3 Millionen gingen Banka Baltija-Liquidator in Liechtenstein verloren
Riga, im Februar 1998. – Seit Monaten bewegt ein Skandal um drei Millionen Lat, umgerechnet beinahe zehn Millionen Mark, in Lettland die Gemüter. Das Geld floß im Rahmen einer Finanztransaktion zwischen dem Konkursverwalter der 1995 zusammengebrochenen Banka Baltija und dem zu privatisierenden staatlichen Energieriesen Latvenergo nach Liechtenstein. Die Staatsanwaltschaft und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß versuchen, Licht in die Affäre zu bringen.
Um wenigstens einem Teil der vielen Gläubiger der 1995 zusammengebrochenen Banka Baltija ihre Einlagen zurückbezahlen zu können, fädelte deren Liquidator David Berry im Frühjahr 1997 eine Finanztransaktion mit der Liechtensteiner Firma International Finance Company Establishment (IFCE) ein. Der Schuldner Latvenergo sollte von dem Jahre vorher gewährten Kredit über zehn Millionen Lat acht nach Liechtenstein überweisen. Die anfangs der Öffentlichkeit namentlich nicht bekannte Firma erklärte sich dafür bereit, der Banka Baltija sofort fünf Millionen auszuzahlen.
Was bis dahin noch nach einer Übernahme des Risikos durch einen ausländischen Mittler aussah, wuchs sich zum Skandal aus, als sich herausstellte, daß Liechtenstein erst bezahlt hatte, nachdem die acht Millionen von Latvenergo eingegangen waren. Wieso war Latvenergo plötzlich doch zahlungsfähig, lautete die berechtigte Frage. Unter diesen Umständen hätten sich Schuldner und Gläubiger auch direkt auf die Rückzahlung einer Summe zwischen fünf und acht Millionen zu beiderseitigen Gunsten einigen können.
Jetzt hegt die öffentliche Meinung den Verdacht, daß Amtspersonen in die Transaktion verwickelt waren, die großen Einfluß darauf hatten, ob und wann Latvenergo zahlt. Diese Vermutung war im Juli 1997 auch in Lettlands größter Tageszeitung „Diena“ zu lesen. Grund für diese Spekulationen ist die nicht weniger skandalöse Vorgeschichte, die 1995 mit dem Zusammenbruch der Banka Baltija begann, dem damals größten Institut des Landes, der viele Kleinsparer ihre Guthaben kostete.
Liquidator Berry rechtfertigt sein Handeln bis heute mit der Notwendigkeit, nicht nur überhaupt Geld einzutreiben sondern dies nach Möglichkeit auch noch schnell zu bewerkstelligen. Deshalb habe er keine andere Wahl gehabt, als den Latvenergo-Kredit an dritte zu veräußern. Vom Schuldner, so Berry, habe er eine Rückzahlung bestenfalls innerhalb der nächsten fünf bis sechs Jahre, also nach der Privatisierung, erwarten können.
Zu dieser Annahme bestand tatsächlich Anlaß, sehen doch die lettischen Gesetze für ein zu privatisierendes Unternehmen die Aussetzung von Kreditrückzahlungen vor. Da diese Vorschrift aber erst im Herbst 1996 geändert worden war, hätte die Transaktion von Seiten Latvenergos mitunter sogar noch unter den alten rechtlichen Voraussetzungen abgeschlossen werden können. Vorher aber sah derselbe Paragraph sogar noch vor, die Rückzahlungen nicht nur aufzuschieben sondern ganz auszusetzen. Latvenergo hatte überdies die eigene Schuld nie recht anerkennen wollen, weshalb um den Kredit auch vor Gericht gerungen wurde.
Während die alte Variante der Rückzahlungsmodalitäten während des Privatisierungsprozesses noch in Kraft war, ersuchte Latvenergo-Präsident Edgars Birkāns am 28. April 1997 den Generaldirektor der Privatisierungsagentur, Jānis Naglis, schriftlich um Einverständnis zu einer gütlichen Einigung mit der Banka Baltija. Obwohl das Oberste Gericht kurz zuvor deren Liquidator ermächtigt hatte, die Kreditsumme von Latvenergo einzuziehen, bleibt Birkāns Handeln letztlich nach Ansicht von „Diena“ unverständlich.
