Im Frühjahr und Sommer 1995 arbeitete ich beim inzwischen schon lange nicht mehr existierenden Zwickauer Tageblatt. Über bedeutende Ereignisse war in der Provinz selten zu berichten und für Kultur interessierten sich meistens die Kolleginnen der Redaktion. Im Mai 1995 gab es jedoch die Ausnahme, daß ich die Liedermacherin Bettina Wegner persönlich kennelernen durfte.
In diesen Tagen tourt die 1983 aus der DDR ausgebürgerte Liedermacherin Bettina Wegner durch Sachsen.
„Ich hoffe, daß es ein schönes Konzert wird, wünschte sich Bettina Wegner wenige Minuten vor Ihrem Auftritt und rauchte hinter der Bühne noch schnell eine Zigarette. Mit den Jahren werde sie immer aufgeregter vor jedem Konzert, klagte sie.
Um ein wenig von ihr zu erfahren, bedarf es gar nicht eines langen Gespräches. Die Texte der Liedermacherin sind persönliche und sprechen eine klare Sprache. Sie handeln von Ihrem bewegten Leben, erst in der DDR, von der Ausbürgerung und dem Fußfassen im Westen bis hin zu ihren Erlebnissen im Osten nach der Wende: Gleich nach dem Mauerfall, noch vor der Währungsunion, hatte sie wieder in der Noch-DDR gespielt. „Wir wußten nicht, was mir mit dem Geld machen sollten“, lacht Bettina Wegner. Es wurde dann eine Weile „aufgehoben“.
Über das Publikum Im Osten stellte sie fest, daß es noch ein wenig familiärer zugeht. Das weckt alte Erinnerungen, „wir kommen eben doch aus dem gleichen Ei“, sagt die Liedermacherin. Trotzdem hat sie den Eindruck daß die Menschen verwirrt sind. Erfreut und überrascht berichtet sie: „Es kommen ganz junge Leute, die mich auf der Bühne nie gesehen haben können.“ Und das stimmt auch. Im Publikum sitzen wenige Zuhörer, die ihrer Generation angehören, die meisten könnten Ihre Kinder sein.
Gleich das erste Lied handelte von ihrer Ankunft im Westen, von den Menschen die fragten „Wie geht ’s dir?“. Noch ehe die Antwort kommen konnte, wurde dieselbe Frage schon dem nächsten gestellt. „Es war nicht ehrlich gemeint“. Um so mehr setzt Bettina Wagner auf Ehrlichkeit. Als sie wegen der Probleme Ihres Sohnes in die Schule bestellt wurde, war sie entsetzt. Die Lehrer beklagten, daß der junge lache, wenn er sich freue und weine, wenn er traurig sei. Das verwirre die anderen Kinder. Bettina Wegner lobte ihren Sohn und dichtete ein Lied. „Wer nicht leiden kann, ist tot“, heißt es darin treffend. Trotzdem habe sie auch im Westen liebe Freunde gefunden. „Die haben die gleichen blauen Flecken wie ich“.
Bettina Wegner hat in den zwölf Jahren nach ihrer Ausbürgerung aus der DDR treffende Texte über die westdeutsche Gesellschaft verfaßt und nicht vor einem Bruch mit zwei Plattenfirmen zurückgeschreckt, die ihre Inhalte beeinflussen wollen. Hits sollten es mal wieder sein. „Ich will mich nicht verkohlen lassen, das wollte ich schon da nicht, wo kein Platz für mich war“. Im wesentlichen sei sie die gleiche geblieben, im Westen wie im Osten. Als der neue Verlag den im Ärger geschriebenen Song nicht auf Ihrer neuen Platte veröffentlichen wollte, gab ‘s schon wieder Ärger.
Zur Zeit, erzählte die Berlinerin, gibt es im Westen ungefähr doppelt so viele Konzerte wie im Osten. Das liegt aber nicht daran, daß sie in der früheren DDR weniger gerne auftritt. Der Kontakt zu den Veranstaltern ist im Westen einfach besser, besonders seit Ihrer Zusammenarbeit mit dem aus Hessen stammenden Schriftsteller Rainer Lindner, der auch in Zwickau mit von der Partie war. Seit 1985 treten beide gemeinsam auf.
Bettina Wegners früherer Begleiter, der Münchner Gitarrist Peter Maler avancierte in den letzten Jahren zum gefragten Solomusiker und mußte seine Arbeit mit der Berliner Sängerin deshalb beenden. Die Liedermacherin tourt seitdem mit ihrem Berliner Kollegen Stefan Körbel. Auch er gab im Pestalozzi-Gymnasium eine Kostprobe seiner Kompositionen.
Die Berlinerin überraschte das Publikum schließlich als sie eine Lanze für die Volksmusik brach und das deutsche Liedgut klar gegen die sogenannte volkstümliche Musik abgrenzte. „Wenn ich ein Vöglein wär’“ findet sich auch auf Ihrer CD „Sie hat ‘s gewußt“.
Nachdem Bettina Wegner das bekannte ergreifende Lied von den „kleinen Händen“ gesungen hatte, das auch nach so vielen Jahren immer noch brandaktuell ist, gab es noch eine Zugabe. Ohne Begleitung mit der Gitarre kam ihre melodietragende Stimme mit einem Roma-Lied voll zur Geltung. Es entstammt dem Programm, das sie mit einer Gruppe von Künstlern in Asylbewerberheimen zum besten gibt.
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