Die Politik in Lettland ist eigentlich gut beschäftigt mit der Frage, wie das Land die Folgen der Krise bewältigen soll. Gab es noch vor gut zwei Jahren einen Mangel an Arbeitskräften, so steigt die Arbeitslosigkeit inzwischen schnell. Viele Menschen sehen ihre Zukunft in düsteren Tönen.
Jene Politiker, die auf dem Höhepunkt der hierzulande als „fette Jahre“ bezeichneten Zeit nach dem Beitritt zur Europäischen Union im Herbst 2006 gewählt wurden, stehen dabei nur theoretisch unter dem Damoklessschwert einer vorzeitigen Parlamentsauflösung. Darüber wurde seit der sogenannten Regenschirmrevolution im Herbst 2007 zwar viel diskutiert, die Wahrscheinlichkeit vorgezogener Neuwahlen blieb jedoch auch aus verfassungsrechtlichen Gründen gering.
Trotzdem haben die Parlamentarier jüngst, ein gutes halbes Jahr vor den turnusmäßigen Wahlen, kein wichtigeres Thema als erneut den Verkauf von Alhokol, der vor Jahren in der Zeit zwischen 22 und 8 Uhr nachts verboten wurde, frei nach dem Motto, machen Sie nicht abends Party, trinken Sie besser morgens. Diesmal ging es um die Frage, ob der Verkauf am „Tag des Wissens“, dem traditionellen ersten Schultag am 1. September unterbunden werden sollte, da sich viele Schüler an diesem Tag betränken. Um der Idee Nachdruck zu verleihen, soll der Verkauf neben dem Einzelhandel auch in Cafés und Restaurant untersagt werden.
Präsident Zatler erklärte, dieser Gesetzentwurf beweise den fehlenden Glauben der Politiker, daß an Minderjährige generell kein Alkohol verkauft werde. Das Verbot träfe natürlich auch Erwachsene und völlig Unbeteiligte wie Touristen. Die Reaktion der Betreiber in der Gastronomie war daher lakonisch; sie diskutierten, ob man an diesem Tag das Glas Wein oder Bier zum Essen nicht einfach gratis anbietet. Das wäre dann schließlich kein Verkauf. Rechtsanwalt Valdis Bergs schlug vor, dieses Gesetz vor das Verfassungsgericht zu bringen.
Das wird möglicherweise nicht nötig sein, denn der Präsident prüft derzeit, ob er dieses Gesetzt verkündet. Laut Verfassung steht im das Recht zu, das Gesetz an das Parlament zur neuerlichen Beratung zurückzureichen oder auch die Ausfertigung für zwei Monate auszusetzen, damit die Bevölkerung Unterschriften für ein Referendum sammeln kann. Die Initiatorin, Sarmīte Ķikuste von der Neuen Zeit, zeigte sich hingegen überzeugt, daß ihr viele Eltern zustimmten.
Die Debatte im Parlament selbst geriet zu einem Theater. Dort wurde argumentiert, es könne ja nicht schaden, einen Tag im Jahr mal nicht zu rauchen oder auch trocken zu bleiben. Dem schloß sich sogar der Rigaer Bürgermeister Nils Ušakovs an, auch die Touristen könnten einmal einen Tag ohne Alkohol leben. Kārlis Šadurskis von der Bürgerlichen Union hingegen provozierte mit einem Antrag, das diskutierte Verbot auch auf den 8. März auszudehnen, den internationalen Frauentag, der traditionelle in Lettland intensiv begangen wird.
Dainis Turlais vom Rigaer Stadrat empörte sich ebenfalls. Ilutas und Ilmāri werden ihren Namenstag nicht mehr feiern können und Jubilare ihren Geburtstag, während die zum Alkoholgenuß entschlossenen Jugendlichen sich einfach am Tag vorher versorgen.
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