dieser Kreuzung links abbiegen.

Das Jungendstilgebäude mit der Adresse Marijas iela 6 ist die wohl bekannteste Ruine der ganzen Stadt. Freilich gibt es in Riga viele verfallene und verfallende Häuser. Im Stadtzentrum jedoch sind die meisten während der vergangenen Jahre entweder renoviert oder aber entfernt worden. Der letzte spektakuläre Fall eines gefährlichen Einsturzes ereignete sich vor einigen Jahren, als ein altes Holzhaus in der Nähe des Zetralmarktes an der Ecke Maskavas und Turgeņeva iela auf die Sträße stürzte und die Schienen der Straßenbahn Nummer 7 für eine Weile blockierte.

Der Stadt ist das Problem an der Marijas seit langem bewußt. Abfall im Innenhof belegte, daß die Ruine über Jahre hinweg von Drogensüchtigen und Obdachlosen als Unterkunft genutzt wurde. Erst vor einem Jahr wurde darum über Maßnahmen diskutiert, was die Verwaltung im Falle jener Ruinen unternehmen kann und sollte, die nicht kommunales Eigentum sind. Nach einem neuerlichen Brand im Hof des Hauses wurde im Oktober 2008 schließlich beschlossen, daß die Eigentümer das Gebäude absichern müssen und andernfalls die Stadtverwaltung auf Kosten der Eigentümer diese Aufgabe selbst übernehmen werde.

Im Januar dieses Jahres haben die Eigentümer der Stadt ihrer Bereitschaft übermitteln lassen, sich um die Probleme zu kümmern. Im Innehof wurde ein vier Meter hoher Zaum errichtet. Entsprechend der Vereinbarung hätten die Arbeiten an einem Behlefsadach dann im Februar beginnen müssen. Das aber geschah nicht.

Während die Teileigentümerin Ludmila Baumane erklärte, sie plane seit langem, ein Hotel in dem Gebäude zu einrichten, klagte sie gleichzeitig über Probleme, sich mit dem zweiten Eigentümer, dem Esten Toomas Tool, zu einigen. Dieser wurde in der estnischen Wirtshcftszeitung Äripäev als Immobilienmagnat bezeichnet.

Nachdem nun der Ernstfall eingetreten ist, hat die Stadt von den Eigentümern ultimativ verlangt, bis zum 30. März etwas zur Absicherung des Geländes zu unternehmen. Geschehe dies nicht, so werde die Stadt selbst handeln und dies den Eigentümern in Rechnung stellen. Diese Schritte setzt die Verwaltung derzeit in die Tat um.

Das Haus an der belebten Kreuzung im Zentrum Rigas steht seit langem leer und verfällt. In den 90er Jahre gab es einen kleinen Metallhandlauf um das Gebäude, der Passanten zwang, Abstand zur Fassade zu halten. Später wurde diese mit einem Netz verhängt, damit keine Fassadenteile auf die Straße fallen können. Vorübergehend gab es auch einen Holztunnel, wie bei Baustellen üblich.

Donnerstag, 26. März 2009

Umfragen und parteipolitisches Poker in Estland

In jüngsten Umfragen, der Sonnatgsfrage zu den im Herbst anstehenden Kommunalwahlen, hat die Zentrumspartei mit 23% die Reformpartei deutlich abgehängt. Sie kommt nur auf 15%. In Tallinn ist der Unterschied noch einmal entschieden deutlicher, wenngleich bei der allgemeinen Zustimmung die Parteien weniger weit voneinander entfernt sind.

Da in Estland alle Einwohner unabhängig von der Staastbürgerschaft das kommunale Wahlrecht haben, kommentiert der Politologe Rein Toomla, daß die Reformpartei ihren Zuspruch unter der russischsprachigen Bevölkerung verspielt hat. Lag dieser Wert früher bei 20%, so würden heute nur zwei Prozent diese Partei unterstützen, ebenso viele wie die national orientierte Union aus Vaterland und Res Publica.

In Estland sind derzeit gleich mehrere Fragen auf der Tagesordnung, welche den Machtpoker im Lande beeinflussen. Zu verstehen ist dies vor dem Hintergrund, daß es für Parteien und Politiker neben der nationalen Ebene nur wenig Schauplätze der politischen Auseinadersetzung gibt. Aus diesem Grunde sind die kommunalen Organe mehr politisiert, als dies in anderen Ländern üblich ist. Dies gilt besonders für die Stadträte in Tallinn und Tartu.

Diskutiert wird derzeit über eine Änderung des Wahlmodus in Tallinn, konkret den Zuschnitt der Wahlkreise und ob diese nicht besser aufgelöst würden. Einstweilen sind die Stadtbezirke jeweils ein Wahlkreis, die sich aber in Bevölkerungsdichte und –zusammensetzung, in sozialer und ethnischer Struktur unterscheiden.

Außerdem wurde jüngst vorgeschlagen, eine Art Groß-Tallinn zu bilden, also einige umliegende Gemeinden der Stadt administrativ zuzuschlagen. Neben kleinen Orten wie Saku oder Laagri, die ohne die Nähe zur Hauptstadt sicher eine ganz andere Bedeutung hätten, steht die Idee im Raum, auch Maardu Tallinn anzugliedern. In dieser Stadt befindet sich der Hafen Muuga.[1]

Gleichzeitig melden sich erneut Einwohner des Tallinner Bezirks Nōmme zu Wort, die für eine „Unabhängigkeit“ ihres Ortsteils eintreten. Nōmme war tatsächlich in der Zwischenkriegszeit noch eine eigene Stadt.

Die Schwierigkeit im Umgang mit den unterschiedlichen Argumentationen liegt darin, daß beide Themen, Wahlkreiseinteilung und kommunale Gebietsreformen weder ungewöhnlich noch unschicklich sind.

Lettland hat erst jüngst eine Reform der kommunlane Strukturen endgültig verabschiedet, die alle Regierungen seit der Unabhängigkeit auf die lange Bank geschoben hatten. Estland hinkt in dieser Frage momentan hinterher. Änderungen sind aber ohne jeden Zweifel geboten. Allerdings hat Lettland nicht bschlossen, die Schlafstädte rund um Riga der Hauptstadt auch administrativ zuzuteilen.

Wahlsysteme und damit auch die Einteilung von Wahlkreisen wiederum sind als Voraussetzung gerechter Wahlergebnisse fast ständig in der Diskussion.

In Estland verbirgt sich hinter den Argumenten der Parteien deren konkrete Wahlchance. Die Reformpartei hat offensichtlich ihre russischsprachigen Wähler verprellt, wobei der größere Teil der russischsprachigen Einwohner ohnhin während der letzten Jahren zumeist ihre Stimme der Zentrumspartei von Edgar Savisaar gegeben haben, der zur Zeit Bürgermeister von Tallinn ist.

Würde nun die Repräsentation jener Stadtviertel, in welchen mehr Russen leben, verbessert, minderte dies die Chancen der national orientierten Parteien auf einen Sieg. Das gilt ebenso für eine Vereinigung von Tallinn mit Maardu, wo voriwgend Russen leben.

Allerdings irrte man, ginge man von großen ideologischen Unterschieden aus. Edgar Savisaar hat auf nationaler Ebene trotz guter Wahlergebnisse seiner Partei den Weg zurück in die Staatskanzlei, wo er von 1990 bis 1992 während er Volksfrontregierung saß, nie wieder geschafft. Zumeist haben andere Parteien eine Koalition gegen die Zentrumspartei geschmiedet. Zwei Mal saß Savisaar in dieser Zeit allerdinghs auf der Regierungsbank. 1995 mußte er im Rahmen des Aufzeichnungsskandal kurz nach Amtsantritt wieder zurücktreten. Aber vor den Wahlen 2007 war er sich nicht zu Schade, für eben die erwähnte Reformpartei als Mehrheitsbeschaffer zu dienen, nachdem deren Koalition mit der konservativen Vaterland / Res Publica geplatzt war.

