Dienstag, 24. Juni 2008

Kampf um Wahl des / der Bundespräsident(e/i)n

Mit der im kommenden Jahr anstehenden Wahl des Bundespräsidenten ist etwas Unerhörtes geschehen. Ein im Amt befindlicher Präsident, der seinen Willen zur erneuten Kandidatur bekundet hat und außerdem auch in der Bevölkerung beliebt ist, muß sich einer Kampfkandidatur stellen.
Früher waren Bundespräsidentschaftswahlen immer entweder aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung ein Prozeß ohne Überraschungen oder aber auch der Versuch respektive der Beginn einer politischen Kehrtwendung. So geschehen 1969 mit der Wahl von Gustav Heinemann, einem Politiker, der seinen Weg von der CDU über eine eigene Splitterpartei zur SPD gefunden hatte und den die FDP unterstützte. Der Zeitpunkt des folgenden Regierungswechsels fiel zwar mit einer Bundestagswahl zusammen, deren Ergebnis war aber weniger ursächlich, denn die politische Neuorientierung der FDP.
Ähnliches hatten CDU und die FDP, Angela Merkel und Guido Westerwelle, 2005 im Sinn, als sie Horst Köhler gemeinsam nominierten und ins Amt erfolgreich wählten. Im Gegenteil zu 1969 gelang ihnen bei der Bundestagswahl im darauffolgenden Jahr jedoch nicht die Ablösung der rot-grünen Koalition wie vorgesehen, sondern es folgte die ungeliebte große Koalition.
Aus dieser würden beide Partner im kommenden Jahr bei den Bundestagswahlen nur zu gerne ausbrechen. Die Koalitionsprioritäten haben sich im Vergleich mit 2005 in keinster Weise geändert. Vielleicht auch deshalb haben sich CDU und FDP frühzeitig auf eine Wiederwahl von Horst Köhler festgelegt und damit freilich dem amtierenden Präsidenten nolens volens auch wieder den Stempel des Kandidaten eines bürgerlichen Bündnisses aufgesetzt. Die Partner der großen Koalition gehen in den Wahlkampf. Und gerade weil die SPD sich in der großen Koalition und angesichts der erstarkten Linken gerade in einem Popularitätstief befindet, kann sie jetzt schlecht einfach nur aufgrund der Beliebtheit des Amtsinhabers den Kopf in den Sand stecken, als sei sie nicht in der Lage, selbst einen geeigneten Kandidaten zu nominieren. Ein solcher Schritt sähe so aus, als würde man sich schon jetzt geschlagen geben. Und damit stehen sich also 2009 die gleichen Kontrahenten gegenüber wie 2004.
Das ist sicher ein Novum, wie auch eher Unverständnis ausdrückende Kommentare betonen, Köhler sei plötzlich so wie schon 2004, nämlich nur ein Kandidat, so läßt sich eben nicht verleugnen, daß die Präsidentenwahl auch früher immer ein Politikum war und eigentlich nur die Mehrheitsverhältnisse Überraschungen verhindert haben. Aber die haben sich verändert, seit die Linkspartei sich im Parteienspektrum wenigstens einstweilen fest etabliert hat und die Rechtsradikalen auch immer wieder Erfolge vorweisen können. Wäre die Situation schon in früheren Jahren vergleichbar gewesen, wäre es sicher auch schon früher zu solchen Kandidatenkarussells gekommen.
Dabei sollte auch nicht vergessen werden, worauf einstweilen fast nur SPD-Politiker als Reaktion auf die gespielte Empörung der CDU über die Zusammenarbeit mit den früheren Kommunisten reagierend verweisen, daß es in der Bundesversammlung nicht um die Bildung von Koalitionen geht. Es wird lediglich über eine Person abgestimmt, welche anschließend gegenüber den sie unterstützenden Delegierten und Parteien keinerlei politische Verantwortung trägt. Oftmals sind die Entsandten in der Bundesversammlung nicht einmal Berufspolitiker. So wurde bekannt, daß Gloria von Thurn und Taxis bereits 2004, obwohl von der CDU nominiert, für Gesine Schwan gestimmt hatte.
Die Entscheidung ist jedoch trotzdem ein Risiko für die SPD. Scheitert Gesine Schwan erneut, so ist dies sicher eine Niederlage auch für Kurt Beck, welche der Stimmung so kurz vor der Bundestagswahl innerhalb der Partei und unter den Wählern sicher nicht hebt. Und diese Wahrscheinlichkeit ist angesichts der anzunehmenden Mehrheitsverhältnisse nicht gering. SPD, Grüne und Linke werden wohl auch nach der Bayernwahl keine absolute Mehrheit in der Bundesversammlung haben. Und die Stimmen der Linken hat die Kandidaten nicht allein deshalb, weil sie nicht Horst Köhler ist. Die Linke drängt in die Verantwortung, will akzeptiert werden, was angesichts der Person Oskar Lafontaines alles andere als einfach ist innerhalb der SPD. Aber auch die Stimmen den Grünen sind nicht automatische sicher, und das nicht erst seit der Bildung der ersten schwarz-grünen Landesregierung in Hamburg. Grüne Abgeordnete sehen sich nicht als Abstimmungsvieh in Opposition gegen schwarz-gelb.
Köhlers Beliebtheit ist sicher auch dem Umstand geschuldet, daß er sich, obwohl Kandidat des bürgerlichen Lagers, nicht unbedingt hat instrumentalisieren lassen für Positionen von CDU und FDP. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Struck hatte ja beinahe eine Unterstützung durch die SPD für Köhler bereits angekündigt. Als politischer Präsident, der Köhler auch angekündigt hatte, sein zu wollen, hat er auch die große Koalition mitunter verärgert. Wer also wollte garantieren, daß Anhänger des Seeheimer Kreises etwa nicht ihrerseits Köhler unterstützen? Auch macht sich bemerkbar, daß der Amtsinhaber kein Politiker ist, sondern immer hoher Beamter war. Politische Kommentatoren werfen ihm in diesem Zusammenhang zwar mitunter vor, keinen eigenen Stil im Amt gefunden zu haben. Aber gerade diese unpolitischen Eigenschaften tragen durchaus zur Beliebtheit des Präsidenten bei.
Bedenkenswert ist der Gedanke von Beobachtern, inwiefern Köhler, nunmehr wieder Kandidat, stoisch das Ergebnis der Wahl abwarten wird oder für sich wirbt. Dieses, so meinen einige, könnte das Amt beschädigen. Köhlers jüngste Berliner Rede, mit der er für jeden etwas Passendes einbrachte, klang bereits anders als vorherige. Aber die politischen Zeitläufte in Deutschland haben sich bereits früher verändert. 1998 wechselte erstmals die Regierung in Folge einer Bundestagswahl – also geschah das, was eigentlich normal ist in einer Demokratie.

