Samstag, 4. April 2009

Polizei, Freund und Helfer und ... Übel?

Die Polizei soll für Ordnung sorgen, sowohl prophylaktisch als auch ermittelnd. Wie erleben die Menschen in Lettland die Polizei und was erlebt die Polizei selbst in der Krise?

Das lettische Radio berichtete jüngst von einem Autorfahrer, der sich wohl demnächst gezwungen sieht, mehrere hundert Lat Strafe zu bezahlen und die theoretische Führerscheinprüfung zu wiederholen. Grund dafür ist, daß er nach eigenen Angaben an einer unübersichtlichen Kreuzung in Richtung Vecāķi – ein Vorort von Riga nahe der Daugavamündung – mehrfach von der Polizei angehalten worden sei. Ein Polizist habe ihm ganz offen vom Hinweis eines Vorgesetzten berichtet: wo keine Sünder bestraft würden, werde es auch keine Arbeitsplätze für Polizisten geben: Der Fahrer unterstellt nun, daß die Polizei lieber an kritischen Stellen abkassiere, als über selbige Meldung an die Verwaltung zu erstatten, damit die Verkehrsführung verbessert werden kann. Gegen die Strafe klagen werde er aber nicht, weil das nur Geld und Nerven koste.

Zwar gab es, besonders unter Ausländern schon in der Vergangenheit wenig Positives über die Verkehrspolizei und deren Korrumpiertheit zu berichten. Der nun erhobene Vorwurf entbehrt aber nicht einer gewissen Fragwürdigkeit, denn die Verkehrspolizei könnte in Riga umfangreich zur Kasse bitten, da es beinahe nirgends an Verstößen mangelt. Oft wird der Wechsel der Fahrtrichtung oder auch der Spur nicht angezeigt. Gerne wird an großen Kreuzungen mit langen Wartezeiten für Linksabbieger statt dessen rechts abgebogen, um anschließend an der roten Ampel der kreuzenden Straße vor dem ersten dort wartenden Fahrzeug stehen zu blieben.

Ein weiteres Problem ist freilich, daß sich einer Mißachtung der Straßen- verkehrs- ordnung gerne auch die Polizei selbst schuldig macht. Manchmal ist sogar nicht schlüssig, warum ein Streifenwagen plötzlich vor einer roten Ampel Blaulicht und / oder Sirene einschaltet.

Ein Moderator der Verkehrssendung Zebra meint, die Autofahrer müßten sich selbstverständlich wehren. Wer Ordnung wolle, müsse auch für diese kämpfen. Nichts geschehe von alleine, und darum sei es manchmal sogar sinnvoll, wegen zehn Lat zu streiten.

Der Chef der Verkehrspolizei, Edmunds Zivtiņš, widerspricht dem eingangs zitierten Polizisten. Es gäbe keine derartigen Anweisungen. Die Höhe der Strafe hinge beispielsweise davon ab, wie häufig der konkrete Kraftfahrer bereits vorher aufgefallen sei und wie sehr er seine Dokumente in Ordnung habe.

Die neue Innenministerin, Linda Mürniece, hat im Rahmen der Verhandlungen über die vorzunehmenden Haushalteskürzungen jedenfalls betont, sie werde keine Kürzungen der Einkommen des operativen Dienstes zulassen.

Das könnte auch als bitter nötig bezeichnen werden, denn eine schlechter bezahlte Polizei wird nicht motivierter arbeiten. Und wenn die Gelder für Kraftstoff gekürzt werden, droht eine verschlechterte Einsatzfähigkeit. Das aber ist in der Krise ebenfalls ein Problem. Denn die Zahl von Verbrechen und auch Gewaltanwendung ohne räuberische Absichten hat sich erhöht.

Im März wurden im Park Esplanāde zwei zusammengeschlagene junge Männer gefunden. Einer von ihnen, erst 20 Jahre alt, verstarb später im Krankenhaus. Eine aus Aizkraukle stammende Gruppe von fünf jungen Männern hatten an diesem Tag noch mindestens 20 weitere Personen überfallen. Da es sich, wie die Polizei erklärte, nicht um Personen mit körperlicher Überlegenheit handelte, bewaffneten sie sich und überfielen an der Oper sogar eine Frau. Bald darauf konnten zwei der Täter auf frischer Tat im Park verhaftet werden, während die verbliebenen in Aizkraukle festgenommen wurden. Ein Mann versuchte durch einen Sprung aus dem Fenster im dritten Stock zu fliehen.

Eine vergleichbare Gruppe von Gewalttätern reiste aus Saurieši an und überfiel Passanten in Purvciems und anderen Wohnsiedlungen.

Die Polizei konstatiert darüber hinaus eine generelle Zunahme von Gewalt. Im Januar wurde in Saulkalne eine Verkäuferin ermodert. Der später verhaftete 28jährige Täter gab an, die Frau wegen eines Streites ermordet habe und erst anschließend auf die Idee gekommen zu sein, die Kasse zu rauben. Im März war in einer Rigaer Vorstadt eine 67jährige Damen in ihrer Wohnung mit der Axt erschlagen worden. Wie sich später herausstellte, war die Täterin eine gleichaltrige Bekannte, die so offenbar einen alten Konflikt beendete und anschließend 100 Lat stahl.

Vor wenigen Wochen hatte das Radio bereits berichtet, daß die Menschen zunehmend Angst haben, Opfer einer Gewalttat zu werden und deshalb alleine und in der Dunkelheit nicht mehr unterwegs seien.

Keine Kommentare: