Lettland kämpft zur Zeit mit dem Staatsbankrott. Ursache dafür ist einerseits die weltweite Finanzkrise, aber viele Probleme sind auch hausgemacht. Seitdem dieses Versagen offensichtlich geworden ist, demonstriert auch die politische Elite den vollständigen politischen Bankrott.
Die derzeitige wirtschaftliche, soziale und politische Situation im Lande weist alle Merkmale auf, die in den 30er Jahren nicht nur in Lettland zu Putschen und einer autoritären Herrschaft geführt haben. Die Politik hat über Jahre nichts unternommen, die gegenwärtige Krise zu verhindern oder ihr Eintreten abzuschwächen – ganz im Gegenteil. In Angesicht der Wirtschaftskrise ist die Politik nicht in der Lage, Politikangebote zu machen. Während der Regierungschef noch versucht, den endgültigen Staatsbankrott zu verhindern, offenbart der Finanzminister seine Unfähigkeit aus Gründen der fachlichen Kompetenz wie auch seiner Fremdsprachenkenntnisse, den Prozeß der Unterstützung wenigstens zu verwalten. Der Innenminister ist nicht in der Lage, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen – und bezieht sich nicht nur auf die Randale vom 13. Januar. Parteien und Politiker rennen wie aufgescheuchte Hühner auf der politischen Bildfläche hin und her. Man übertrifft sich verschiedensten Ankündigungen von Beschlüssen und Reformen auch im politischen System, die zum Teil schon lange diskutiert wurden, aber von der Politik immer auf die lange Bank geschoben wurden. Das betrifft die parteipolitische Zusammensetzung des Kabinetts, die Aufteilung der Ressortzuständikeiten, das Wahlsystem und die Möglichkeiten der Staatsorgane zur gegenseitigen Kontrolle, konkret: die Frage der Parlamentsauflösung.
Der politische Bankrott kommt aber nicht überraschend, er hatte sich angekündigt. Während die plötzlich in wiedererlangter Unabhängigkeit regierenden Politiker, die gar keine Erfahrung mit Demokratie und Marktwirtschaft hatten, noch während der 90er Jahre bedauerliche, aber doch partiell verzeihliche Fehler machten, die auch die frühere litauische Ministerpräsidentin, Kazimiera Prunskienė, als Kinderkrankheiten bezeichnete, schickten sie sich später eben weder an, aus ihren Fehlern zu lernen, noch zeigten sie oft Bereitschaft, demokratische Spielregeln zu beachten.
Der Skandal mit den in Liechtenstein verschwundenen drei Millionen Lat im Rahmen des Zusammenbruchs der Banka Baltija, könnte tatsächlich ein dummer Unfall gewesen sein, der geschehen konnte, weil niemand ordentlich aufgepaßt hat. Die Summe ist auch eher als Peanuts zu bezeichnen. Aber es ging um den moralischen Schaden.
Die Schwierigkeiten der Regierungsbildung 2004 ließen erstmalig aufhorchen. Sogar Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga protestierte seinerzeit, es könne schlechterdings nicht sein, daß ein Parlament, in dem zwei Drittel der Abgeordneten liberalkonservative – oder besser lettisch national –orientierte Parteien vertreten, außer Stande sind, eine Koalition zu bilden. In dieser Form ermahnt einigten sich die politische Parteien auf eine Minderheitsregierung – die kurzlebigste seit 1991 überhaupt. Freilich ging es damals weniger um politische Meinungsverschiedenheiten als um persönliche Animositäten. Wer läßt wen an welchen Töpfen teilhaben, wer zeigt mit nacktem Finger auf angezogene Leute und wer spricht aus, daß der Kaiser nackt ist.
Die Ignoranz gesetzlich festgelegter und demokratischer Verfahren wurde dann mit dem Jūrmalgeit-Skandal 2006 deutlich. Einigen Parteien und Politkern schien es zu riskant, in Jūrmala den Posten des Bürgermeisters auf “normale” Weise zu besetzen. Tragischerweise wurde dies öffentlich. Aber die Politiker saßen diesen Skandal aus.
Daß die regierende Koalition ein gutes Jahr später gerne jemanden in die Rigaer Burg wählen wollten, der ihnen genehmer ist als die scheidende Präsidentin, mag dahingestellt sein. Auch in anderen Staaten wählt keine Partei einen politischen Gegner in ein wichtiges Staatsamt. Und das erlaubt die Verfassung den Regierungsparteien. Aber mußte der Angeordnete Jänis Lagzdiņš anschließend vom Fenster des Abgeordnetenhauses der Bevölkerung wirklich den sprichwörtlichen Stinkefinger zeigen? Die Wahl des Präsidenten ist schließlich keine Mittelstufenfete.