Im Mai gab die Privatisierungsagentur trotzdem ihre Erlaubnis zur Einigung. Wenige Tage später unterschrieb Birkāns die Verpflichtung gegenüber der IFCE, obwohl er als Präsident zur Unterzeichnung einer so hochdotierten Vereinbarung laut Vorschriften nicht berechtigt war. Die Organe von Latvenergo entschieden am selben Tag, einen Kredit über fünf Millionen Lat bei der Unibank aufzunehmen, um die Liechtensteiner Forderung zu begleichen.
Schon am 3. Juli 1997 veröffentlichte die Zeitung „dienas bizness“ einen Artikel über diese Pläne. Der Chef der lettischen Bank, Einars Repše, behauptet außerdem, daß am 19. Juli ein Treffen von Latvenergo-Mitarbeitern mit David Berry stattgefunden habe. Diese Information ist aber von keiner der beiden Parteien bestätigt worden. Seit Juli 1997 hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, und im Parlament wurde auf Initiative einer der größeren Regierungsfraktionen, Lettlands Weg, ein Untersuchungsausschuß ins Leben gerufen. Dieser tagt seither einmal wöchentlich zu Anhörung der beteiligten Persönlichkeiten, ohne daß bisher nennenswerte Ergebnisse vorgelegt werden konnten.
Offen sind nach wie vor mehrere Fragen. Etwa warum die Privatisierungsagentur der Transaktion unkritisch zugestimmt hat und vor allem auch, in wessen Hände die drei Millionen Lat schließlich gelangt sind, erklärt der Fraktionsvorsitzende und Parteichef von Lettlands Weg, Andrejs Panteîejevs, der auch dem Ausschuß vorsitzt.
„Diena“ berichtete im August 1997, daß Naglis nicht über jedes Detail der Kreditrückzahlung informiert war, der Presse gegenüber jedoch behauptet habe, es handele sich um einen juristisch einwandfreien Vorgang, der überdies für Latvenergo finanziell vorteilhaft gewesen sei. Im Dezember gab der Chef der Privatisierungsagentur den Verlust von drei Millionen Lat betreffend immerhin zu: „Das ist ein moralisches Problem.“ Die Privatisierung von Latvenergo werde davon aber nicht beeinflußt. Damit lenkt Naglis das Gespräch auf die angeblich wichtigere Frage, ob Latvenergo zuerst verkauft oder zuerst umstrukturiert wird. Einstweilen betreibt das Unternehmen noch den gesamten Energiesektor des Landes angefangen von den Kraftwerken bis hin zur Distribution. „Das entspricht nicht den EU-Regeln und soll im Interesse des Marktprinzips aufgehoben werden“, erklärt Naglis. Latvenergo soll dazu bis zum 1. September 1998 in eine Holdinggesellschaft umgewandelt werden. Immerhin wurde im Dezember 1997 der Aufsichtsrat von derselben Privatisierungsagentur entlassen und ein neuer einstweilen nicht bestellt.
Keine der beteiligten Personen, weder Banka Baltija Liquidator David Berry noch die Chefetage von Latvenergo lassen sich derzeit in die Karten schauen. Dabei nährt die offensichtliche Naivität , mit der im vergangenen Sommer der vorher angeblich noch zahlungsunfähige und -unwillige Konzern innerhalb kürzester Zeit acht Millionen Lat nach Liechtenstein überwies, den Verdacht, daß hinter dieser Transaktion ganz andere Interessen standen.
Panteîejevs betrachtet es weiterhin als die Aufgabe des Untersuchungsausschusses, jeden politischen Druck von der Staatsanwaltschaft fernzuhalten und sich auch mit jenen Fragen zu beschäftigen, die nicht Gegenstand der kriminalistischen Untersuchung sind. „Nennen wir es den Idiotismus der Abgeordneten, aber wir haben noch nicht verstanden, warum Berry das gemacht hat“, kommentiert der Ausschußvorsitzende die Übertragung des Kredites an die Liechtensteiner Firma wenige Tage nach dem für die Banka Baltija positiven Urteil. Der Liquidator seinerseits hat vor dem Untersuchungsausschuß zur Rechtfertigung ausgesagt, er würde dasselbe Geschäft noch einmal machen.
