Donnerstag, 3. März 2011

Rücktritt oder nicht Rücktritt, das ist hier die Frage

Die lettische Innenministerin Linda Mūrniece von der Parteienkoalition Einigkeit versieht ihr Amt, seit Valdis Dombrovskis im März 2009 Regierungschef wurde. Das Ministerium gilt nicht nur jetzt, sondern war schon in den Boomjahren nach dem EU-Beitritt das „ärmste“. Dies ist insofern von Bedeutung, als das für die innere Sicherheit zuständige Ministerium Dienstherr der diversen operativen Dienste ist. Und daß deren Mitarbeiter schlecht verdienen, weiß im Lande jeder. Daher ja auch das weit verbreitete und nicht unbegründet Vorurteil, die Polizei in Lettland sei korrupt.

Linda Mūrniece beschäftigte sich in ihrer Amtszeit mit verschiedenen Reformversuchen, zog aber auch viel Kritik auf sich, etwa als sie 2009 die Sondereinheit der Polizei, Alfa, in die lettische Provinzstadt Bauska schickte, um eine spontane Brückenblockade als Protest der Einwohner gegen die Krankenhausschließung aufzulösen. Ihre harten Kommentare zur nicht genehmigten Demonstration wurden auch hier kritisiert. Als jüngst Polizisten dieser Einheit an einem Überfall auf ein Spielcasino in einer anderen Kleinstadt beteiligt waren, wurde Alfa spontan abgeschafft. Erneut wurde Mūrniece kritisiert, sie habe ihren Apparat nicht im Griff. Trotz Rücktrittsforderungen blieb sie aber im Amt.

Kritisiert wurde auch die Vorführung der Tatverdächtigen vor Gericht. Da die zum Tatzeitpunkt getragene Kleidung polizeilich untersucht wird, wurden sie in in vorübergehend gestellten, aber in der Konfektionsgröße viel zu großen Kleidungsstücken und zusätzlich verbundenen Augen in den Saal gebracht. Auch Mitleid in Abrede stellend werteten dies ehemlige leitende Mitarbeiter der Polizei und Psychologen als unprofessionell.

Als aber nun vor kurzem in einem Internetvideo beobachtet werden konnte, wie zwei Polizisten in Riga ein Auto stehlen, war dies offenbar für die Innenministerin persönlich der Tropfen, der das Faß zum überlaufen brauchte. Sie reichte ein Rücktrittsgesuch ein – welches Ministerpräsident Dombrovskis aber nicht annahm.

Nun wird Mūrniece angeblich erst im Juni zurücktreten, wenn noch einige weitere Schritte der Polizeireform beendet wurden. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende des Koalitionspartner Union aus Grünen und Bauern, Augusts Brigmanis, zweifelte, ob der Schritt nicht eher damit zu begründen sei, daß es der Einigkeit an politischen Personal fehle, die Vakanz erneut zu besetzen. Schon seit der Regierungsbildung im November des letzten Jahres gibt es Konflikte, weil die Einigkeit mit Regierungschef und Parlamentspräsidentin nicht nur viele Ämter einnimmt, sonder der Koalitionspartner auch im Kabinett die schwierigeren Posten innehat – von der schwierigen inneren Sicherheit einmal abgesehen.

Experten weisen allerdings auch auf den Vorteil für die Union aus Grünen und Bauern hin, wenn die Einigkeit im Kabinett mit unpopulären Ministern vertreten ist. Linda Mūrniece wurde im Januar nach Umfragen noch von 45% der Befragten negativ bewertet. Im Februar waren es bereits 65%. Die Ablehnung, die der Ministerin entgegenschlägt, ist nicht neu. Im lettischen Wahlsystem mit lose gebundenen Listen war Mūrniece bei der Parlamentswahl im Oktober die Königin der ausgestrichenen Kandidaten ihrer Partei und verdankt ihr Parlamentsmandat – welches sie freilich als Ministerin ruhen lassen muß – nur dem Verzicht der Parteifreundin Vaira Paegle.

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