Montag, 29. August 2011

Lettland vor der Wahl: Zweifel der Oligarchen an sich selbst?

Lettland wählt im September außerplanmäßig ein neues Parlament, nachdem der letzte Urnengang nicht einmal ein Jahr zurück liegt. Ex-Präsident Valdis Zatlers hatte im Zweifel über seine Wiederwahl und vorgeblichem Zorn über den Schulterschluß der Angeordneten mit einem Oligarchen dem Volk die Möglichkeit zur Entlassung des Parlamentes vorgelegt, was die Wähler nur neun Monate nach ihrer vorherigen Entscheidung akzeptierten.

Zatlers begründete seinen Schritt mit dem großen Einfluß außerhalb des Parlament befindlicher Personen – der Oligarchen. Ein nur bedingt zutreffender Vorwurf, war doch der Anlaß für sein Handeln die Verweigerung des Parlamentes, die Immunität eines Abgeordneten aufzuheben, der als einer von drei wichtigen Oligarchen gilt, also nicht außerhalb der Politik steht – und stand. So argumentiert Ainārs Šlesers auch, er habe über all die Jahre immer ein Mandat des Volkes gehabt. Zatlers ist seiner Meinung nach ein Beispiel für den Zynismus im Lande. Vier Jahre lang habe dieser auf Staatskosten gemeinsam mit Lembergs, einem weiteren der namentlich Angegriffenen, gegessen, um nach seiner verfehlten Wiederwahl plötzlich irgendwelche Sündenböcke zu suchen. Gemeinsam mit Lembergs wirft er Zatlers vor, was dieser nun vier Jahre lang in der Rigaer Burg gemacht habe.

Eine kurze Straßenumfrage des lettischen Radios ergab ebenfalls, daß der Kampf gegen die Oligarchen bei den Wählern nicht oben auf der Liste steht. Alle erklärten, die Wirtschaft und die soziale Situation seien entschieden wichtiger. Viele Menschen sind auch der Ansicht, daß die Frage der Oligarchen vor den Wahlen künstlich aufgebläht würde.

Generell interessiert sich ethnisch lettische Wähler für das Thema mehr als die Russen. Interessant auch, daß Ainārs Šlesers selbst im Wahlkampf 1998 gegen die Oligarchen agitierte und 2002 mit der Neuen Zeit eine Saubermann-Partei erschien, die das Thema für sich beanspruchte. Während der sogenannten „fetten Jahre“ 2006 interessierte sich wiederum niemand für die Frage der Korruption. Dies waren auch die einzigen Wahlen in Lettland seit der Unabhängigkeit, zu der keine neue politische Kraft antrat. Bei der damaligen Wahl hatten zwei Listen die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze für Wahlausgaben überschritten, zwei politische Kräfte, die anschließend gemeinsam die Regierung bildeten. Juristisch wurde dieser Verstoß zwar 2008 vom Verfassungsgericht konstatiert, hatte aber keine politischen Folgen mit Ausnahme der sogenannten Regenschirmrevolution im Herbst 2007, ein halbes Jahr nach Amtsantritt von Valdis Zalters als Präsident, der damals „im Zoo“ von den Oligarchen selbst aus dem Hut gezaubert worden war.

Wie die Wahlen im nächsten Monat ausgehen werden, traut sich kaum jemand zu prognostizieren. Schon nach der Regenschirmrevolution waren außerordentliche Wahlen von einigen Experten verlangt worden nicht zuletzt wegen der fraglichen Verfassungsmäßigkeit des Urnenganges. Präsident Zatlers machte aber von seinem Recht eben erst jetzt zum Ende seiner Amtszeit Gebrauch und bietet den Wählern nach gescheiterter Wiederwahl eine eigene politische Alternative an. Einstweilen billigen Umfragen dem Harmoniezentrum 18% und der Zalters Reformpartei 17% zu. Die Wahlsiegerin vom letzten Jahr, die Einigkeit des Regierungschefs Valdis Dombrovskis muß federn lassen und liegt bei nur 10% gefolgt von den Nationalisten mit gut 7% sowie der Union aus Grünen und Bauern mit rund 8%. Die Partei Lebmbergs steht damit erstmalig überraschend schlecht da und leidet wohl wie die Einigkeit unter dem Malus der Regierungsverantwortung. Da Zalters kategorisch abgelehnt hat, mit Oligarchen zu koalieren, dürfte ein Pakt mit den Grünen und Bauern ausgeschlossen sein. Die lettischen Wähler sind wohl für ein Bündnis der „sauberen“ Parteien mit den Russen noch nicht bereit. Damit läuft unabhängig von den genauen Kräfteverhältnissen alles auf eine Koalition der Einigkeit mit Zatlers und den Nationalisten hinaus, ggf. auch ohne sie, wenn es für eine Mehrheit reichte. Damit zöge eine neue politische Kraft an die Macht, die sich im politischen Alltag unerfahren vermutlich aufreiben wird.

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