Bericht über den Untergang des „Estonia“ vorgelegt
Tallinn, im Dezember 1997. – Drei Jahre nach dem dramatischen Unglück der „Estonia“ im September 1994, bei dem 852 Menschen den Tod fanden, legte die von Schweden, Finnland und Estland gebildete Untersuchungskommission gestern ihren Bericht vor. Man hat sich viel Mühe gegeben. Mit detaillierten Untersuchungen und Interviews wurde nicht nur der Frage nachgegangen, wie es zu der Katastrophe kommen konnte sondern auch, warum die Rettungsaktionen nicht schneller und effizienter waren.
Der Vorsitzende der internationalen Untersuchungskommission zum Unglück der Estonia eröffnete gestern die Pressekonferenz mit dem Hinweis, das Ziel sei eine unabhängige Untersuchung des Unglücks nicht die Suche nach Schuldigen gewesen, weshalb im Schlußbericht nun kein einziger Name der beteiligten Personen auftaucht.
Für die Nacht auf den 28. September 1994 war ein starker Sturm angekündigt. Als die Fähre auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm das offene Meer erreichte, schlugen die Wellen bis zu vier Meter hoch bei einer Windstärke von 18-20m pro Sekunde. Diese Wetterverhältnisse waren nach Ansicht der Kommission nicht extrem, doch seit die Estonia Anfang 1993 ihren Dienst für die Estline aufgenommen hatte, war es den Wetteraufzeichnungen zu Folge nur ein bis zwei mal ähnlich stürmisch gewesen.
Mit Wucht peitschte das Wasser gegen das Visier und drückte es nach oben, die Richtung, in der es geöffnet wird. Diesem Druck hielt gegen 1.00 Uhr in der Nacht der Verschluß nicht mehr stand. Ein erster Verschluß brach. Das Geräusch wurde von der Mannschaft wahrgenommen, da aber nichts weiter passierte, ging man der Sache nicht länger nach.
Bald platze jedoch noch ein zweiter Riegel ab, das Visier war nun teilweise geöffnet ebenso wie die dahinter verborgene Rampe, über die das Schiff mit Fahrzeugen beladen wird. Die Wucht der Wellen besorgte schnell ein Übriges, das Visier stürzte ins Meer und riß dabei die Rampe des Autodecks, mit dem es mechanisch verbunden war, herunter. Damit klaffte am Bug der Fähre nun ein großes Loch. Das einströmende Wasser sorgte schnell für eine Schlagseite von rund 30 Grad.
Nach Ansicht der Kommission wäre die Lage weniger schwierig gewesen, wenn die Estonia im Hafen von Tallinn anders beladen worden wäre oder wenigstens durch eine Reduktion der Geschwindigkeit des mit voller Kraft fahrenden Schiffs nach dem ersten Bruch die auf den Bug wirkende Kraft vermindert worden wäre. Andererseits gab auch die Kommission zu bedenken, daß die Höhe der Wellen den Druck am stärksten beeinflussen. Nur 0,5m höhere Wellen hätten die auf das Visier wirkende Gewalt verdoppelt.
Die Kommission legte außerdem Wert auf die Feststellung, daß die Estonia dem Stand der Vorschriften zur Folge seetüchtig gewesen sei. Alle Papiere waren in Ordnung, die Inspektionen durchgeführt. Trotzdem wurde das Schiff bei seinem Bau Ende der 70er Jahre nicht entsprechend den Empfehlung der SOLAS-Konvention für die Sicherheit von Menschenleben in der Seefahrt gebaut, die eine drei mal stärkere Verankerung der Riegel vorsahen. Auch die mechanische Verbindung vom Visier und Ranmpe entsprach nicht diesen Richtlinien. In Folge des Unglücks wurden diese Bestimmungen 1995 geändert und sehen nun eine sieben mal bessere Absicherung vor.
