Die Diskussion mit Kloty beginnt zu langweilen, weil ich mich nun wiederholen muß, aber auch deshalb, weil Kloty einige Argumentationen entweder nicht versteht oder nicht verstehen will. Für das Zitat von Egbert Jahn hätte ich wiederum gerne einen Beleg. Ich habe im Internet nichts Vergleichbares finden können, aber in Mannheim bereits angefragt.
Es ist schon möglich, daß Jahn in einer Diskussion oder Publikation die Diskussion über die EU-Verfassung pointiert kommentiert hat. Jedoch wird er es kaum so wörtlich gemeint haben, wie Kloty es zitiert. Die Sowjetunion war ein – auf dem Papier – föderaler Staat, die EU dagegen ist, trotz der Begriffsgleichheit UNION, was gerade im Baltikum vielen einfachen Menschen vor dem Beitritt Angst gemacht hat, eine supranationale Organisation. Die Angleichung von Normen innerhalb der EU geschieht auf Wunsch nationaler Regierung und Parlamente, ohne deren Unterstützung eine Umsetzung gar nicht möglich wäre. Und es gibt ja auch genug Ausnahmen. Nicht alle EU-Staaten haben den Euro, die Briten nicht einmal das metrische System, um nur zwei Beispiele zu nennen.Ich bin kein Freund von Argumentationen via Vergleichen, sondern der Ansicht, das Dinge aus sich heraus begründet werden sollten. Doch Kloty drängt mir dies auf. Gleichzeitig versteht er nicht, was eine Argumentation der Aufrechnung ist. Daß die Esten vorrechnen, welche Kosten die Okkupation erzeugt hat, ist ihr gutes Recht. Der Wohlstand der baltischen Staaten war im europäischen Vergleich vor der Okkupation größer als er es heute ist. Eine Aufrechnung hingegen liegt im Kleinreden der eigenen Sünden durch den Verweis auf die anderer. Dies hat Kloty mit dem Hinweis auf den Kolonialismus getan. Mir ist nicht bekannt, daß die Esten die Sünden der Sowjets gegen die der deutschen Oberschicht der Jahrhunderte zuvor aufrechneten oder gar mit den Sünden der Kolonialherren in anderen Gegenden der Welt verglichen. Kloty möchte doch bitte noch einmal erklären, was das Sprichwort, den Bock zum Gärtner zu machen, an dieser Stelle soll. Am besten schicke er einen Link zur Homepage des estnischen Außenministeriums. Vielleicht ist mir das Dokument ja entgangen.Folglich auch der fortgesetzte Parforceritt durch das internationale Recht. Also gut, nehmen wir an, wir kauften uns zwei Inseln, dann hätten wir zumindest ein Territorium, das ist einer von drei anerkannten Aspekten zur Definition eines Staates. Wir bräuchten also auch noch ein Volk und die Staatsgewalt. Das wäre gegeben, wenn irgendwelche Ureinwohner uns z. B. als ihren gottgegebenen Herrscher ansehen würden und wir tatsächlich herrschten. Das bezieht Verteidung mit ein, diese Eingebohrenen müßten also auch ein Heer bilden. Aber selbst wenn wir diesen ganzen Quatsch als gegeben annehmen, hätten wir noch immer nur Territorium erworben, welches politisch zu wenigstens einem existierenden Staat gehörte – oder wir kaufen zwei Inseln in zwei verschiedenen Staaten. Jedenfalls gibt es außer der Antarktis kein zu keinem Staat gehörendes Territorium auf der Erde. Alles dies verhält sich bei Estland und Sowjetrußland – die Sowjetunion gab es damals noch nicht – ganz anders, es handelt sich um politische Gebilde, welche auf dem Territorium eines existierenden Staates durch die revolutionäre Entmachtung der vorherigen Regierung entstanden sind. Lenin hat ja Rußland nicht gekauft und die Esten nicht Estland. Ganz im Gegenteil, sie haben sich ihre Freiheit in einem inländischen Krieg, nennen wir ihn ruhig Bürgerkrieg, hart erkämpft. Sowjetrußland anerkannte die baltischen Länder erst nach einer militärischen Niederlage! Hierzu ist auch der Briefwechsel mit Frau Jelpke interessant, wo sie als Vertreterin der Linken, Kloty ist ja nach eigenen Angaben auch links, nicht einmal diese Tatsache anerkennt. Also, noch einmal in einem Satz: Sowjetrußland stürzte die Regierung eines bestehenden Staates und verlor in einem Bürgerkrieg einen Teil seines Territoriums, was zunächst es selbst akzeptiert hat und dann vom Rest der Welt anerkannt wurde. Der Kauf von zwei Inseln ist also ein an den Haaren herbeigezogener Vergleich. Warum außerdem Inseln, warum nicht der Garten eines Reihenhauses? Abgesehen davon, wenn Sowjetrußland kein Staat war, dann ist ja wohl Kuba bis heute keiner, oder habe ich etwas falsch verstanden?Sowjetrußland anerkannte die Unabhängigkeit 1920 „für alle Ewigkeit“, die dann bekanntlich gerade einmal 20 Jahre währte, ein wenig länger immerhin als das tausendjährige Reich. Ein Verzicht auf die Bemühung der Friedensverträge von damals, die Kloty als Hinderungsgrund der Ratifizierung der Grenzverträge durch Rußland ansieht, hätte nun wieder bedeutet, der russischen Sichtweise zuzustimmen, daß die baltischen Republiken der Sowjetunion freiwillig beigetreten sind. Warum sollten die baltischen Staaten diesem Unsinn zustimmen?
Daß Problem Rußlands besteht darin, daß es in vielen Bereichen der Rechtsnachfolger der Sowjetunion ist, aus freien Stücken. Aber mehr noch liegt die Schwierigkeit darin, und das habe ich nun mehrfach betont, daß die Russen der Ansicht sind, die Sowjetunion sei im Recht gewesen. Warum anerkennt Rußland nicht seinerseits die Unrechtmäßigkeit der Okkupation, während die baltische Republiken der Macht des Faktischen, der Vernunft und dem Willen des Westens nachgeben und auf ihr Territorium verzichten. Die baltischen Länder haben genau dies getan, Rußland hingegen beharrt auf dem „nahen Ausland“. Kloty selbst hat den Vorschlag des Neuanfangs eingebracht gehabt. Ja und warum gilt das immer nur für die anderen?
Klotys Argumentation beruft sich mal auf angebliche Meinungen anderer, dann wieder auf die Macht des Faktischen und manchmal auf das Recht. Ein Schuh wird aus einer Argumentation aber erst, wenn man alles gleichzeitig berücksichtigt. Ich habe mal eine Diskussion mit einem Deutschen geführt, der meinte, Lettisch werde aussterben, weil kleine Sprachen von den Muttersprachlern in Zukunft zugunsten des Englischen aufgegeben werden. Meine Einwände, warum ich dieses Szenario für eher unwahrscheinlich halte, schob er beiseite mit dem Hinweis, daß ein solcher Schritt aber vernünftig sei und darum auch Ziel der Politik sein sollte. As ich ihm erklärte, daß Sprachen wesentliche Kulturträger sind und jede ausgestorbene für die Menschheit ein Verlust ist, konterte er wiederum damit, daß die kleinen Sprachen ja sowieso verschwinden. In solchen Diskussionen kommt man nicht weit.
Es ist schon möglich, daß Jahn in einer Diskussion oder Publikation die Diskussion über die EU-Verfassung pointiert kommentiert hat. Jedoch wird er es kaum so wörtlich gemeint haben, wie Kloty es zitiert. Die Sowjetunion war ein – auf dem Papier – föderaler Staat, die EU dagegen ist, trotz der Begriffsgleichheit UNION, was gerade im Baltikum vielen einfachen Menschen vor dem Beitritt Angst gemacht hat, eine supranationale Organisation. Die Angleichung von Normen innerhalb der EU geschieht auf Wunsch nationaler Regierung und Parlamente, ohne deren Unterstützung eine Umsetzung gar nicht möglich wäre. Und es gibt ja auch genug Ausnahmen. Nicht alle EU-Staaten haben den Euro, die Briten nicht einmal das metrische System, um nur zwei Beispiele zu nennen.Ich bin kein Freund von Argumentationen via Vergleichen, sondern der Ansicht, das Dinge aus sich heraus begründet werden sollten. Doch Kloty drängt mir dies auf. Gleichzeitig versteht er nicht, was eine Argumentation der Aufrechnung ist. Daß die Esten vorrechnen, welche Kosten die Okkupation erzeugt hat, ist ihr gutes Recht. Der Wohlstand der baltischen Staaten war im europäischen Vergleich vor der Okkupation größer als er es heute ist. Eine Aufrechnung hingegen liegt im Kleinreden der eigenen Sünden durch den Verweis auf die anderer. Dies hat Kloty mit dem Hinweis auf den Kolonialismus getan. Mir ist nicht bekannt, daß die Esten die Sünden der Sowjets gegen die der deutschen Oberschicht der Jahrhunderte zuvor aufrechneten oder gar mit den Sünden der Kolonialherren in anderen Gegenden der Welt verglichen. Kloty möchte doch bitte noch einmal erklären, was das Sprichwort, den Bock zum Gärtner zu machen, an dieser Stelle soll. Am besten schicke er einen Link zur Homepage des estnischen Außenministeriums. Vielleicht ist mir das Dokument ja entgangen.Folglich auch der fortgesetzte Parforceritt durch das internationale Recht. Also gut, nehmen wir an, wir kauften uns zwei Inseln, dann hätten wir zumindest ein Territorium, das ist einer von drei anerkannten Aspekten zur Definition eines Staates. Wir bräuchten also auch noch ein Volk und die Staatsgewalt. Das wäre gegeben, wenn irgendwelche Ureinwohner uns z. B. als ihren gottgegebenen Herrscher ansehen würden und wir tatsächlich herrschten. Das bezieht Verteidung mit ein, diese Eingebohrenen müßten also auch ein Heer bilden. Aber selbst wenn wir diesen ganzen Quatsch als gegeben annehmen, hätten wir noch immer nur Territorium erworben, welches politisch zu wenigstens einem existierenden Staat gehörte – oder wir kaufen zwei Inseln in zwei verschiedenen Staaten. Jedenfalls gibt es außer der Antarktis kein zu keinem Staat gehörendes Territorium auf der Erde. Alles dies verhält sich bei Estland und Sowjetrußland – die Sowjetunion gab es damals noch nicht – ganz anders, es handelt sich um politische Gebilde, welche auf dem Territorium eines existierenden Staates durch die revolutionäre Entmachtung der vorherigen Regierung entstanden sind. Lenin hat ja Rußland nicht gekauft und die Esten nicht Estland. Ganz im Gegenteil, sie haben sich ihre Freiheit in einem inländischen Krieg, nennen wir ihn ruhig Bürgerkrieg, hart erkämpft. Sowjetrußland anerkannte die baltischen Länder erst nach einer militärischen Niederlage! Hierzu ist auch der Briefwechsel mit Frau Jelpke interessant, wo sie als Vertreterin der Linken, Kloty ist ja nach eigenen Angaben auch links, nicht einmal diese Tatsache anerkennt. Also, noch einmal in einem Satz: Sowjetrußland stürzte die Regierung eines bestehenden Staates und verlor in einem Bürgerkrieg einen Teil seines Territoriums, was zunächst es selbst akzeptiert hat und dann vom Rest der Welt anerkannt wurde. Der Kauf von zwei Inseln ist also ein an den Haaren herbeigezogener Vergleich. Warum außerdem Inseln, warum nicht der Garten eines Reihenhauses? Abgesehen davon, wenn Sowjetrußland kein Staat war, dann ist ja wohl Kuba bis heute keiner, oder habe ich etwas falsch verstanden?Sowjetrußland anerkannte die Unabhängigkeit 1920 „für alle Ewigkeit“, die dann bekanntlich gerade einmal 20 Jahre währte, ein wenig länger immerhin als das tausendjährige Reich. Ein Verzicht auf die Bemühung der Friedensverträge von damals, die Kloty als Hinderungsgrund der Ratifizierung der Grenzverträge durch Rußland ansieht, hätte nun wieder bedeutet, der russischen Sichtweise zuzustimmen, daß die baltischen Republiken der Sowjetunion freiwillig beigetreten sind. Warum sollten die baltischen Staaten diesem Unsinn zustimmen?
Daß Problem Rußlands besteht darin, daß es in vielen Bereichen der Rechtsnachfolger der Sowjetunion ist, aus freien Stücken. Aber mehr noch liegt die Schwierigkeit darin, und das habe ich nun mehrfach betont, daß die Russen der Ansicht sind, die Sowjetunion sei im Recht gewesen. Warum anerkennt Rußland nicht seinerseits die Unrechtmäßigkeit der Okkupation, während die baltische Republiken der Macht des Faktischen, der Vernunft und dem Willen des Westens nachgeben und auf ihr Territorium verzichten. Die baltischen Länder haben genau dies getan, Rußland hingegen beharrt auf dem „nahen Ausland“. Kloty selbst hat den Vorschlag des Neuanfangs eingebracht gehabt. Ja und warum gilt das immer nur für die anderen?
Klotys Argumentation beruft sich mal auf angebliche Meinungen anderer, dann wieder auf die Macht des Faktischen und manchmal auf das Recht. Ein Schuh wird aus einer Argumentation aber erst, wenn man alles gleichzeitig berücksichtigt. Ich habe mal eine Diskussion mit einem Deutschen geführt, der meinte, Lettisch werde aussterben, weil kleine Sprachen von den Muttersprachlern in Zukunft zugunsten des Englischen aufgegeben werden. Meine Einwände, warum ich dieses Szenario für eher unwahrscheinlich halte, schob er beiseite mit dem Hinweis, daß ein solcher Schritt aber vernünftig sei und darum auch Ziel der Politik sein sollte. As ich ihm erklärte, daß Sprachen wesentliche Kulturträger sind und jede ausgestorbene für die Menschheit ein Verlust ist, konterte er wiederum damit, daß die kleinen Sprachen ja sowieso verschwinden. In solchen Diskussionen kommt man nicht weit.
2 Kommentare:
Hallo Herr Reetz,
nur 3 kurze Kommentare:
Gleichzeitig versteht er nicht, was eine Argumentation der Aufrechnung ist. Daß die Esten vorrechnen, welche Kosten die Okkupation erzeugt hat, ist ihr gutes Recht.
Ist es nicht ein bisschen naiv zu prognostizieren was passiert wäre, wenn Estland nicht von Sowjetunion besetzt worden wäre und daraus Schäden zu berechnen? Wie heisst es so schön: Opportunitätskosten sind keine Kosten? Oder können Sie prognostizieren, was aus Deutschland geworden wäre, wenn Hitler nicht an die Macht gekommen wäre? Ich meine es ist ein beliebtes Thema bei Science-Fiction Autoren in Zeitmaschinen-Romanen, aber ist so was wirklich seriös?
Und ist denn so kurzsichtig, um nicht zu verstehen, das sofort eine Gegenrechnung präsentiert wird, in der z.B. Kosten für die gesamte Infrastruktur, die für die Olympische Spiele 1980 benötigt wurde aufgelistet wird, von den Wiederaufbaukosten nach dem Krieg ganz zu schweigen?
Warum anerkennt Rußland nicht seinerseits die Unrechtmäßigkeit der Okkupation, während die baltische Republiken der Macht des Faktischen, der Vernunft und dem Willen des Westens nachgeben und auf ihr Territorium verzichten.
Sie scheinen nicht zu verstehen, dass das Thema der Territorien überhaupt hochkommt, weil Estland eben nicht ernsthaft auf die Territorien verzichtet, sondern bei jeder passender und unpassender Gelegeheit darauf hinweist (zum Beispiel Umrisse Estlands auf dem jüngst geplantem Unabhängigkeitsdenkmal). Denken Sie doch logisch nach, warum sollte Russland das Thema überhaupt auch nur erwähnen? Sie haben doch die Territorien.
Rußland hingegen beharrt auf dem „nahen Ausland“
Auf was soll Russland sonst beharren, auf "fernem Ausland"? Estland ist nun mal geographisch nah bei Russland und deswegen wünsche ich mir nichts mehr als gute nachbarschaftliche Beziehungen, die mit Stunde 0 anfangen sollten. Unterzeichnet endlich den Grenzvertrag (und das gilt für beide Seiten), hört auf sich in Massenmedien zu beschimpfen (ich möchte hier nicht zitieren, wie Putin und Medwedjew im estnischen Fernsehen genannt wurden), ich verlange keine Männerfreundschaft zwischen Medwedew und Ilves, einfach ungestörte kulturelle, wirtschaftliche und politische Beziehungen zwischen zwei Nachbarländern.
vor was wollen wir uns schützen wen nicht vor dem verfall.
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