Dienstag, 27. November 2007

Deutsche Sprache, schwere Sprache

Das war in der Schulzeit ein geflügeltes Wort. Auch Klausuren waren meist schwer oder leicht, obwohl nie jemand beziffern konnte, wieviel Kilo die Kandidaten denn so wohl auf die Waage bringen. Sicher war jedenfalls, daß die Adjektive schwierig und einfach bereits vor über 20 Jahren ein Schattendasein führten. Einzug hielten damals auch die Verwendung der Präposition wegen mit dem Dativ - wegen des Dativs stirbt der Genitiv - wie auch die Unsitte, nach der Konjunktion „weil“ mit einem neuen Hauptsatz zu beginnen. Nichtsdestotrotz kann man nicht behaupten, daß die Sprache damit auch nur einen Deut unverständlicher geworden wäre. Und lebende Sprache verändern sich nun einmal.
Daß es in Deutschland einen Verein gibt, der sich mit diesem Thema beschäftigt, war mir unbekannt, als mir kürzlich in Riga dessen Zeitung zugetragen wurde. Selten habe ich ein so verbohrtes Blatt gelesen. Der Verein geißelt nicht nur die eingangs beschriebene Entwicklung der „richtigen“ Grammatik, sondern wendet sich insbesondere gegen Lehnworte. Damit steht die Frage auf dem Prüfstand, ob mit der Übernahme von Wörtern aus anderen Sprachen die eigene eigentlich ärmer oder nicht vielleicht doch auch bereichert wird.
„Baiser“ kann man in Deutschland essen, in Frankreich könnte das eher problematisch werden, selbst wenn sich die Liebenden zum Fressen gern haben. Die Russen haben Бутербротt („Buterbrot“) aus Deutschland importiert, schmieren sich dieses aber nicht zum Frühstück oder Abendessen, sondern sie erwerben es käuflich im Café. Рюкзак („Rjuksak“) dagegen ist in seiner Bedeutung in beiden Sprachen identisch.
Ähnliches gibt es auch anderswo. Die Engländer haben „Kindergarden“ übernommen und insbesondere im Süddeutschen sagt man seit den französischen Besatzungen häufig „Trottoir“; im Rheinland sind die „Fisematentchen“ (wie soll man das eigentlich schreiben?) aus der Zeit Napoleons übriggeblieben. Für Nicht-Rheinländer: dieses Wort leitet sich aus dem französischen „visit ma tent“ ab; die jungen Mädchen sollten den französischen Soldaten auf diese Einladung nicht folgen.
In der jüngeren Vergangenheit lebt kaum mehr jemand ohne Schaschlik (rus: Шашлык, lv: Šašliks, ee: Šašlõkk) und Pommes (was Esten und Letten mit „frikartul“ und „kartupeļi frī“ halb übersetzen) oder Hamburger. Da der Russe kein H am Anfang eines Wortes mag, heißt es hier „Gamburger“ wie eine deutsche Stadt „Gamburg“ (Гамбург). Dem Wort Hamburger kann man eine deutsche Bedeutung nicht abpsrechen, doch die Einwohner besagter Stadt könnten sich beleidigt fühlen, verwechselte man dies unziemlich. Und auch wenn Schranke ein deutsches Wort ist, werden manche vielleicht nicht begreifen, daß diese im vor allem Ruhrgebiet auch eßbar ist. Vielleicht gibt es deshalb in Rußland auch nur den „Schlagbaum“ (Шлагбаум). Natürlich ließe sich diese Liste beliebig fortsetzen und auf Sprachen ausdehnen, derer ich nicht mächtig bin.
Lehnwörter sind aber, die Sprache lebt eben, auch dem Wandel schonungslos ausgesetzt. So ist das „Portemonnaie“ mit der letzten Rechtschreibreform gehörig eingedeutscht worden. Und darum vielleicht als Bonmot am Rande: Die Esten haben in jahrhunderterlanger Herrschaft durch eine deutsche Oberschicht ebenfalls viele deutsche Lehnwörter. Da ihre Sprache sich mit den Zischlauten schwertut, wurden aus Schloß „loss“ und aus Strand „rand“ etc.
Lehnwörter für neue Phänomene oder Erfindungen bereichern eine Sprache zunächst erst einmal, denn es gibt dann mehr Wörter als vorher. Viele nennen ihren liebsten technischen Freund „Rechner“, was ja nur eine direkte Übersetzung von „Computer“ ist. Während der englische Muttersprachler aber nur das eine Wort hat, haben die deutschen Muttersprachler bereits ein Synonym.
Hochsprache und Rechtschreibung wiederum haben sich entwickelt, sie begründen sich auf die Bedeutung von Martin Luther und der späteren Notwendigkeit zur Einheitlichkeit. Ein Text von Friedrich dem Großen, dem man sicher nicht vorwerfen kann, ungebildet gewesen zu sein, ließt sich heute schwierig, obwohl das 18. Jahrhundert deutlich nach Luther war. Die Rechtschreibung war damals sowieso dem Gusto des Schreibenden überlassen, aber auch die Ausdrucksweise klingt komisch für heutige Ohren. Goethe lebte, bevor die Duden-Redaktion zu ihrer heutigen Bedeutung aufrückte, klingt aber für den Gegenwartskonsumenten eher gestelzt. Ein Text von Albrecht Dürer dagegen ist heute kaum noch verständlich.
Übrigens: Dieser Text ist konservativ in alter Rechtschreibung verfaßt!

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