Das wundert alles nicht. Edgar Savisaar und der Gründer der Reformpartei, der gegenwärtige EU-Kommissar Siim Kallas, haben ihre politische Karriere bereits in der Sowjetzeit begonnen und waren schon damals so weit inhaltlich voneinander nicht entfernt. Sie gehörten zu dem Quartett, das Ende der 80er Jahre mit der IME-Idee[2] an die Öffentlichkeit trat. Diese beinhaltete den Vorschlag, Estland möge innerhalb der Sowjetunion seine Wirtschaft selbst organisieren. Wie bereits oft erwähnt bedeutet diese Ankürzung als Wort gelesen auf Estnisch „Wunder“.

Die erwähnten Streitpunkte haben aber mit einem Wunder wenig gemein. Es geht auch weniger um politische Inhalte als um Posten. Aber auch das ist weder ungewöhnlich noch illegitim. Insofern bleibt vermutlich in Estland in diesen Fragen alles beim alten.
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[1] Kloty berichtet in seinem Blog unter anderem darüber: http://kloty.blogspot.com/2009/03/es-ist-schon-erst-eineinhalb-jahre-her.html
[2] Isemajandav Eesti – selbstwirtschaftendes Estland.

Mittwoch, 25. März 2009

„Dankbare Zeit für neue Parteien“

Die Überstrift steht in Anführungszeichen, sie stammt nicht von mir. Ilze Kuzmina hat so, natürlich in lettischer Sprache, einen Artikel in der Neatkarīgā (Die Unabhängige) überschrieben.

Lettland ist unter den postsozialistischen Staaten, in denen Regierungen viel häufiger wechseln als in Wetsuropa, der Spitzenreiter. Das gerade angelobte Kabinett Dombrovskis ist das 15. seit der Unabhängigkeit 1991.[1] Außerdem wurden in keinem Land so häufig und so viele neue Parteien gegründet. Mit Ausnahme der letzten Wahlen 2006 war die Siegering immer eine erst kurz zuvor entstandene politische Kraft.[2]

Eine dankbare Zeit, neue Parteien zu gründen, besteht derzeit tatsächlich, da sich die politische Klasse seit 2007, als die Menschen erstmals wieder auf den Straßen demonstrierten, derart diskreditiert hat, daß das Volk nach neuen Gesichtern verlangt – mehr als früher, als es die Erfolge neuer Parteien in der Vergangenheit erklärt.

Neue Parteien sind in jüngster Zeit bereits entstanden. Aigars Štokenbergs und Artis Pabriks, ehemalige Mitglieder und Minister der Volkspartei, haben die „Gesellschaft für eine andere Politik“ gegründet – über den geistreichen Namen wurde bereits geschmunzelt. Sandra Kalniete von der Neuen Zaeit gründete mit dem bei der Kandidatur um den Parteivorsitz von Für Vaterland und Freiheit unterlegenen Ģirts Valdis Kristovskis, der früher einmal bei Lettlands Weg war, die „Bürgerliche Union“. Selbstverständlich handelt es sich damit in beiden Fällen um Parteien, die wie schon früher aus der Mitte der politischen Elite heraus entstanden wurden.

Jetzt kündigt sich erstmals seit langer Zeit die Gründung einer Partei aus der Mitte des Volkes an. Die Gründer sind im wesentlich junge, bislang in der Öffentlichkeit unbekannte Personen wie der Präsident des Verbandes der Fischproduzenten, Didzis Šmits, der in Frankreich Diplomatie studiert hat und als Presseskretär der Neuen Zeit und im Außenministerium tätig war. Er selbst sagt, daß die potentiellen Mitglieder alle Professionelle seien, wenn sie auch bislang in „Privātā Dzīve“[3] nicht in Erscheinung getreten seien. Dazu zählt etwa Kristīne Drēviņa,[4] die derzeit am Europäischen Gerichtshof wirkt. Ebenefalls von der Neuen Zeit geprägt ist die ehemalige Büroleiterin von Kalniete, Dace Dzedone. Aleksandrs Tralmaks war bei der Tagszeitung Diena früher für die strategische Planung zuständig. Das wirtschaftspolitische Gesicht soll der neuen Partei der Dozent der Stockholm School of Economics Riga, Vjatscheslaw Dombrovski, geben. Er begründete sein Engagement damit, in diesen kritischen Zeiten könne er nicht als Zuschauer am Rande stehen.

Die Idee, so Šmits, sei bei Diskussionen unter Freunden in der Küche entstanden, weil bei allfälligen, vorgezogenen Neuwahlen keine Partei existiere, für die man guten Gewissens stimmen könne. Infolge dessen gehörten zu den potentiellen Mitgliedern vorwiegend Freunde von Šmits aus der Schul- und Studienzeit, wie etwa die Ökonomin der Nationalbank, Agnese Bičevska, Ehefrau eines Staatsekretärs im Finanzministerium, der selbt der Volkspartei angehört. Der PR-Experte Vladimir Novodvorski wiederum arbeitet für das Uneternehmen Ventsbunkers, das wiederum in Verbidung steht zu den Unternehmern Olafs Berķis und Oļegs Stepanovs, deren Bekanntschaft jüngst als Hinderungsgrund genannt wurde, daß Ģirts Kristovskis neuer Verkehrsminister werden könnte. Einstweilen aber habe die Partei aber nicht viel mehr als die zur Gründung erforderlichen 200 Unterstützer, sagt Šmits.

Bereits vor einer Woche hatte Šmits mit Bekannten den Verein „Tautas Laiks“ (Die Zeit des Volkes) gegründet. Was zunächst als Absetzung von einer als Zeit der Oligarchen und abgehobenen Politik empfundenen Periode vernünftig zu klingen scheint, könnte allerdings auch als Satire mißverstanden werden. Immerhin hatte Andris Šķēle 1995 die Volkspartei gegründet und Einārs Repše 2002 die Neue Zeit. Diese wird im Englischen als New Era übersetzt und von dort aus im Deutschen oft auch als Neue Ära.

Über die ideologische Ortung hält Šmits sich bedeckt, weil sich in Lettland noch keine Schichten herausgebildet hätten. Die Ausrichtung sei aber gewiß marktwirtschaftlich, wenn auch angesichts der Krise staatliches Eingreifen befürwortet werde. Die Partei wird darum voraussichtlich eine sozialliberale sein.

Da eine Parteigründung in Lettland ohne Gerüchteküche schier ausgeschlossen ist, fühlte sich Šmits aufgerufen, eine Unterstützung von Šķēle zu dementierten. Er habe aber zahlreiche andere Unternehmer angesprochen, denn ohne Geld könne man keine Partei gründen.

Berechtigter seinen Spekulationen über Expräsident Guntis Ulmanis. Šmits gibt zu bedenken, daß das Volk zwar nach neuen Gesichtern verlange, jedoch, tauchten diese auf, sogleich fragten, wer denn das sei, diese Leute kenne man nicht. Und so habe Ulmanis seine Teilnahme am Gründungskongress angekündigt, den Eintritt in die Partei aber nicht versprochen. Šmits würde ein solcher Schritt zwar freuen, doch die Partei sei nicht auf der Suche nach Wahllokomotiven.

