In Lettland sind einige Geschäftsleute an die Öffentlichkeit getreten, die einen alten Plan aus der Zarenzeit in der Moderne umsetzen wollen: eine Verbindung zwischen der Daugava und dem Dnjepr zu schaffen, um von der Ostsee auf Wasserstraßen ans Schwarze Meer zu gelangen. Der Hauptinitiator, Uldis Pumpurs, sieht darin einen wichtigen wirtschaftlichen Motor. Besonders profitieren würde davon der einstweilen strukturschwache Osten Lettlands, Lettgallen.
Das erste Hindernis, die Daugava für die Binnenschiffahrt schiffbar zu machen, sind von der lettischen Hauptstadt aus gesehen die drei Staudämme in vor Riga, Pļaviņas und Ķegums. Hier müssen spezielle Lifte oder Schleusen errichtet werden. Eine andere Lösung wären den Damm umgehende Kanäle, die auch dazu beitragen könnten, das Wandern der Lachse in der Daugava wieder zu ermöglichen. Für die Binnenschiffahrt sollen nach Vorstellung der Initiative ökologisch verträgliche 3.000 bis 5.000 Tonner mit Elektro- statt Dieselmotoren eingesetzt werden, um die Wasserqualität der Anrainerkreise nicht zu beeinträchtigen, die ihr Trinkwasser aus dem Fluß beziehen.
Da in Weißrußland mindestens ein neuer Stausee errichtet werden muß, um den Wasserspiegel zu stabilisieren, erwarten die Initiatoren mit allen Bauarbeiten, Servicepersonal und Instandhaltungsarbeiten bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze. Dabei seien die Bedarfe für Aus- und Umbildung und neue Perspektiven für den Tourismus mit Ausflugsschiffen nicht mitgerechtet.
Auch die Schiffsproduktion selbst böte neue Perspektiven, denn diese sollen nicht aus importierten Metall, sondern aus in Valmiera hergestellter Glasfaser und einer Innenverkleidung aus speziellem Furnier von Latvijas finieris bestehen. Solche Schiffe werden schon jetzt erfolgreich nach Korea exportiert.
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Idee einer solchen Verbindung nicht weiter verfolgt, weil nach dem Bau mehrerer Eisenbahnlinien, diese die Nachfrage nach Transportkapazitäten problemlos befriedigen konnte.
Als erster Schritt ist der Ausbau der Verbindung von Riga nach Vitebsk vorgesehen, weil gerade Weißrußland ein großes Interesse am Projekt hat. Das Binnenland ist einstweiligen Abhängigkeit von ausländischen Häfen. Die Transportkosten würden sich für Kalium und die Produkte aus der chemischen und rohölverarbeitender Industrie wie auch dem Lebensmittelbereich sowie die Traktoren- und LKW-Hersteller MTZ und MAZ deutlich reduzieren, kostet doch der Transport auf dem Wasser etwa 60% weniger als auf der Landstraße und immerhin noch fünf Mal weniger als auf der Schiene, rechnen die Organisatoren vor. Für Lettland hingegen vereinfachte sich der Transit und der Export nach Osten. Die Gewinne aus dem Betrieb der ersten Etappe könne dann in die Verlängerung investiert werden.
Die Initiatoren erwarten schließlich Anlegestellen am Ufer der Daugava für die Verschiffung von Holz und Getreide, während der Hafen in Riga Bedeutung für die Umladung von Übersee- auf Binnenschiffe erhalten werde.
Pumpurs will eine Aktiengesellschaft gründen, deren Aktien später auch an der Börse gehandelt werden sollen. In diesem Unternehmen soll zunächst ein Umweltbeirat von Experten die ökologischen Auswirkungen untersuchen, denn diese Frage sei noch wichtiger als die ökonomische Bedeutung. Pumpurs betonte die Bereitschaft, Fehler in Konzept im Umweltinteresse zu korrigieren und schlimmstenfalls gar ganz auf den Kanalbau zu verzichten.
Da auch die EU den Wasserstraßenbau wegen des geringeren Treibstoffverbrauches fördert, erhofft sich Pumpurs auch von dieser Seite Zustimmung. Eine Direktive sieht die Verbindung der europäischen Wasserstraßen vor, eine weitere deren Verbindung mit den russischen. Der Bau des Staudammes auf weißrussischem Gebiet böte zusätzliche Sicherheit im Falle eines Unglück ins der Chemiefabrik von Polock. Ströme kontaminierten Wassers wären kontrollierbar.
Pumpurs hat bereits in verschiedenen Unternehmen gearbeitet und seine jüngste Aufgabe war als Aufsichtsratsvorsitzender die Reederei Lettland vor dem Bankrott zu bewahren. Er führte das Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen und gibt nun seine Position für die Kanalpläne auf. Am Projekt beteiligt sind weitere in Lettland bekannte Personen wie Ex-Regierungschef Māris Gailis und der frühere Minister Uldis Osis.
Selbstverständlich gibt es auch Zweifel. Die Idee der Verbindung von Daugava und Dnjepr kam nach der Unabhängigkeit schon einmal auf und wurde vom Verkehrsministerium nicht unterstützt. Nun gibt es Vorwürfe, es gehe nur um Gelder aus Brüssel für Gutachten, die dann anschließend zu dem Ergebnis kämen, daß sich der Wasserstraßenbau nicht lohne.
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