Gegenwärtig wissen die Politiker nicht mehr so recht, was sie tun sollen. Da das Parlament sich nicht selbst auflösen kann, bleibt ihnen nur eine Möglichkeit des Handelns offen – eine Regierungsumbildung. Dies wiederum geht nur unter Beteiligung der Schmuddelkinder – also des „prorussischen“– Harmoniezentrum oder dem – streng Korrektheit einfordernden – bösen Onkels von der Neuen Zeit. Und diese Entscheidung findet unter Ungewißheit statt: Was nun wird dieser unberechenbar gewordene Präsident als nächstes tun? Gegen den Buchstaben der Verfassung hat er bislang nicht verstoßen und die politischen Parteien verboten oder das Parlament vollständig suspendiert. Den Geist seines Amtes hat er allerdings besonders nach dem 13. Januar nicht besonders Ernst genommen.
Doch dies gilt für die Koalitionäre ebenso. Die Idee, das Kabinett zu verkleinern, ist nicht neu. Zwei Portfolios für besondere Aufgaben ohne bürokratischen Unterbau wurden bereits liquidiert. Während aber das Verkehrsministerium, dem mit Ainārs Šlesers einer der bislang einflußreichsten Persönlichkeiten nicht angetastet werden soll, obwohl eine Zusammenlegung mit der Wirtschaft inhaltlich nachvollziehbar und gangbar wäre, wehrt sich die Union aus Grünen und Bauern gegen eine Vereinigung des Landwirtschaftsressorts mit der Umwelt. Argument: Dies sei nicht gut für die Umwelt, die Bauern könnten lauter brüllen. Fragt sich nur, wie es auf Parteitagen dieser politischen Kraft zugeht. Aber damit nicht genug: es wurde sogar vorgeschlagen, das Innenministerium und die Justiz zu koppeln. Nicht zu fassen!
Die nächste Frage ist außerdem, ob Ministerpräsident Godmanis noch Lust hat, mit diesen oder auch anderen Parteien weiterzuregieren. Und wenn nein, wer soll es dann machen? Die im Dezember für eine zweite Amtszeit bestätigte Chefin des Rechnungshofes – der auf Lettisch pikanterweise “Staatskontrolle” heißt, Inguna Sudraba, wird immer wieder genannt. Sie war bereits während ihrer ersten Amtszeit eine politischere Persönlichkeit, als es das Amt für gewöhnlich vorsieht.
Daß es noch zu keinem Umsturz gekommen ist, liegt wohl begründet in der Alternativlosigkeit. Wohin sollte das bankrotte demokratische System stürzen? Jedwede Abkehr von einer wenigstens formalen Denmokratie ist für Lettland als Mitglied von NATO und EU nicht vorstellbar.
Die derzeitige wirtschaftliche, soziale und politische Situation im Lande weist alle Merkmale auf, die in den 30er Jahren nicht nur in Lettland zu Putschen und einer autoritären Herrschaft geführt haben. Die Politik hat über Jahre nichts unternommen, die gegenwärtige Krise zu verhindern oder ihr Eintreten abzuschwächen – ganz im Gegenteil. In Angesicht der Wirtschaftskrise ist die Politik nicht in der Lage, Politikangebote zu machen. Während der Regierungschef noch versucht, den endgültigen Staatsbankrott zu verhindern, offenbart der Finanzminister seine Unfähigkeit aus Gründen der fachlichen Kompetenz wie auch seiner Fremdsprachenkenntnisse, den Prozeß der Unterstützung wenigstens zu verwalten. Der Innenminister ist nicht in der Lage, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen – und bezieht sich nicht nur auf die Randale vom 13. Januar. Parteien und Politiker rennen wie aufgescheuchte Hühner auf der politischen Bildfläche hin und her. Man übertrifft sich verschiedensten Ankündigungen von Beschlüssen und Reformen auch im politischen System, die zum Teil schon lange diskutiert wurden, aber von der Politik immer auf die lange Bank geschoben wurden. Das betrifft die parteipolitische Zusammensetzung des Kabinetts, die Aufteilung der Ressortzuständikeiten, das Wahlsystem und die Möglichkeiten der Staatsorgane zur gegenseitigen Kontrolle, konkret: die Frage der Parlamentsauflösung.
Der politische Bankrott kommt aber nicht überraschend, er hatte sich angekündigt. Während die plötzlich in wiedererlangter Unabhängigkeit regierenden Politiker, die gar keine Erfahrung mit Demokratie und Marktwirtschaft hatten, noch während der 90er Jahre bedauerliche, aber doch partiell verzeihliche Fehler machten, die auch die frühere litauische Ministerpräsidentin, Kazimiera Prunskienė, als Kinderkrankheiten bezeichnete, schickten sie sich später eben weder an, aus ihren Fehlern zu lernen, noch zeigten sie oft Bereitschaft, demokratische Spielregeln zu beachten.
