Über die Krise und die wirtschaftliche und soziale Situation in Lettland wurde bereits bereichtet. Es gibt inzwischen Tafeln wie in Deutschland und es gibt “soziale Werbung”, etwa eine Plakataktion mit einem halb mit Lebensmitteln bedeckten und halb leeren Teller nebst der Aufschrift, man möge nicht halb Lettland hungrig zu Bett gehen lassen.
Die Probleme der Privathaushalte lassen sich jedoch nicht nur daran und an wieder steigenden Auswanderungszahlen erkennen; vor Beginn des Winters machen sich die Schulden einzelner Mieter auch für deren Nachbarn unangenehm bemerkbar.
Es ist Mitte Oktober und in Riga wird es langsam so kühl, daß sich abendlich der Wunsch einstellt, die Heizung einzuschalten. In vielen Merhfamilienhäusern und vor allem in den Blockhäusern aus der Sowjetzeit wurde die Heizperiode allerdings schon früher von der Stadtverwaltung festgelegt. Nun aber gibt es zahlreiche Mieter, die noch aus dem Vorjahr Schulden bei den Heizkosten haben. Und darunter leiden alle Mitbewohner, denn auch wenn die Stadtverwaltung versprochen hat, kein Gebäude im Winter unbeheizt zu lassen, bedeutet die Nachbarschaft zu einem Schuldner, daß das eigene Haus erst später berücksichtigt wird und auf dem Lande, wie das lettische Radio jüngst berichtete, möglicherweise mancherorts überhaupt nicht berücksichtigt wird.
Nun hat das Radio als weiteres Beispiel die Mieter eines Hauses in der Valdemāra Straße besucht. Von 50 Parteien haben in dem Gebäude zwei ihre Heizkosten des letzten Winters nicht beglichen; bei einem beläuft sich die Summe auf mehr als anderthalb Tausend Lat, das sind deutlich mehr als zweitausend Euro. In Anwesenheit der Journalisten wurde versucht, den Schuldner zur Rede zu stellen, doch der öffnete die Wohnungstür nicht.
Auch beim Besuch im Büro der Hausverwaltung in einem anderen Gebäude konstatieren die Reporter, daß es wegen Schuldner im selben Haus nach wie vor kalt ist. Die Hausverwaltung will nun endlich juristisch gegen die Schuldner vorgehen, doch ein Gerichtstermin stehe noch nicht fest. Einstweilen würde die Verwaltung gerne selbst einen Kredit aufnehmen, um die Schulde zu begleichen, doch ob dies gestattet wird, hat die Stadtverwaltung noch nicht bestätigt. Rücklagen für einen solchen Fall wurden nicht gebildet.
Hier macht sich bemerkbar, daß die Privatisierung in Lettland nicht konsequent durchgeführt werde. Die Wohnungen wurden durch Vpucher nach der Unabhängigkeit privatisiert, aber es sind keine Wohnungseigentümergemeinschaften der Parteien eines konkreten Gebäudes entstanden. Vielfach verwaltet eine in kommunaler Hand befindliche Institution gleich ganze Stadtviertel.
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