An den Wahlen zum Europaparlament will die Partei nicht antreten, jedoch an einigen Orten Kandidaten für die am selben Tag stattfindende Kommunalwahl aufstellen.
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[1] http://www.rulers.org/ bietet eine andere Zählung an. Während der Autor dieser Zeilen jede Veränderung der Koalitionszusammensetzung wie auch der Neubildung einer Regierung mit den gleichen Partnern als eine neue Regierung betrachtet, ist die zählweise umstritten. Die genannte Seite zählt das Kabinett von Aigars Kalvītis nach dem Austritt der neuen Zeit 2006 nicht separat, die Präsidentin mußte keinen neuen Minsterpräsidenten benennen. Auch Andris Šķēles Rücktritt und neuerliche Ernennung 1997 wird nur als eine Regierung gewertet.
[2] Der Autor dieser Zeilen hat über das Parteiensystem promoviert und sieht sich bei Nachfragen zu länger zurückliegenden Ereignissen mitunter gezwungen, die Antwort in der eigenen Dissertation nachzuschlagen.
[3] „Das private Leben“ ist wohl eines der bekanntesten Boulevardmagazine in Lettland.
[4] Eine Anmerkung zum Journalismus in Lettland am Rande: in einer anderen Zeitung hieß diese Dame plötzlich Grīviņa.

Donnerstag, 19. März 2009

Baumas, sazvērestības teorijas un lielīšanās

Šis teksts arī ir Dienas blogā publicēts.

Frizētavā daudz ko runa, tāpat arī krogā. Šādi ātri izceļas baumas.

Ne tikai Latvijā daudziem cilvēkiem trūkst pietiekošas zināšanas politikā un ekonomikā, lai mācētu kritiski apsvērt baumās uztvertu informāciju. Tāpēc ātri vien mēdz ticēt tam, kas izklausās vienkārši, it īpaši, ja baumas apstiprina tādu pārliecību, ka kāds par mums visiem lem.

Latvijā izplatās viļņveidīgi doma, ka pa visam tūliņ devalvēs Latu. Lai gan tas līdz šim tomēr nav noticis, pašlaik dzirdēts, ka tad noteikti rudenī. Frizētavā vai bārā to stāstīja kāds, kurš pagājušajā nedēļas nogalē bija pirtī kopā ar kādiem baņķieriem vai valsts vīru radiniekiem.

Tā notiek visur un Latvija atšķiras no citām valstīm tikai ar to, ka te tādejādi var riskēt pratināšanu policijā.

Vācijā pirms Eiro ieviešanas profesori (Wilhem Hankel, Wilhelm Nōlling, Karl Schachtschneider un Joachim Starbatty) brīdināja par kopīgas valūtas negatīvām sekām. Viņu scenārijs nepiepildījās. Pret ASV dolāru un Lielbritānijas mārciņu kurss palika aizvien stiprāks. Tāpēc dažās valstīs centrālās bankas pārorientējās turot rezerves turpmāk abās valūtās – vismaz līdz finanšu krīzes sākumam.

Tagad tie paši kungi prognozē Eirozonas sabrukšanu. Protams, tādu varbūtību nevar vispār noraidīt. Bet ar kādām problēmām valdības cīnītos pašlaik, ja tagad katrai ES valstij joprojām būtu sava valūta? Jāatgādina, ka 70. gados pēc Bretton Woods zelta standarta sabrukuma valūtas kursu svārstība apgrūtināja tirdzniecību tādā mērā, ka Francijas un Vācijas vadībā nodibināja Eiropas valūtas sistēmu ar norēķināšanas vienību ECU.

Kritiķiem vajadzētu savus briesmu scenārijus domāt konsekventi līdz beigām, proti, skicēt konkrētāk, kas tad notiktu pēc Eiro sistēmas sabrukuma.

Ventspils Augstskolas pasniedzējs Dmitrijs Smirnovs bija tas, kuru policija aizturēja izteikumu dēļ par Lata devalvāciju iesakot tautai turēt savu naudu citās valūtās.

Tagad viņš Ventas Balsī un NRA publicētā intervijā prognozē Latvijai rudenī 50% bezdarbnieku skaitu un iesaka politikai pasludināt defoltu, proti, atteikties no maksājumiem uz ārzemēm. Turklāt, Latvijai viņaprāt avajdzētu atgriezties naturālā saimniecībā. ES nebūšot nekāds glābšanas enkurs, jo šī savienība tāpat divos trijos gados sabrukšot.

Protams, arī to nevar pa visam izslēgt. Bet tāpat arī nevar izslēgt iespēju, ka šajā laika posmā pateicoties sociāliem nemieriem – ne tikai grautiņi – cīņai par tīro ūdeni, kā arī enerģijas resursiem izraisīsies trešais pasaules karš. Bet, iespējams, iemesls arī būs atomkarš starp Izraēlu un Irānu?

Neapšaubāmi, ne tikai Latvijā un Eiropā pašlaik, bet gan visā pasaulē, valda tāda krīze, kuras dziļumu kā arī ilgumu neviens prognozēt nevar.

Visticamāk, jā, Latvijā daudzi cilvēki “atgriezīsies” pie naturālas saimniecības. Padomju laikā veikalos daudz nevarēja dabūt. Tāpēc cilvēki paši audzināja gurķus un tomātus dārziņā. Tagad daudziem vairs nav naudas, bet gan laiks.

Atkārtotie grautiņi Latvijā līdz ar to ir iespējami tāpat kā citās valstīs. Tomēr, vajadzētu “atstāt baznīcu ciemā” (vācu sakāmvārds), proti, nepārspīlēt. Kāds pluss būtu 27 ES dalībvalstīm no tās sabrukšanas un atgriešanas pie “baznīcas torņa politikas” (atkal vācu teiciens), proti, provinciālisma? Un kurš būtu tas, kas pirmais tādam solim ir gatavs? Gan politiskā elitē gan arī iedzīvotājos pašlaik nekas neliecina par gatavību rīkoties līdzīgi 30. gadiem.

Ne tikai minētie vācu profesori konstatē, ka Eirozonas stiprākās valstis stute vājākās. Kāds jaunums! Ja tas būtu gaidāmas nāves vēsts idejai un modelim, kas tika uzbūvēts caur gadiem desmitiem, varētu ar šādu argumentu arī Bavārija deklarēt savu neatkarību no Vācijas Federācijas vai ASV izraisīt jaunu pilsoņu karu, tikai šoreiz par jautājumu, kuros nabagākos štatos jāpārstāj maksāt ar Dolāriem neskatoties uz Indijas federāciju, kura iztur daudz lielāku konfliktu potenciālu.

Montag, 16. März 2009

Jaunas sejas ar jaunām idejām vai tie paši vēži tikai citā kulē?


Jauna valdība ir apstiprināta. Vai ir šī ir jauna vai arī cita nekā iepriekšēja? Saskaņas centrs un PCTVL noraida to, jo šo ministru kabinetu sastāv tās partijas, kas arī bija iesaistītas iepriekšējās valdībās. Tas atbilst patiesībai. Tomēr, iepretim pārmetumiem, ka netika izmantots brīdis plašākas, nacionālā izlīguma koalīcijas izveidei, pārsteidzoši daudz ministru krēslus pa tiešam ieņem cilvēki, kas agrāk ministrijas nav vadījuši.

Tiesa gan, citi politiķi gan rokādē ir tikai pārvietoti citos amatos.

Apsveicami ir gan, ka Valdis Dombrovskis bija gatavs apmainīt savu salīdzinoši mierīgu vietu Briselē ar krietni smagāka amata uzņemšanos, kā arī ministru prezidenta solījums, vadīt komandu nevis būt multiministrs.

Bet tam arī nepieciešama attiecīga komanda.

Finanšu krīzes laikā par budžetu, ieņēmumiem un izdevumiem vajadzētu rūpēties cilvēkam ar pieredzi. Einars Repše, kas nomaina “nosing spešal” runātāju, šķietami, tāds varētu būt, jo viņš kādreiz vadījis Latvijas Banku. Bet interesanti gan, ka jau Jaunā Laika dibināšanas momentā daudzi bija aizmirsuši, ka 1995.g. Repše nevarēja novērst Bankas Baltija sabrukumu.

Palīdzēt varētu pats ministru prezidents, kurš Latvijas Bankā sāka strādāt tikai pēc šī gadījuma.

