Donnerstag, 13. Februar 2014
Politische Rochade in Estland?
Böse Zungen haben den Vergleich mit Medwedew und Putin in Rußland bereits gezogen! In der estnischen Politik könnte sich dieses Jahr ein fliegender Ämterwechsel vollziehen zwischen Ministerpräsident Andrus Ansip und Europakommissar Siim Kallas.
Ansip würde im kommenden Jahr sein zehnjähriges Jubiläum im Amt feiern, müßte dafür aber auch die anstehenden Wahlen im März 2015 gewinnen. Das könnte ihm schwer fallen, weil in seiner langen Regierungszeit – ein einmaliger Rekord im gesamten postsozialistischen Raum – die Bevölkerung seiner langsam überdrüssig wird, und nicht nur das. Es gibt handfeste Proteste aus breiten Bevölkerungssschichten wie auch von intellektueller Seite. Im Herbst 2012 wurde intensiv vor dem Parlament in Tallinn demonstriert. Eine ehemalige Weggefährtin und Parteifreundin von Kallas und Ansip, die Europaabgeordnete Kristiina Ojuland, die unter Kallas als Außenministerin diente, warf ihrer alten Partei vor, vom Namen Reformpartei sei nur noch die Hülle übrig geblieben und schickt sich an, eine neue Partei ins Leben zu rufen.
Der frühere Ministerpräsident und Gründer der Reformpartei, Siim Kallas, war nun zehn Jahre lang für Estland in der EU-Kommission und kann sich eine Rückkehr in die Heimat vorstellen. Darum schickte er kürzlich einen Brief an seine Parteifreunde mit dem Vorschlag, er sei bereit das Amt des Regierungschefs erneut zu übernehmen, um die estnische Präsidentschaft der EU im Jahre 2018 vorzubereiten. Andrus Ansip wiederum könnte nach Brüssel wechseln. Dieser Vorschlag könnte deshalb von Kallas kommen, weil es hinter den Kulissen heißt, Ansip wolle sich nicht selbst vorschlagen. Ansip aber hatte dafür Kallas schon vorher als seinen Nachfolger vorgeschlagen, da Estland bis zur EU-Präsidentschaft einen erfahrenen Regierungschef brauche, ohne gleichzeitig einen Termin für seinen eigenen Rücktritt zu nennen.
Hindernisse auf dem Weg zu einer solchen Rochade bestehen dennoch. Erstens war Kallas bereits einmal Regierungschef, und zweitens wurde bislang der jüngere Außenminister Urmas Paet ebenfalls als möglicher Nachfolger von Ansip gehandelt.
Darüber hinaus befindet sich die Reformpartei derzeit in einer Koalition mit der Konservativen Vaterlandsunion, die gerne selber den Europakommissar stellen würde und bei einer eventuellen neuen Regierungsbildung unter einem anderen Regierungschef eventuell generell das Nachsehen haben könnte, wenn sich die Reformpartei einen anderen Partner sucht, der im Parlament umgekehrt für die Konservativen nicht in Sicht ist. Beide Oppositionsparteien, die Sozialdemokraten und die Zerntrumspartei, äußerten sich zwar zurückhaltend über Kallas’ mögliche Rückkehr, charakterisierten ihn aber als umgänglicher und kompromomißorietierter im Vergleich zu Ansip und böten sich entsprechend als Koalitionspartner auch für eine neue Regierung an.
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