Riga, im Februar 1998. – Seit Monaten bewegt ein Skandal um drei Millionen Lat, umgerechnet beinahe zehn Millionen Mark, in Lettland die Gemüter. Das Geld floß im Rahmen einer Finanztransaktion zwischen dem Konkursverwalter der 1995 zusammengebrochenen Banka Baltija und dem zu privatisierenden staatlichen Energieriesen Latvenergo nach Liechtenstein. Die Staatsanwaltschaft und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß versuchen, Licht in die Affäre zu bringen.
Um wenigstens einem Teil der vielen Gläubiger der 1995 zusammengebrochenen Banka Baltija ihre Einlagen zurückbezahlen zu können, fädelte deren Liquidator David Berry im Frühjahr 1997 eine Finanztransaktion mit der Liechtensteiner Firma International Finance Company Establishment (IFCE) ein. Der Schuldner Latvenergo sollte von dem Jahre vorher gewährten Kredit über zehn Millionen Lat acht nach Liechtenstein überweisen. Die anfangs der Öffentlichkeit namentlich nicht bekannte Firma erklärte sich dafür bereit, der Banka Baltija sofort fünf Millionen auszuzahlen.
Was bis dahin noch nach einer Übernahme des Risikos durch einen ausländischen Mittler aussah, wuchs sich zum Skandal aus, als sich herausstellte, daß Liechtenstein erst bezahlt hatte, nachdem die acht Millionen von Latvenergo eingegangen waren. Wieso war Latvenergo plötzlich doch zahlungsfähig, lautete die berechtigte Frage. Unter diesen Umständen hätten sich Schuldner und Gläubiger auch direkt auf die Rückzahlung einer Summe zwischen fünf und acht Millionen zu beiderseitigen Gunsten einigen können.
Jetzt hegt die öffentliche Meinung den Verdacht, daß Amtspersonen in die Transaktion verwickelt waren, die großen Einfluß darauf hatten, ob und wann Latvenergo zahlt. Diese Vermutung war im Juli 1997 auch in Lettlands größter Tageszeitung „Diena“ zu lesen. Grund für diese Spekulationen ist die nicht weniger skandalöse Vorgeschichte, die 1995 mit dem Zusammenbruch der Banka Baltija begann, dem damals größten Institut des Landes, der viele Kleinsparer ihre Guthaben kostete.
Liquidator Berry rechtfertigt sein Handeln bis heute mit der Notwendigkeit, nicht nur überhaupt Geld einzutreiben sondern dies nach Möglichkeit auch noch schnell zu bewerkstelligen. Deshalb habe er keine andere Wahl gehabt, als den Latvenergo-Kredit an dritte zu veräußern. Vom Schuldner, so Berry, habe er eine Rückzahlung bestenfalls innerhalb der nächsten fünf bis sechs Jahre, also nach der Privatisierung, erwarten können.
Zu dieser Annahme bestand tatsächlich Anlaß, sehen doch die lettischen Gesetze für ein zu privatisierendes Unternehmen die Aussetzung von Kreditrückzahlungen vor. Da diese Vorschrift aber erst im Herbst 1996 geändert worden war, hätte die Transaktion von Seiten Latvenergos mitunter sogar noch unter den alten rechtlichen Voraussetzungen abgeschlossen werden können. Vorher aber sah derselbe Paragraph sogar noch vor, die Rückzahlungen nicht nur aufzuschieben sondern ganz auszusetzen. Latvenergo hatte überdies die eigene Schuld nie recht anerkennen wollen, weshalb um den Kredit auch vor Gericht gerungen wurde.
Während die alte Variante der Rückzahlungsmodalitäten während des Privatisierungsprozesses noch in Kraft war, ersuchte Latvenergo-Präsident Edgars Birkāns am 28. April 1997 den Generaldirektor der Privatisierungsagentur, Jānis Naglis, schriftlich um Einverständnis zu einer gütlichen Einigung mit der Banka Baltija. Obwohl das Oberste Gericht kurz zuvor deren Liquidator ermächtigt hatte, die Kreditsumme von Latvenergo einzuziehen, bleibt Birkāns Handeln letztlich nach Ansicht von „Diena“ unverständlich.