Atgriezusies ministru kabinetā arī ir Linda Mūrniece, tagad vairs neatbildot par ārējo, bet gan par iekšējo drošību. Interesanti, kāda viņai koncepcija, jo vēl februārī Latvijas Avīzē Mūrnieces kundze ir paudusi neuzticību Eiropai, proti, Savienībai, sakārtot valdošo haosu Latvijā. Vai tad jauna ministre uzskata, ka cīnīties ar Rīgas grautiņiem vajadzētu citu ES dalībvalstu specvienības kaut vai pat ANO drošības padomes mandātā?

Īstenībā Mūrnieces kundze finanšu krīzes laikā izcila populismu ar virsraksts: „Pedofiliem nav cilvēktiesības!“. Izsaukuma zīmi ielika pati autore. Skaidrs, ar uzskatu, ka bērnu slepkavām neesot tiesības dzīvot, bet vajagot piešķirt nāves sodu, viņa pārkāp ne tikai saucamas rietumvērtības, bet arī ES prasības valstīm, kas vēlas iestāties savienībā.

Protams, lai nerastos nekādi pārpratumi, slepkavība ir smags noziegums tāpat kā mazgadīgo seksuāla izmantošana. Bet sajaukt jēdzienus upuriem nepalīdz. Bērnus moca, diemžēl, ne tikai Latvijā visādos veidos. Un vardarbība ģimenē, diemžēl, Latvijā nav nekāds retums. Turklāt, seksuāla uzmākšana mazgadīgiem neizdara tikai pedofili, bet gan bieži vien pat tuvie radinieki, kamēr ne visi pedofili savas vēlmes arī realizē. Protams, pedofils un slepkava nav sinonīmi, proti, ne jau katrs pedofils savu upuri noslepkavo.

Ja cilvēktiesības nav universālās, tad tās nav cilvēktiesības. Un ja pa tiešam tās nebūtu spēkā visiem cilvēkiem, tad, lūdzu, kurš Latvijā noteiktu, kur, kad un kam šīs tiesības ir spēkā? Linda Mūrniece?

Latvija ir suverēnā valsts, kurai ir tiesības, veidot sabiedrību pēc savām iedomām. Kādas tad Mūrnieces kundze specvienības savā jaunā amatā taisās nodibināt?

Valdis Dombrovskis izpauda preses konferencē savu cerību, vadīt Latviju ārā no krīzes. Vai tad jauna iekšlietu ministre atbalsta sākumā izstāšanos no ES?

Samstag, 14. März 2009

Gerüchteküche, Verschwörungstheorien und Wichtigtuerei

Im Friseursalon wird viel erzählt, am Stammtisch auch. So entstehen schnell Gerüchte.

Nicht nur in Lettland fehlen vielen Menschen die Kenntnisse in Politik und Wirtschaft, um Informationen aus diesem Bereich kritisch zu bewerten. Und so wird schon mal gerne dem geglaubt, was einfach klingt und was vor allem auch danach klingt, daß jemand konkretes über uns entscheidet.

So verbreitet sich in Lettland wellenartig die Überzeugung, daß zum Beispiel ganz bestimmt im Herbst der Lat abgewertet werde. Diese Information hat man dann von der Friseuse oder einem Vereinskumpan, der letztes Wochenende mit Bänkern in der Sauna war oder bei Freunden irgendwelche Verwandte hoher Tiere im Staat getroffen habe.

Das alles ist nichts Neues. Und Lettland unterscheidet sich an dieser Stelle nur dadurch von anderen Staaten, daß man hier dafür schon einmal verhaftet werden kann.

In Westeuropa gab es auch Euroskeptiker, die sich jüngst wieder zu Wort melden und den Zusammenrbuch des Euroraums prognostizieren. Freilich, niemand kann so etwas grundsätzlich ausschließen. Aber entgegenzusetzen wäre diesem Szenario, mit welchen Problemen in der Krise Politik und Wirtschaft konfrontiert wären, gäbe es die Währungsunion nicht. Erinnert sei hier, warum Frankreich und Deutschland in den 70er Jahren, kurz nach dem Zusammenbruch des Goldstandards von Bretton Woods die das Europäische Währungssystem mit der Rechnungseinheit ECU eingeführt haben.

Die Kritiker sollten also nicht nur ein Schreckensszenario voraussehen, sondern dieses auch konsequent weiter denken, also skiziieren, was nach dem allfälligen Zusammenbruch passiert.

Der an der Hochschule Ventspils lehrende Ökonom, Dmitrij Smirnow, war es, welcher für seine Ankündigung einer Abwertung des Lats und der Empfehlung an die Bevölkerung, ihr Vermögen besser in ausländischen Währungen zu halten, 48 Stunden festgehalten worden war.

Nun erklärt derselbe Mann, Lettland werde im Herbst 50% Arbeitslosigkeit verzeichnen und es sei vernünftig, einen Default zu verkünden, also die weitere Bedienung der Verbindlichkeiten zu verweigern und zur Naturalwirtschaft zurückzukehren. Die EU sei keine Rettung für das Land, denn mehr noch als im Westen Sorgen um den Bestand der Währungsunion bestehen, wird nach Ansicht Smirnows die ganze Europäische Union in zwei bis drei Jahren zusammenbrechen.

Freilich, auch dies ist nicht generell auszuschließen. Und genauso wenig ist auszuschließen, daß im Rahmen von sozialen Unruhen, dem Kampf um Wasser und Enegrie in einem vergleichbaren Zeitraum der Dritte Weltkrieg ausbricht. Aber vielleicht ist auch ein Atomkrieg zwischen Israel und dem Iran der Auslöser.

Es steht außer Frage, daß nicht nur Lettland und Europa, sondern die ganze Welt derzeit in einer Krise steckt, deren Tiefe und Dauer niemand absehen kann.

Daß in Lettland viele zur Naturalwirtschaft zurückkehren werden, ist ebenfalls sehr wahrscheinlich. Zu Sowjetzeiten gab es viel nicht, darum haben die Menschen ihre eigenen Gurken und Tomaten gezüchtet. Jetzt haben viele kein Geld mehr, dafür aber Zeit.

Neuerliche Ausschreitungen in Lettland sind denkbar wie sie auch in anderen Ländern geschehen können. Trotzdem sollte ein Experte die Kirche im Dorf lassen. Was hätten die 27 EU-Staaten davon, diese Staatengemeinschaft aufzulösen und statt dessen eine Kirchturmpolitik zu betreiben? Und wer soll der erste sein, der einen solchen Schritt zu vollziehen wagt? Es gibt für einen Konfrontationskurs weder in der politischen Elite noch in der Bevölkerung im Gegenteil zu den 30er Jahren beängstigende Tendenzen.

Daß in der Eurozone die Stärkeren für die Schwächeren aufkommen, ist eine triviale Erkenntnis. Wenn dies das Sterbeglöckchen eines Modells sein sollte, welches über Jahrzehnte aufgebaut wurde, könnte sich mit diesem Argument auch Bayern von Deutschland unabhängig erklären und in den USA ein neuer Bürgerkrieg ausbrechen, diesmal um die Frage, wer noch Dollar verdienen darf und wer nicht, vom Ende des Bundesstaates auf dem indischen Subkontinet ganz zu schweigen, wo es entschieden mehr Konfliktpotential gibt

Wen vertritt der russische Botschafter in Estland?

Wie das estnische Radio berichtete, kommentierte Bildungsminister Tōnis Lukas auf einer Pressekonferenz die Eingabe eines Schülers der Tallinner Reaalgümnaasiums Mustamäe, die auch von der Vereinigung der Schülervertretungen abgesegnet worden war. Der junge Mann kritisiert darin die jüngsten Äußerungen des russischen Botschafters in Estland, Nikolai Uspensti gegenüber der Zeitung Tribuna.

