Die Staatsbürgerschaft ist ein heißes Eisen in Lettland – immer gewesen seit der Unabhängigkeit 1991. 1998 gab es die letzte Änderung, überdies quasi per Referendum mit einer so komplizierten Frage einer doppelten Negation, daß kaum ein Wähler das wohl so richtig verstanden hat damals. Inzwischen ist Lettland Mitglied er europäischen Union, in deren andere Mitgliedsstaaten viele lettische Staatsbürger „ausgewandert“ sind. Damit stellt sich die Frage nach der doppelten Staatsbürgerschaft inzwischen ganz anders.
Ging es früher darum, ob im Exil aufgewachsene Letten darauf ein Recht haben sollen und wie es mit den Migranten der Sowjetzeit im Inland aussieht, so geht es heute darum, die im Ausland lebenden Letten an ihre Heimat in irgendeiner Form zu binden.
Für die doppelte Staatsbürgerschaft sind somit gerade einige Ältere, die sich als Beispiel für Rückkehrer nennen, wie der Abgeordnete der Einigkeit Uldis Grava. Die zuständige Behörde weist darauf hin, daß schon jetzt Kinder die lettische Staatsbürgerschaft erhalten ungeachtet der Frage, ob sie im Ausland lebend noch eine andere Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen. Die ehemalige Chefin der Einbürgerungsbehörde wehrt sich jedoch dagegen, im Ausland geborenen Personen die Staatsangehörigkeit zu gewähren, die selbst oder deren Eltern diese nicht direkt nach der Unabhängigkeit beantragt haben mit dem Vorwurf, dieser Personenkreis verfüge über keinerlei echte Bindung an Lettland, spreche die Sprache nicht und wisse mitunter nicht einmal, wo sich das Land befindet. Diese Personen benötigten nach ihrer Ansicht in Wahrheit nur irgendeine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedslandes. Der Gesetzentwurf verlangt keine Kenntnisse des Lettischen. Sie hält dies für ungerecht gegenüber über 70järhigen Menschen, die in Lettland geboren wurden, für die Einbürgerung einen Sprachtext aufzuerlegen.
Nach Auskunft der Behörden gibt es zur Zeit 30.000 Menschen mit lettischer Staatsangehörigkeit, die im Ausland leben und auch die Staatsbürgerschaft ihres Aufenthaltslandes besitzen. Dabei handelt es sich überwiegend um Flüchtlinge und deren Kinder, die während des Zweiten Weltkrieges Lettland verlassen und bis zum Stichtag 1995 die lettische Staatsbürgerschaft beantragt haben. Wer diesen Termin hat verstreichen lassen, kann zwar nach wie vor lettischer Staatsangehöriger werden, jedoch nur unter Verlust seiner bisherigen Staatszugehörigkeit. Dies würde die Novelle abschaffen.
Die Behörde gibt jedoch zu bedenken, daß noch 1998 die Praxis nur einer Staatsangehörigkeit weltweit der Standard war, aber angesichts einer höheren Mobilität und zahlreicher Mischehen mehr und mehr Staaten nicht nur die Doppelstaatsbürgerschaft, sondern sogar eine Mehrfachstaatsbürgerschaft tolerieren. Natürlich wirft dies zahlreiche Fragen auf. Niemand kann selbst entscheiden, ob er etwa mal Lette oder mal Kanadier sein möchte. Dies wäre im Falle von Straftaten und einer Verurteilung von Interesse, wenn es darum geht, wo die Haftstrafe anzutreten ist. Natürlich könne im Einzelfall ein Staat seine Bereitschaft erklären, einen Häftling bei sich aufzunehmen. Ein weiteres Thema wäre der Wehrdienst, der jedoch in Lettland vor knapp vier Jahren abgeschafft worden ist. Die Frage von kriegerischen Auseinandersetzung stellt sich einstweilen für lettische Bürger nicht – und das werde hoffentlich auch so bleiben im 21. Jahrhundert, so die Behörde.
Innerhalb der europäischen Union muß es jedoch inzwischen Möglich sein, die Staatsbürgerschaft des Aufenthaltlandes anzunehmen, so man die Bedingungen erfüllt, ohne auf diejenige des Herkunftslandes zu verzichten.
1 Kommentar:
Es sollte langsam mal die Moeglichkeit geben eine europäische Staatsbürgerschaft zu beantragen. In Zeiten der offenen Grenzen in Europa ist Konzept der nationalen Staatsangehörigkeit recht antiquiert.
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