Im Mai gab die Privatisierungsagentur trotzdem ihre Erlaubnis zur Einigung. Wenige Tage später unterschrieb Birkāns die Verpflichtung gegenüber der IFCE, obwohl er als Präsident zur Unterzeichnung einer so hochdotierten Vereinbarung laut Vorschriften nicht berechtigt war. Die Organe von Latvenergo entschieden am selben Tag, einen Kredit über fünf Millionen Lat bei der Unibank aufzunehmen, um die Liechtensteiner Forderung zu begleichen.
Schon am 3. Juli 1997 veröffentlichte die Zeitung „dienas bizness“ einen Artikel über diese Pläne. Der Chef der lettischen Bank, Einars Repše, behauptet außerdem, daß am 19. Juli ein Treffen von Latvenergo-Mitarbeitern mit David Berry stattgefunden habe. Diese Information ist aber von keiner der beiden Parteien bestätigt worden. Seit Juli 1997 hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, und im Parlament wurde auf Initiative einer der größeren Regierungsfraktionen, Lettlands Weg, ein Untersuchungsausschuß ins Leben gerufen. Dieser tagt seither einmal wöchentlich zu Anhörung der beteiligten Persönlichkeiten, ohne daß bisher nennenswerte Ergebnisse vorgelegt werden konnten.
Offen sind nach wie vor mehrere Fragen. Etwa warum die Privatisierungsagentur der Transaktion unkritisch zugestimmt hat und vor allem auch, in wessen Hände die drei Millionen Lat schließlich gelangt sind, erklärt der Fraktionsvorsitzende und Parteichef von Lettlands Weg, Andrejs Panteîejevs, der auch dem Ausschuß vorsitzt.
„Diena“ berichtete im August 1997, daß Naglis nicht über jedes Detail der Kreditrückzahlung informiert war, der Presse gegenüber jedoch behauptet habe, es handele sich um einen juristisch einwandfreien Vorgang, der überdies für Latvenergo finanziell vorteilhaft gewesen sei. Im Dezember gab der Chef der Privatisierungsagentur den Verlust von drei Millionen Lat betreffend immerhin zu: „Das ist ein moralisches Problem.“ Die Privatisierung von Latvenergo werde davon aber nicht beeinflußt. Damit lenkt Naglis das Gespräch auf die angeblich wichtigere Frage, ob Latvenergo zuerst verkauft oder zuerst umstrukturiert wird. Einstweilen betreibt das Unternehmen noch den gesamten Energiesektor des Landes angefangen von den Kraftwerken bis hin zur Distribution. „Das entspricht nicht den EU-Regeln und soll im Interesse des Marktprinzips aufgehoben werden“, erklärt Naglis. Latvenergo soll dazu bis zum 1. September 1998 in eine Holdinggesellschaft umgewandelt werden. Immerhin wurde im Dezember 1997 der Aufsichtsrat von derselben Privatisierungsagentur entlassen und ein neuer einstweilen nicht bestellt.
Keine der beteiligten Personen, weder Banka Baltija Liquidator David Berry noch die Chefetage von Latvenergo lassen sich derzeit in die Karten schauen. Dabei nährt die offensichtliche Naivität , mit der im vergangenen Sommer der vorher angeblich noch zahlungsunfähige und -unwillige Konzern innerhalb kürzester Zeit acht Millionen Lat nach Liechtenstein überwies, den Verdacht, daß hinter dieser Transaktion ganz andere Interessen standen.
Panteîejevs betrachtet es weiterhin als die Aufgabe des Untersuchungsausschusses, jeden politischen Druck von der Staatsanwaltschaft fernzuhalten und sich auch mit jenen Fragen zu beschäftigen, die nicht Gegenstand der kriminalistischen Untersuchung sind. „Nennen wir es den Idiotismus der Abgeordneten, aber wir haben noch nicht verstanden, warum Berry das gemacht hat“, kommentiert der Ausschußvorsitzende die Übertragung des Kredites an die Liechtensteiner Firma wenige Tage nach dem für die Banka Baltija positiven Urteil. Der Liquidator seinerseits hat vor dem Untersuchungsausschuß zur Rechtfertigung ausgesagt, er würde dasselbe Geschäft noch einmal machen.
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