Die Kommission entschuldigte die Besatzung jedoch teilweise mit der bemängelten schwachen internationale Kommunikation über Unglücke. Erst ein Vorfall 1993 auf der Diana II, einem Schwesterschiff der Unglücksfähre im Finnland-Schweden Verkehr, hätte auf vergleichbare Probleme mit zu schwachen Konstruktionen des Visiers aufmerksam machen müssen. Damals waren verschiedene Schiffe inspiziert und mancherorts die Visierverschlüsse verstärkt worden. Doch auch dies geschah der Kommission zur Folge nur unsystematisch. Die Besatzung der Unglücksfähre, so sei zu vermuten, hatte aber davon keine Ahnung.
Abschließend verschweigt der Abschlußbericht auch nicht, daß die Hilfe für die Estonia spät kam. Zwar sei die Warnung an die Passagiere gegen 1.20 Uhr auch reichlich spät und nur in estnischer Sprache erfolgt, doch die Stationen, die den „Mayday“-Funkspruch hörten oder hätten hören mußten, hätten schneller reagieren können. Angesichts der kühlen Wassertemperaturen und der damit verbundenen kurzen Überlebensmöglichkeit für Menschen war aber jede Sekunde wichtig.
Der Hilferuf der Estonia an andere Fähren in der Ostsee begann gegen 1.23 Uhr und dauerte nur wenige Minuten. Die Technik der Estonia war ausgefallen, eine Übermittlung der eigenen Koordinaten unmöglich. Um 1.27 Uhr heißt es, „es sieht wirklich jetzt schlecht hier aus“. Sekunden später bricht der Funkverkehr ab. Um zehn vor zwei ist die Fähre vom Wasser verschluckt.
An Bord waren 803 Passagiere und 186 Besatzungsmitglieder von denen 300 es auf das Außendeck schafften, doch nur 137 wurden schließlich gerettet. 95 geborgene Leichen wurden idetifiziert, aber 757 Menschen vermißt.
Obwohl sich die Kommission viel Zeit gelassen hat, das Unglück intensiv zu untersuchen. Kritik wird schon jetzt laut. In Schweden ist man nicht zufrieden damit, daß die Mannschaft keines Fehlverhaltens beschuldigt wird. In Estland selbst weist die Presse darauf hin, daß die Estonia von einer deutschen Firma mit den von der Kommission bemängelten technischen Eigenheiten gebaut worden sei.
Tallinn, im Dezember 1997. – Drei Jahre nach dem dramatischen Unglück der „Estonia“ im September 1994, bei dem 852 Menschen den Tod fanden, legte die von Schweden, Finnland und Estland gebildete Untersuchungskommission gestern ihren Bericht vor. Man hat sich viel Mühe gegeben. Mit detaillierten Untersuchungen und Interviews wurde nicht nur der Frage nachgegangen, wie es zu der Katastrophe kommen konnte sondern auch, warum die Rettungsaktionen nicht schneller und effizienter waren.
Der Vorsitzende der internationalen Untersuchungskommission zum Unglück der Estonia eröffnete gestern die Pressekonferenz mit dem Hinweis, das Ziel sei eine unabhängige Untersuchung des Unglücks nicht die Suche nach Schuldigen gewesen, weshalb im Schlußbericht nun kein einziger Name der beteiligten Personen auftaucht.
Für die Nacht auf den 28. September 1994 war ein starker Sturm angekündigt. Als die Fähre auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm das offene Meer erreichte, schlugen die Wellen bis zu vier Meter hoch bei einer Windstärke von 18-20m pro Sekunde. Diese Wetterverhältnisse waren nach Ansicht der Kommission nicht extrem, doch seit die Estonia Anfang 1993 ihren Dienst für die Estline aufgenommen hatte, war es den Wetteraufzeichnungen zu Folge nur ein bis zwei mal ähnlich stürmisch gewesen.
Mit Wucht peitschte das Wasser gegen das Visier und drückte es nach oben, die Richtung, in der es geöffnet wird. Diesem Druck hielt gegen 1.00 Uhr in der Nacht der Verschluß nicht mehr stand. Ein erster Verschluß brach. Das Geräusch wurde von der Mannschaft wahrgenommen, da aber nichts weiter passierte, ging man der Sache nicht länger nach.