Der Botschafter hatte in einem Interveiw behauptet, die Sprachinspektion werde in Estland instrumentalisiert, um eine „Bereinigung“ unter dem Lehrpersonal durchzuführen und die russischen Schüler würden im Unterricht diskriminiert, ja sogar der gebrauch der russischen Sprache von Lehrern untersagt.

Lukas sagte, daß selbstverständlich unter den jungen Leuten über alle möglichen Fragen auch sehr unterschiedliche Meinungen vertreten würden. Die meisten sprächen jedoch hervorragend Estnisch und zweifelten nicht am Sinn der Unabhängigkeit des Landes im Gegnteil zu älteren Personen, die sich nicht gut integriert hätten.

Die Schüler seien verärgert über die Verbreitung von Lügen und betrachteten dies als Einmischen in innere Angelegenheiten. Sie verlangten eine Entschuldigung von Seiten des Botschafters.

Donnerstag, 12. März 2009

Die Krise in Lettland, ihre Ursachen und ihre Folgen

Die Krise in Lettland hat wie in den USA eine wesentliche Ursache: die Bevölkerung hat über ihre Verhältnisse gelebt. In beiden Ländern gab es eine Spekulationsblase im Immobilienbereich. Damit aber erschöpfen sich bereits die Gemeinsamkeiten.

Finanzmarkt und Realwirtschaft
Während es in den USA eine Produktion gibt, hat der Autor dieser Zeilen in seinem ersten lettischen Zeitungsartikel vor Jahren bereits darauf hingewiesen, daß die vielen Neuwagen und Mobiltelefone in Lettland nicht mit unbehandeltem Holz und Damenunterwäsche dauerhaft finanziert werden können. Inzwischen beschränkt sich die Wirtschaftsleistung Lettland weitgehend auf das unbehandelte Holz, denn was es an Textilindustrie vor zehn Jahren noch gab, ist angesichts der Lohnkostenentwicklung und sicher auch einer falschen Produktpolitik weitgehend verschwunden.

In den USA haben die Menschen auf Pump gelebt und eine gute Weile darauf spekulieren können, daß der Wert ihrer mit Krediten erworbenen Häuser im Laufe der Zeit steigt, und dann irgendwann die Liegenschaft mit Gewinn verkauft und nach dem Auszug der Kinder eine kleinere Unterkunft erworben werden kann. Das war in Lettland nicht so. Selbstverständlich wurde mit ganzen Gebäuden und Eigentumswohnungen im historischen Jugendstilviertel von Riga spekuliert. Das trifft aber nicht zu auf die heruntergekommenen Holzhäuser in der Moskauer Vorstadt oder die Plattenbauten von Ķengarags oder Iļģuciems, die überwiegend in den 70er Jahren für eine Lebensdauer von 30 Jahren errichtet worden waren, ganz zu schweigen von Immobilien ähnlicher Qualität in den Klein- und Kleinststädten.

Selbstverständlich haben auch hier die Preise in den letzten zehn Jahren angezogen. Und genau hierin liegt im Unterschied zu den USA die Ursache der Krise in Lettland. Mit Hilfe eines Kredites eine Wohnung zu kaufen, war in den nach Aigars Kalvītis „fetten Jahren“ billiger, als eine Wohnung zu mieten. Die monatlichen Zinsen waren geringer als der Betrag, den Vermieter verlangt haben. Die in Lettland Kommunalgebühren genannten Betriebskosten müssen auch bei privatisierten Wohnungen an das die Mehrfamilienhäuser bewirtschaftende, sogenannte Kooperativ gezahlt werden.

Die Banken in Lettland haben auch nicht wie in den USA Kredite an Personen vergeben, deren Kreditwürdigkeit von vornherein in Zweifel zu ziehen war, sondern nur an solche, die wenigstens für örtliche Verhältnisse ordentlich verdienen haben.

In Lettland gab es somit sehr wohl jene, bei denen die „fetten Jahren“ nicht ankamen. Viele, die vor der Arbeitslosigkeit auf dem Lande nach Riga geflohen waren, konnten sich hier gerade einen Schlafplatz leisten. Konkret heißt dies, daß in einer Wohnung mit mehreren Zimmern in jedem davon gleich mehrere Personen wohnen.

Woher kommt dann die Krise in Lettland?
Gewiß, in Lettland wurden Kredite auch an Interessenten vergeben, die in einem westeuropäischen Land ohne Zweifel von der Bank eine Absage erhalten hätten; ebenso waren entsprechende Sicherheiten nicht vorhanden, die im Falle einer Wohnung im Plattenbau auch das erworbene Objekt selbst nicht bot. Der einmalige Kauf machte für den Einzelnen noch Sinn, nicht jedoch eine ggf. erforderliche Zwangsversteigerung.

Kredite wurden aber nicht nur gewährt und in Anspruch genommen, um mit Immobilien in die eigene und die Zukunft der Kinder zu investieren. Vielmehr gab es umfangreiche Leasingangebote, die gerne für moderne und teilweise auch luxuriöse Autos verwendet wurden. Selbst Schweizer Besucher fühlten sich beim Besuch Rigas zu Kommentaren hingerissen, daß auf so engem Raum sie nicht einmal daheim solche Fahrzeuge sehen würden.

Das alles war natürlich nur möglich, weil salopp formuliert, die Banken in den Markt wollten und teilweise aggressiv entsprechende Angebote unterbreitet haben.

Und dieser Trend zum Konsum auf Pump zog sich hin bis zu Kleinstkrediten, also letztlich Ratenkauf – wofür im Einzelhandel oft auch mit dem verzicht auf eine Anzahlung geworben wurde.

„Fette Jahre“ mit verdächtigen Kennziffern
Damit allein ist die Krise jedoch nicht zu verstehen. Dem Kauf auf Kredit steht auch ein Verkäufer gegenüber, welcher über die gesamte Kaufsumme sofort verfügt. Und diese Gelder gingen ebenfalls vorwiegend in den Konsum und nicht in Investitionen.

Es nimmt also kein Wunder, wenn der Anteil des Einzelhandels an den hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre verdächtig hoch, das Außenhandelsdefizit größer war als in Südostasien vor der Krise der 90er Jahre. Und es war auch nicht überraschend, daß 2007 und 2008 die Inflation in Lettland, aber auch den baltischen Nachbarstaaten, ungekannte Ausmaße erreichte und zweiteilig beinahe bei 20% lag.

Bei den Letten hingegen sind volkswirtschaftliche Kenntnisse nicht verbreitet. Sie verwechselten den hohen Nennwert ihrer nationalen Währung, 1 Lat ist bereits 1,50 Euro, mit einem hohen Wert ihrer Währung an und für sich.

Aber dies waren nur die hausgemachten Probleme.

Mit dem Beitritt zur EU öffneten Großbritannien und Irland ihre Arbeitsmärkte für die neuen Mitgliedsländer sofort. Eigentlich eine Geste, die im Gegensatz zum Protektionismus anderer Staaten im Rahmen der Globalisierung als Schritt einer liberalen Politik anzusehen ist.

In der Folge verließen viele Menschen aus dem Baltikum und Polen ihre Heimat, um für mehr Geld teilweise auch minderwertigere Arbeit zu verrichten. Dies aber war nicht nur ein persönliches Schicksal, sondern zog Arbeitskräfte ab aus einem heimischen Markt, in dem ebenfalls gerade die Bauwirtschaft boomte. Hier mangelte es nun an Arbeitern, weshalb die Löhne in Lettland unverhältnismäßig stark und schnell stiegen. Es kann kaum mit der Produktivität erklärt werden, wenn Einkommen plötzlich jährlich um ein Drittel steigen.

Die Diskussion über Gastarbeiter aus Weißrußland oder Moldavien wurde zwar geführt, aber nicht entschieden. Und so trug die Immobilienblase noch zu den Auswüchsen des Lohnsektors bei. Das wiederum ähnelt Island.

