Samstag, 14. März 2009

Gerüchteküche, Verschwörungstheorien und Wichtigtuerei

Im Friseursalon wird viel erzählt, am Stammtisch auch. So entstehen schnell Gerüchte.

Nicht nur in Lettland fehlen vielen Menschen die Kenntnisse in Politik und Wirtschaft, um Informationen aus diesem Bereich kritisch zu bewerten. Und so wird schon mal gerne dem geglaubt, was einfach klingt und was vor allem auch danach klingt, daß jemand konkretes über uns entscheidet.

So verbreitet sich in Lettland wellenartig die Überzeugung, daß zum Beispiel ganz bestimmt im Herbst der Lat abgewertet werde. Diese Information hat man dann von der Friseuse oder einem Vereinskumpan, der letztes Wochenende mit Bänkern in der Sauna war oder bei Freunden irgendwelche Verwandte hoher Tiere im Staat getroffen habe.

Das alles ist nichts Neues. Und Lettland unterscheidet sich an dieser Stelle nur dadurch von anderen Staaten, daß man hier dafür schon einmal verhaftet werden kann.

In Westeuropa gab es auch Euroskeptiker, die sich jüngst wieder zu Wort melden und den Zusammenrbuch des Euroraums prognostizieren. Freilich, niemand kann so etwas grundsätzlich ausschließen. Aber entgegenzusetzen wäre diesem Szenario, mit welchen Problemen in der Krise Politik und Wirtschaft konfrontiert wären, gäbe es die Währungsunion nicht. Erinnert sei hier, warum Frankreich und Deutschland in den 70er Jahren, kurz nach dem Zusammenbruch des Goldstandards von Bretton Woods die das Europäische Währungssystem mit der Rechnungseinheit ECU eingeführt haben.

Die Kritiker sollten also nicht nur ein Schreckensszenario voraussehen, sondern dieses auch konsequent weiter denken, also skiziieren, was nach dem allfälligen Zusammenbruch passiert.

Der an der Hochschule Ventspils lehrende Ökonom, Dmitrij Smirnow, war es, welcher für seine Ankündigung einer Abwertung des Lats und der Empfehlung an die Bevölkerung, ihr Vermögen besser in ausländischen Währungen zu halten, 48 Stunden festgehalten worden war.

Nun erklärt derselbe Mann, Lettland werde im Herbst 50% Arbeitslosigkeit verzeichnen und es sei vernünftig, einen Default zu verkünden, also die weitere Bedienung der Verbindlichkeiten zu verweigern und zur Naturalwirtschaft zurückzukehren. Die EU sei keine Rettung für das Land, denn mehr noch als im Westen Sorgen um den Bestand der Währungsunion bestehen, wird nach Ansicht Smirnows die ganze Europäische Union in zwei bis drei Jahren zusammenbrechen.

Freilich, auch dies ist nicht generell auszuschließen. Und genauso wenig ist auszuschließen, daß im Rahmen von sozialen Unruhen, dem Kampf um Wasser und Enegrie in einem vergleichbaren Zeitraum der Dritte Weltkrieg ausbricht. Aber vielleicht ist auch ein Atomkrieg zwischen Israel und dem Iran der Auslöser.

Es steht außer Frage, daß nicht nur Lettland und Europa, sondern die ganze Welt derzeit in einer Krise steckt, deren Tiefe und Dauer niemand absehen kann.

Daß in Lettland viele zur Naturalwirtschaft zurückkehren werden, ist ebenfalls sehr wahrscheinlich. Zu Sowjetzeiten gab es viel nicht, darum haben die Menschen ihre eigenen Gurken und Tomaten gezüchtet. Jetzt haben viele kein Geld mehr, dafür aber Zeit.

Neuerliche Ausschreitungen in Lettland sind denkbar wie sie auch in anderen Ländern geschehen können. Trotzdem sollte ein Experte die Kirche im Dorf lassen. Was hätten die 27 EU-Staaten davon, diese Staatengemeinschaft aufzulösen und statt dessen eine Kirchturmpolitik zu betreiben? Und wer soll der erste sein, der einen solchen Schritt zu vollziehen wagt? Es gibt für einen Konfrontationskurs weder in der politischen Elite noch in der Bevölkerung im Gegenteil zu den 30er Jahren beängstigende Tendenzen.

Daß in der Eurozone die Stärkeren für die Schwächeren aufkommen, ist eine triviale Erkenntnis. Wenn dies das Sterbeglöckchen eines Modells sein sollte, welches über Jahrzehnte aufgebaut wurde, könnte sich mit diesem Argument auch Bayern von Deutschland unabhängig erklären und in den USA ein neuer Bürgerkrieg ausbrechen, diesmal um die Frage, wer noch Dollar verdienen darf und wer nicht, vom Ende des Bundesstaates auf dem indischen Subkontinet ganz zu schweigen, wo es entschieden mehr Konfliktpotential gibt

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