Die Anti-Korruptionsbehörde kommt nicht aus den Schlagzeilen. Ein Brief der Mitarbeiter fordert nun die Entlassung des Chefs Normunds Vilnītis. Nachdem die Regierung zögerlich reagierte und einen „Vermittlungsausschuß“ anrufen will, haben nun die beiden Stellvertreter Juta Strīķe und Alvis Vilks angekündigt, daß sie nach einem halben Jahr der Kompromißsuche die Behörde verlassen werden, wenn der Chef nicht ausgewechselt wird. Es wurde allerdings von verschiedenen Seiten der Verdacht geäußert, die Mitarbeiter hätten auf Druck ihrer Abteilungsleiter unterschrieben.
Juta Strīķe war mehrfach in den vergangenen Jahren als Kandidatin für die Führung der Behörde im Gespräch, konnte sich aber unter den Abgeordneten, die diese Position durch Wahl besetzen, nie durchsetzen.
Dies ereignet sich vor dem Hintergrund, daß die Listenkoalition aus Lettlands Weg / Lettlands Erster Partei und der Volkspartei gerade einen Prozeß gegen einen Beschluß der Behörde von vor mehreren Jahren vor dem Verwaltungsgericht verloren hat. Beide Parteien hatten bei den Wahlen zur 9. Saeima 2006 gegen die Vorschriften zur Deckelung der Wahlkampfausgaben verstoßen. Statt der erlaubten 279.000 Lats waren mehr als 700.000 ausgegeben worden. Den überzogenen Betrag, fordert die Anti-Korruptionsbehörde, müßten die Parteien an die Staatskasse entrichten.
Die sich Für ein gutes Lettland nennende Listenkoalition erklärt, über diese Summe nicht zu verfügen, wofür spricht, daß die Partei seit den Wahlen keinen einzigen Santīms gespendet bekommen hat. Eine staatliche Parteienfinanzierung gibt es in Lettland nach wie vor nicht. Aber abgesehen davon behaupten nun die beiden Parteien, sie seien nicht Rechtsnachfolger der beiden 2006 angetretenen Parteien. Das stimmt formaljuristisch insofern, als zur Förderung größerer Transparenz in der Parteienfinanzierung jüngst eine Umregistrierung von allen politischen Kräften gefordert worden war, Für ein gutes Lettland sich also als neue politische Kraft betrachten darf.
Zunächst einmal hat Für ein gutes Lettland Berufung gegen das Urteil eingelegt. Das Gericht erklärte jedoch, daß auf diese Weise der Sinn der Umregistrierung ad absurdum geführt werde.
Nach den Wahlen von 2006 hatte sich eine von der Volkspartei geführte Regierung mit der Anti-Korruptionsbehörde zerstritten und Ministerpräsident Kalvītis hatte deren Leiter, Andrejs Loskutovs, absetzen wollen. Dies war im Herbst 2007 der Anlaß der sogenannten Regenschirmrevolution, als erstmals seit der Umbruchzeit gegen Ende der Sowjetunion Massendemonstrationen stattfanden, die den damaligen Regierungschefs zum Rückzug von seinem Schritt wie auch schließlich zum Rücktritt vom Amt veranlaßten.
Eine der Forderungen der Regenschimrrevolution war die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Das war damals aber nur auf Initiative des Präsidenten möglich, der in einem Referendum bei negativem Ergebnis sein eigenes Amt verloren hätte. Daß das Wahlergebnis aufgrund von Gesetzesverletzungen zustande gekommen war, hätte allerdings auf juristischem Weg eine Annulierung des Wahlergebnisses zur Folge haben sollen. Einen entsprechenden Beschluß hatte das Oberste Gericht auch gefaßt. Da dieses jedoch erst mehr als zwei Jahre nach dem Urnengang erging, zeitigte es auch auf europäischer Ebene keine Folgen.
Loskutovs wurde wegen Unregelmäßigkeiten dennoch im darauffolgenden Jahr abgesetzt und sitzt jetzt für die größte Regierungspartei im Parlament.
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