Gewöhnlicher Krisenbeginn und dramatische Folgen und Stilblüten
Der Kollaps in Lettland wurde schließlich durch ein Ereignis ausgelöst, mit dem sich zahlreiche andere Regierungen in Europa während der letzten Monate ebenfalls konfrontiert gesehen hatten. Der einzigen tatsächliche lettischen Bank, die Parex Banka, drohte das Ende. Dies wurde noch dadurch verschärft, daß die Letten den Zusammenbruch der Banka Baltija 1995 noch in guter Erinnerung haben. Die Menschen stürmten, anders als in Deutschland und ähnlich wie bei der schottischen Northern Rock, die Schalter und zogen ihre Einlagen ab, was den drohenden Bankrott noch beschleunigte.

Die Parex Bank war insofern systemrelevant, wie die jüngste Wortschöpfung heißt, weil der Großteil der staatlichen Institutionen ihre Bankgeschäfte über dieses Institut abwickeln.

Der Staat wäre nun ohne die Hilfe Europas und des IWF zahlungsunfähig. Die ersten Gegenmaßnahmen wurden getroffen, die Mehrwertsteuer zum 1. Januar um drei Prozent erhöht und die Einkommen für alle Staatsbediensteten gekürzt. Viele Mitarbeiter wurden sogar entlassen. Das gilt selbstverständlich auch für die Privatwirtschaft.

Da viele Menschen ihre Arbeit verloren oder drastische Einkommensausfālle von in manchen Fällen bis zu 40% zu verkraften haben, droht ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit von Privathaushalten, weil die Menschen ihre Kreditverbindlichkeiten nicht mehr bedienen können.

Doch damit nicht genug: Nicht erst seit Wochen oder Monaten, sondern eigentlich schon seit Jahren wird immer wieder über eine Abwertung der Landeswährung Lats spekuliert. Erst im vergangenen Herbst wurde wegen der Verbreitung von Gerüchten ein Hochschullehrer zwei Tage von der Polizei festgehalten und ein Sänger immerhin vernommen. Dies ist ein Zeichen für die Nervosität der Behörden und den Notenbank. Die Skeptiker, die sich vor der Einführung der Gemeinschaftswährung Euro in Deutschland zu Wort gemeldet hatten, sind damals wie jetzt wegen ihrer Zweifel bestenfalls publizistisch angegriffen worden.

Abwertung als Rezept?
Selbstverständlich ist die Abwertung neben einem (noch) drastischeren Sparkurs eine mögliche Strategie zur Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit. Aber weil die Krise in Lettland andere Ursachen hat, hat sie auch andere Folgen.

Selbstverständlich würde eine Abwertung Exporte verbilligen und Importe verteuern. Während letzteres kein Nachteil für die heimische Wirtschaft sein sollte, es schränkte den ungestümen Konsum von Konsumgütern ein, so liefe ersteres in die Leere – was exportiert Lettland?

Eine Abwertung der Währung würde die Schwierigkeiten bei der Bedienung von Krediten noch einmal deutlich verschärfen. Denn weil die Landeswährung trotz ihres hohen Nennwertes (1 LVL=1,50 Euro) eben keine Hartwährung ist, nach der sich andere Volkswirtschaften die Finger schlecken, haben die meisten ihre Kredite in Fremdwährungen aufgenommen, vorwiegend in Euro, aber auch in Schweizer Franken und Yen. Und da die Kreditnehmer vorwiegend junge Menschen sind, träfe eine Abwertung gerade den produktiven Teil der Gesellschaft am heftigsten. Eine soziale Katastrophe könnte folgen. Und das scheut das offizielle Lettland wie der Teufel das Weihwasser.

Wegen der seit dem EU-Beitritt festen Wechselkursbindung an den Euro wäre die Abwertung nicht allein auf nationaler Ebene entscheidbar, sondern nur in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank. Innerhalb der Europäischen Union gibt es ebenfalls einer Abwertung entgegenstehende Interessen.

Die international engagierten Banken haben schon genug Summen abschreiben müssen. Da in Lettland vorwiegend große Häuser aus Skandinavien aktiv sind wie SEB und Swedbank, würde gerade Schweden sehr viel verlieren.

Der vor allem im Nahrungsmittelbereich umfangreiche innerbaltische Handel würde durch eine Abwertung der nationalen Währung in nur einer Republik das Gleichgewicht aus den Fugen bringen.

Was also tun?
Es besteht kein Zweifel, daß die Regierung Lettlands, werde sie nun von Valdis Dombrovskis geführt oder von jemand anderem, vor der Wahl zwischen Teufel und Beelzebub steht.

Der scheidende Ministerpräsident Ivars Godmanis hat bereits in einem Zeitungsinterview sein Unverständnis über den Sturz seiner Regierung gegrummelt: Es wäre seiner Ansicht nach vernünftiger gewesen, unpopuläre Entscheidungen noch seinem Kabinett aufzubrummen, um nach der Europa- und Kommunalwahl eine neue Regierung zu bilden. Dahingegen behaupten Beobachter, daß die Königsmörder Volkspartei und Grüne und Bauern an der Bereitschaft der Partner zweifelten, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, und aus diesem Grunde das Bündnis erweitern wollten

Jetzt hat Dombrovskis die Erste Partei / Lettlands Weg aus dem Boot geworfen, weil erstens auch ohne sie die Regierungsfraktion auf 64 Mandate kommen und zweitens diese Partei ultimativ am Verkehrsministerium festhalten wollte. Damit hat er nun aber die Königsmörder verärgert, die ihrerseits an der Bündnistreue bei der Neuen Zeit des designierten Regierungschefs ebenso zweifeln wie an der Bürgerlichen Union.

Und in der Tat, deren Fraktionsvorsitzende Anna Seile hat bereits angekündigt, nicht ohne wenn und aber für jeden schmerzhafte Vorschlag zu stimmen. Dem schlossen sich die Abgeordneten Janīna Kursīte-Pakule von der Bürgerlichen Union und Inguna Rībene von der neuen Zeit an, die ihr Gewissen und die Bedeutung der kulturellen Bildung in Lettland vorschoben.

Zweifel bestehen aber nicht nur bei den bislang oppositionellen Kräften. Auch die Bildungsministerin von den Grünen und Bauern, Tatjana Koķe, stellte angesichts des Sparzwangs ihre Bereitschaft in Frage, für das Amt erneut zur Verfügung zu stehen.

Situation bleibt undurchsichtig
Ob Godmanis’ Bereitschaft, alle Unbill auf sich zu nehmen einer staatsmännischen Einstellung oder einem anderen Kalkül geschuldet ist, mag zunächst dahingestellt bleiben. Beinahe erwecken all diese Konflikte um und während der Regierungsbildung den Eindruck, als hätten die Politiker und Parteien vergessen, daß Ende des Monats der Präsident mit einer möglichen Parlamentsauflösung droht.

Daß die Forderungen des Ultimatums in diesem Zeitraum zu erfüllen sind, ist so gut wie ausgeschlossen, zumal die Parteien jetzt genug Zeit mit der Regierungsbildung verbracht haben, welche überdies noch nicht einmal abgeschlossen ist.

Fraglich ist aber auch die Ernsthaftigkeit der Drohung, den Präsident Zatlers spielt ggf. mit seinem Amt. Lehnt das Volk im obligatorischen Referendum das Ansinnen des Staatsoberhauptes ab, so muß er selbst abtreten. Zwar geben zwei Drittel der Bevölkerung an, mit ja stimmen zu wollen. Aber viele Menschen sind auch skeptisch angesichts des Fehlens von Alternativen. Erreicht die Wahlbeteiligung das Quorum von mindestens 50% der Wahlberechtigten nicht, steht der Präsident nicht weniger bedröppelt dar. Und da sei erinnert, daß das Parlament den Präsidenten ebenfalls mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit absetzen kann.

Harte Realität in Lettland
In den letzten Wochen ist immer wieder von Staatsbankrott die Rede, dessen Möglichkeit mitunter in Frage gestellt wird. Dies geschieht deshalb, weil auch ein hochverschuldetes Land eine höhere Kreditwürdigkeit besitzt, als ein Individuum oder eine Firma, die sich als Faß ohne Boden darstellt. Und der Grund für dieses Paradoxon liegt in dem Umstand, daß eine insolvent Firma nach dem Verkauf ihrer Sachwerte zugunsten der Gläubiger einfach verschwindet. Eine Privatperson stirbt irgendwann. Territorium und Einwohner eines zahlungsunfähigen Staatens verschwinden mit der Pleite jedoch nicht.

Wo andere Regierungen im Westen Konjunkturprogramme auflegen, letztlich also Geld drucken, ja sogar Steuern senken (wollen) und die Menschen zum Konsum aufrufen, geschieht in Lettland das Gegenteil.

Wenn im Westen gewitzelt wird, der Unterschied zwischen Kapitalismus und Sozialismus bestehe darin, daß in diesem die Unternehmen erst verstaatlicht und dann ruiniert würden, es im anderen System umgekehrt sei, so ist das lettische Dilemma, daß die Geldwertstabilität ruiniert wurde, bevor die Krise begann, während im Euroraum die Krise mit der (möglichen?) Ruinierung des Geldwertes zu bekämpfen versucht wird.

Gewiß, was die Politik im Euroraum exakt für Folgen haben wird, wagt wohl kaum jemand zu prognostizieren. Tendenziell muß sich jedoch der Druck auf die Inflation erhöhen. Lettland hat diese Option nicht.

Jüngst diskutierten ehemalige Regierungschefs Lettlands über die Lage der Nation im Fernsehen. Während Valdis Birkavs und Māris Gailis, die beiden Regierungschefs während der ersten Saeima nach der wiedererlangten Unabhängigkeit analysierten und Empfehlungen abgaben, gestand Aigars Kalvītis Fehler ein. Andris Šķēle bekundete sein Verständnis, daß vor zwei drei Jahren den Gehaltsforderungen der Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst von Seiten der Regierung nicht wiederstanden wurde. Freilich, auch westeuropäische Staaten haben sich in Jahren der sprudelnden Steuereinnahmen nicht vernünftiger Verhalten.

Andererseits behaupteten Indulis Emsis und Andris Šķēle ebenfalls, Lettland trage an der Krise keine Schuld. Diese sei durch eine falsche Politik in den USA ausgelöst worden. Emsis ist kein Wirtschaftsexperte. Doch zugunsten von Šķēle ist man zu vermuten geneigt, daß er diese Behauptung nicht wirklich selbst glaubt.

Tragisch ist, daß die Einwohner Lettlands nicht erst heute die aktuelle Politik für ihre Situation verantwortlich machen und nur wenige verstanden haben, daß die Wurzel des Übels in dem halben Jahrhundert sozialistischer Diktatur liegt. Und dies gefährdet potentiell die demokratische Regierungsform im Lande.

Donnerstag, 5. März 2009

Segen und Fluch einer Statsbürgerschaft

Daß die Letten und Esten nach dem Zusammenbruch dewr Sowjetunion nicht ALLEN Einwohnern die Staatsbürgerschaft ohne Wenn und Aber gewährt haben, wurde in den nachfolgenden Jahren in der linken bis bürgerlichen Presse oft genauso als Diskriminierung bezeichnet wie in den Sozialwissenschaften.

Auf die Nuancen der Situation in den genannten beiden Staaten soll hier nicht eingegangen werden, aber über die Folgen der derzeitigen krise für diese Frage. Die lassen nämlich aufhorchen.

Bislang waren Sprachprobleme der Migranten aus der Sowjetzeit ein wichtiger Hindergrund der Einbürgerung, weil viele Lettisch und Estnisch entweder nicht zu lernen vermochten oder wollten. Die erschwerte Reise in die ethnische Heimat, nach Rußland oder in die Ukraine, war ein zweiter Grund. Weiter verschleppt haben viele Betroffene diese Frage, nachdem innerhalb der EU zwischen Bürgern der baltischen Republiken und den Staatenlosen zunehmend weniger Unterschiede machten.

Aber seit der Finanzkrise berichtet die Einbürgerungsbehörde von einem gänzlich neuen Phänomen. Es rufen Letten an, die zu keinem Zeitpunkt aufgrund ihrer Herkunft eine Einbürgerung hatten beantragen müssen, weil sie aus Enttäuschung über ihren Staat und seine Politik plötzlich ihre Staatsbüregrschaft abgeben wollen!

Mitarbeiter der Einbürgerungsbehörde haben sich nun verzweifelt während der Bildung einer neuen Regierung an die oppositionellen Parteien gewandt mit der Bitte, doch etwas zu unternehmen, sie hielten diesen Druck psychisch nicht aus.

Selbstverständlich kann der Staat keine Bürger aus der Staatsbürgerschaft entlassen, wenn diese gleichzeitig nicht eine andere erhalten.

Ganz anders die tendenz unter den Staatenlosen Lettlands. Der fließend lettisch sprechende Alexander erklärt etwa gegenüber dem lettischen Radio, daß er in Irland über Verwandte Arbeit gefunden habe. Die aber könne er nur antreten, wenn er die lettische und damit eine EU-Staatsbüregrschaft habe. Jewgenij hingegen hat andere Gründe. In der Wirtschaftskrise sei es überall schwierig, Arbeit zu finden. Er sieht in der Stastbürgerschaft angesichts womöglich steigender Kriminalität auch Selbstschutz.

Die Zahlen der Einbüregrungsbehörde sind jedoch eindeutig. In den vergangenen Monaten ist die Zahl der Einbürgerungswilligen deutlich gestiegen. Die Zahlen zeigen aber auch, so das Amt, daß Lettland gerade die Intellektuellen verlassen. Und für eine Arbeit im Ausland benötigt der Staatenlose neben der Aufenthaltserlaubnis auch eine Arbeitserrlaubnis. Diese aber ist zu erhalten nur in Zusammenarbeit mit dem konkreten Arbeitgeber.

Die Kriminalität ist in den letzten Wochen deutlich gestiegen, regelmäßig gibt es mittlerweile sogar bewaffnete Überfälle auf kleine Geschäfte. Ob der morgendliche Überfall auf den Dirigenten Märis Sirmais in seiner Wohnung vor wenigen Tagen Motive hatte, die im privaten Bereich zu suchen sind, konnte einstweilen noch nicht geklärt werden.

Mittwoch, 4. März 2009

Alter Wein in neuen Schläuchen

Als Präsident Valdis Zatlers nach den Ausschreitungen vom Januar Parlament und Regierung ein Ultimatum stellte, gehörte zu den Forderungen auch die nach neuen Gesichtern. Der von ihm benannte Kandidat zur Regierungsbildung, den Neue Zeit Politiker Valdis Dombrovskis, hoffte als Vertreter der bisherigen Opposition öffentlich auf eine Aufhebung des Ultimatums oder wenigstens die Verschiebung des Termin vom 31. März. Doch aus der Rigaer Burg wurde sogleich verlautbart, das Staatsoberhaupt trage sich nicht mit einer solchen Absicht.

Während die Frage, ob die Benennung eines Oppositionellen anstelle des von der Volkspartei portierten Kandidaten als Emazipation des Präsidenten von jenen politischen Kräften zu werten ist, welche ihn selbst seinerzeit auf den Schild gehoben hatten, als umstritten gelten muß, so besteht kein Zweifel darüber, daß die Parteien und Politiker mitten in der tiefsten wirtschaftlichen Krise dieser in ihren Verhandlungen, abgesehen von einigen Zahlen aus dem Munde Dombrovskis, kaum Aufmerksamkeit widmen. Heißt es in Deutschland immer, es ginge zunächst um Sach- und erst anschließend um Personalfragen – was gewiß mitnichten immer zutreffend ist - so bemühen sich die Handelnden in Lettland nicht einmal darum zu verschleiern, daß es allem voran um die Postenfrage geht.