Der Skandal mit den in Liechtenstein verschwundenen drei Millionen Lat im Rahmen des Zusammenbruchs der Banka Baltija, könnte tatsächlich ein dummer Unfall gewesen sein, der geschehen konnte, weil niemand ordentlich aufgepaßt hat. Die Summe ist auch eher als Peanuts zu bezeichnen. Aber es ging um den moralischen Schaden.
Die Schwierigkeiten der Regierungsbildung 2004 ließen erstmalig aufhorchen. Sogar Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga protestierte seinerzeit, es könne schlechterdings nicht sein, daß ein Parlament, in dem zwei Drittel der Abgeordneten liberalkonservative – oder besser lettisch national –orientierte Parteien vertreten, außer Stande sind, eine Koalition zu bilden. In dieser Form ermahnt einigten sich die politische Parteien auf eine Minderheitsregierung – die kurzlebigste seit 1991 überhaupt. Freilich ging es damals weniger um politische Meinungsverschiedenheiten als um persönliche Animositäten. Wer läßt wen an welchen Töpfen teilhaben, wer zeigt mit nacktem Finger auf angezogene Leute und wer spricht aus, daß der Kaiser nackt ist.
Die Ignoranz gesetzlich festgelegter und demokratischer Verfahren wurde dann mit dem Jūrmalgeit-Skandal 2006 deutlich. Einigen Parteien und Politkern schien es zu riskant, in Jūrmala den Posten des Bürgermeisters auf “normale” Weise zu besetzen. Tragischerweise wurde dies öffentlich. Aber die Politiker saßen diesen Skandal aus.
Daß die regierende Koalition ein gutes Jahr später gerne jemanden in die Rigaer Burg wählen wollten, der ihnen genehmer ist als die scheidende Präsidentin, mag dahingestellt sein. Auch in anderen Staaten wählt keine Partei einen politischen Gegner in ein wichtiges Staatsamt. Und das erlaubt die Verfassung den Regierungsparteien. Aber mußte der Angeordnete Jänis Lagzdiņš anschließend vom Fenster des Abgeordnetenhauses der Bevölkerung wirklich den sprichwörtlichen Stinkefinger zeigen? Die Wahl des Präsidenten ist schließlich keine Mittelstufenfete.
Gegenwärtig wissen die Politiker nicht mehr so recht, was sie tun sollen. Da das Parlament sich nicht selbst auflösen kann, bleibt ihnen nur eine Möglichkeit des Handelns offen – eine Regierungsumbildung. Dies wiederum geht nur unter Beteiligung der Schmuddelkinder – also des „prorussischen“– Harmoniezentrum oder dem – streng Korrektheit einfordernden – bösen Onkels von der Neuen Zeit. Und diese Entscheidung findet unter Ungewißheit statt: Was nun wird dieser unberechenbar gewordene Präsident als nächstes tun? Gegen den Buchstaben der Verfassung hat er bislang nicht verstoßen und die politischen Parteien verboten oder das Parlament vollständig suspendiert. Den Geist seines Amtes hat er allerdings besonders nach dem 13. Januar nicht besonders Ernst genommen.
Doch dies gilt für die Koalitionäre ebenso. Die Idee, das Kabinett zu verkleinern, ist nicht neu. Zwei Portfolios für besondere Aufgaben ohne bürokratischen Unterbau wurden bereits liquidiert. Während aber das Verkehrsministerium, dem mit Ainārs Šlesers einer der bislang einflußreichsten Persönlichkeiten nicht angetastet werden soll, obwohl eine Zusammenlegung mit der Wirtschaft inhaltlich nachvollziehbar und gangbar wäre, wehrt sich die Union aus Grünen und Bauern gegen eine Vereinigung des Landwirtschaftsressorts mit der Umwelt. Argument: Dies sei nicht gut für die Umwelt, die Bauern könnten lauter brüllen. Fragt sich nur, wie es auf Parteitagen dieser politischen Kraft zugeht. Aber damit nicht genug: es wurde sogar vorgeschlagen, das Innenministerium und die Justiz zu koppeln. Nicht zu fassen!
Die nächste Frage ist außerdem, ob Ministerpräsident Godmanis noch Lust hat, mit diesen oder auch anderen Parteien weiterzuregieren. Und wenn nein, wer soll es dann machen? Die im Dezember für eine zweite Amtszeit bestätigte Chefin des Rechnungshofes – der auf Lettisch pikanterweise “Staatskontrolle” heißt, Inguna Sudraba, wird immer wieder genannt. Sie war bereits während ihrer ersten Amtszeit eine politischere Persönlichkeit, als es das Amt für gewöhnlich vorsieht.
Daß es noch zu keinem Umsturz gekommen ist, liegt wohl begründet in der Alternativlosigkeit. Wohin sollte das bankrotte demokratische System stürzen? Jedwede Abkehr von einer wenigstens formalen Denmokratie ist für Lettland als Mitglied von NATO und EU nicht vorstellbar.
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