Bald platze jedoch noch ein zweiter Riegel ab, das Visier war nun teilweise geöffnet ebenso wie die dahinter verborgene Rampe, über die das Schiff mit Fahrzeugen beladen wird. Die Wucht der Wellen besorgte schnell ein Übriges, das Visier stürzte ins Meer und riß dabei die Rampe des Autodecks, mit dem es mechanisch verbunden war, herunter. Damit klaffte am Bug der Fähre nun ein großes Loch. Das einströmende Wasser sorgte schnell für eine Schlagseite von rund 30 Grad.
Nach Ansicht der Kommission wäre die Lage weniger schwierig gewesen, wenn die Estonia im Hafen von Tallinn anders beladen worden wäre oder wenigstens durch eine Reduktion der Geschwindigkeit des mit voller Kraft fahrenden Schiffs nach dem ersten Bruch die auf den Bug wirkende Kraft vermindert worden wäre. Andererseits gab auch die Kommission zu bedenken, daß die Höhe der Wellen den Druck am stärksten beeinflussen. Nur 0,5m höhere Wellen hätten die auf das Visier wirkende Gewalt verdoppelt.
Die Kommission legte außerdem Wert auf die Feststellung, daß die Estonia dem Stand der Vorschriften zur Folge seetüchtig gewesen sei. Alle Papiere waren in Ordnung, die Inspektionen durchgeführt. Trotzdem wurde das Schiff bei seinem Bau Ende der 70er Jahre nicht entsprechend den Empfehlung der SOLAS-Konvention für die Sicherheit von Menschenleben in der Seefahrt gebaut, die eine drei mal stärkere Verankerung der Riegel vorsahen. Auch die mechanische Verbindung vom Visier und Ranmpe entsprach nicht diesen Richtlinien. In Folge des Unglücks wurden diese Bestimmungen 1995 geändert und sehen nun eine sieben mal bessere Absicherung vor.
Die Kommission entschuldigte die Besatzung jedoch teilweise mit der bemängelten schwachen internationale Kommunikation über Unglücke. Erst ein Vorfall 1993 auf der Diana II, einem Schwesterschiff der Unglücksfähre im Finnland-Schweden Verkehr, hätte auf vergleichbare Probleme mit zu schwachen Konstruktionen des Visiers aufmerksam machen müssen. Damals waren verschiedene Schiffe inspiziert und mancherorts die Visierverschlüsse verstärkt worden. Doch auch dies geschah der Kommission zur Folge nur unsystematisch. Die Besatzung der Unglücksfähre, so sei zu vermuten, hatte aber davon keine Ahnung.
Abschließend verschweigt der Abschlußbericht auch nicht, daß die Hilfe für die Estonia spät kam. Zwar sei die Warnung an die Passagiere gegen 1.20 Uhr auch reichlich spät und nur in estnischer Sprache erfolgt, doch die Stationen, die den „Mayday“-Funkspruch hörten oder hätten hören mußten, hätten schneller reagieren können. Angesichts der kühlen Wassertemperaturen und der damit verbundenen kurzen Überlebensmöglichkeit für Menschen war aber jede Sekunde wichtig.
Der Hilferuf der Estonia an andere Fähren in der Ostsee begann gegen 1.23 Uhr und dauerte nur wenige Minuten. Die Technik der Estonia war ausgefallen, eine Übermittlung der eigenen Koordinaten unmöglich. Um 1.27 Uhr heißt es, „es sieht wirklich jetzt schlecht hier aus“. Sekunden später bricht der Funkverkehr ab. Um zehn vor zwei ist die Fähre vom Wasser verschluckt.
An Bord waren 803 Passagiere und 186 Besatzungsmitglieder von denen 300 es auf das Außendeck schafften, doch nur 137 wurden schließlich gerettet. 95 geborgene Leichen wurden idetifiziert, aber 757 Menschen vermißt.
Obwohl sich die Kommission viel Zeit gelassen hat, das Unglück intensiv zu untersuchen. Kritik wird schon jetzt laut. In Schweden ist man nicht zufrieden damit, daß die Mannschaft keines Fehlverhaltens beschuldigt wird. In Estland selbst weist die Presse darauf hin, daß die Estonia von einer deutschen Firma mit den von der Kommission bemängelten technischen Eigenheiten gebaut worden sei.
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