Das ist partiell auch damit verbunden, daß bei einigen kleinen Fraktionen sich deren Zusammensetzung mit einem Regierungswechsel ändert. Da in Lettland niemand gleichzeitig Mitglied des Parlaments und Minister sein kann, verliert mit der Rückkehr von Ex-Ministerpräsident Godmanis in die Saeima beispielsweise Dzintars Jaundžeikars, der gegenwärtig den Ausschuß für Nationale Sicherheit leitet, sein Nachrückermandat.

Der Hauptstreit jedoch entfachte um das Verkehrsministerium, welches seit geraumer Zeit die graue Eminenz der Partei des scheidenden Regierungschefs, Ainārs Šlesers, führt. Šlesers hatte vor einigen Jahren wegen seiner Verwicklung in den Jürmalgeit-Skandal seinen Hut nehmen müssen, war aber später auf diesen Posten zurückgekehrt. Während Fraktionschef Andris Bērziņš, früher selbst einmal Ministerpräsident, den Apsruch seiner Partei auf das Verkehrsministerium mit der Bennenung von Godmanis als Lackmustest bezeichnete, ob die Verhandlungspartner seine Partei überhaupt ernst nähmen, standen die Chancen für Šlesers wegen der ablehnenden haltung von seiten der bisherigen Opposition schlecht.

Es sei erinnert, daß Šlesers als einer der drei wichtigsten Oligarchen im Lande gilt neben Aivars Lembergs und Andris Šķēle. Diese wiederum stehen hinter den beiden bisherigen Regierungsparteien, die innerhalb von 14 Tagen einmal während eines Mißtrauensantrages von Dombrovskis’ Partei Godmanis unterstützt hatten, um ihn dann zum Rücktritt zu drängen.

Die Abtrünnige der Neuen Zeit, Sandra Kalniete, unterstrich den Wunsch nach einem Wechsel an der Spitze des Verkehrsressorts mit dem Wunsch, Ordnung in dieses Haus zu bringen. Es würden dort zu hohe Vergütungen bezahlt bezahlt, während staatliche Gelder an Tochterunternehmen beteiligter Personen flössen. Der Vorschlag, ihren Parteifreund Ģirts Kristovskis mit dem Verkehrsministerium zu betrauen, stieß wegen dessen Verbidungen mit Gegnern des Transitoligarchen Lembergs auf wenig Gegenliebe bei den anderen Parteien, so daß schließlich sogar von einer parteilosen Kandidatur gesprochen wurde.

Die Neue Zeit ist ihrerseits als federführender Akteur in der Zwickmühle neben durchsetzbaren Forderungen andere hinnehmen zu müssen. Unter anderem droht ihr, zum Feigenblatt der fortgesetzen Herrschaft von Lembergs und Šķēle im Hintergrund zu werden.

Doch dies ist es nicht allein. Die Neue Zeit selbst zeigt wenig Mut zu neuen Gesichtern, auch wenn ihr designierter Regierungschef noch jung ist und als Europaparlamentarier nicht direkt an den politischen Ränkespielen der letzten Jahre beteiligt war. So nominiert die Neue Zeit für das Finanzministerium allen Ernstes ihren Gründer Einars Repše, der nach den Wahlen 2002 eine der kurzlebigsten Regierungskoalition seit 1991 überhaupt geführt hat. Abgesehen davon trägt er als früherer Präsident der Nationalbank und damit zuständig für die Bankenaufsicht mittelbar die Verantwortung für den Zusammenbruch der Banka Baltija 1995.

Als Innenministerin möchte die Partei Linda Mürniece einsetzen, die erst im Februar in einem Kommentar die Universalität von Menschenrechten in Zweifel gezogen und ihre Befürwortung der Todesstrafe bekundet hatte. Beides begründete sie mit einer offensichtlichen Verquickung von Pädophilie und sexuellem Mißbrauch Minderjähriger.

Die nun anvisierte Koalition aus der Neuen Zeit, der Bürgerlichen Union von Kalniete, der nationalistischen Für Vaterland und Freiheit sowie den beiden Parteien Lembergs und Šķēles, Union der Grünen und Bauern sowie Volkspartei, kommt auch ohne die Partei von Godmanis und Šlesers auf immerhin 64 Stimmen im 100 Sitze zählenden Parlament. Zügig war zu Beginn der Verhandlugnen darum auch klar, daß das Harmoniezentrum auch dieses Mal wieder leer ausgehen und für die Bildung einer breiten Koalition nicht herangezogen werden würde. Ursächlich dafür war nicht nur die kategorische Gegnerschaft der Nationalisten, sondern auch Kalnietes Abelhnung. Selbst in der Neuen Zeit beschränkte sich die Offenheit in diese Richtung vorwiegend auf den designierten neuen Regierungschef.

Kalniete, die in ihrer Jugend selbst deportiert worden war, begründete ihre Haltung mit der Zurückhaltung des Harmoniezentrums bei der Verurteilung des Kaukasuskonfliktes im vergangenen Sommer, der uneindeutigen Haltung zur Frage der sowjetischen Okkupation wie auch wegen der Zusammenarbeit mit den Sozialisten von Alfrēds Rubiks, der 1991 den Zusammenbruch der Sowjetunion aufzuhalten versucht hatte.

Die Benennung Dombrovskis’ durch den Präsidenten war deshalb wahrscheinlich, weil mit Edgars Zalāns erneut jene Partei eine Regierung gebildet hätte, die seit 2006 und bereits davor unter Aigars Kalvītis als hauptverantwortlich für die derzeitigen wirtschaftlichen wie auch politischen Probleme gilt. Diese Auswahl wäre politisch unlogisch gewesen. Dombrovskis kann für sich in Anspruch nehmen, weitgehen ein neues Gesicht zu sein, doch für sein Kabinett gilt dies sicher nicht, auch wenn außer Außenminister Māris Riekstiņš kein wichtiger Politiker auf seinem Posten bleibt.

Zatlers benannte Domborvskis auch wegen dessen Erfahrungen im Finanzsektor und nicht zuletzt in Brüssel. Dombrovskis ist sicher hoch anzurechnen, daß er entgegen allen Zweifeln tatsächlich bereit war, seinen ruhigen Posten im Europaparlament gegen den Schleudersitz an der Regierungsspitze in Riga einzutauschen.

Doch viel gewonnen ist weder für ihn noch für Lettland. Über der neuen Regierungsmannschaft schwebt weiter das Damoklesschwert einer Parlamentsauflösung. Außerdem stehen im Juni Europa- und Kommunalwahlen an. Diese Aspekte lassen Zweifel berechtigt erscheinen, daß dieses Kabinett die Probleme des Landes lösen kann, ja sogar, daß dies versucht wird in Angriff zu nehmen.

Daß die während der letzten Tage ausgetragenen Konflikte sich nur um Posten drehten, bestätigte der Fraktionsvorzitzdende der Volkspartei Māris Kučinskis, dies sei der einfachere Schritt gewesen, jetzt kämen die Schwierigkeiten, sich inhaltlich zu einigen.

Einzig hat Dombrovskis zutreffend in den letzten Tagen gebetsmühlenartig wiederholt: erfüllt Lettland die Auflagen des Währungsfonds nicht, so kann das Land bald nur noch seinen Staatsbankrott verkünden. Den politischen Bankrott hat diese Regierungsbildung erneut bestätigt. Bei den Kommunalwahlen prognostizieren Umfragen in Riga ein gutes Abschneiden der nun verstoßenen Partei von Ainārs Šlesers.