EU in der Krise?

Der Ire sagt also nein zum Lissaboner Vertrag. Die EU steckt in einer Krise. Der Wandel von einer Freihandelszone hin zur verstärkten Integration, die spätestens seit Maastricht das Ziel der Politik war, wird nun von einem einzigen Land gebremst oder noch zugespitzter formuliert von einer Mehrheit einer knappen Mehrheit, die überhaupt an die Urnen gegangen ist. Wieder ist das Wort vom Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten zu hören.
Aber Hand aufs Herz: Hätten andere Länder ihre Bevölkerungen abstimmen lassen, das Ergebnis wäre nicht nur mitunter, sondern ziemlich wahrscheinlich noch anderswo negativ ausgefallen. Schweden hat den Euro abgelehnt, Franzosen und Niederländer die EU-Verfassung, die ja eigentlich Plan A sein sollte. Die Iren waren ursprünglich schon gegen den Vertrag von Nizza – wenigstens im ersten Anlauf. Nu ist also auch Plan B zum Stolperstein geworden. Einen Plan C nach dem Scheitern von Lissabon gibt es nun erst einmal nicht, so erklären die Politiker.
So bedauerlich aus der Sicht eines Intellektuellen, der sich mit den Vor- und Nachteilen der EU etwas besser auskennt als der Durchschnittsbürger, dieses Ereignis sein mag, sollten jene Zeitgenossen, die überzeugt sind, ihrer Zeit voraus zu sein und es vielleicht ja auch sogar sind, Demokraten bleiben. Es macht keinen Sinn, den Bürgern verschiedener EU-Staaten etwas aufzuzwingen, was sie nicht verstehen und wovor sie Angst haben. Andernfalls droht die Gefahr eines Geburtsfehlers einer neuen, integrierteren EU.
Vielmehr zeigt das irische Nein nur stellvertretend, daß die nationalen Politiken seit Jahren ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Den Menschen muß erklärt werden, warum sie Europa wollen sollen und warum die zunehmende Integration positiv ist. Die gemeinsame Währung betreffend verdrängen die Vorteile im Alltagsleben durchaus bereits das Lamento vom Teuro. Und auf die Annehmlichkeiten des Schengener Abkommens möchte auch kaum mehr jemand verzichten. Schwierig hingegen stellt sich der Mythos der Bürokratie von Brüssel dar, wo angeblich weltfremde Beamte den einzelnen Nationen ihren Willen aufzwängen. Aber ist es nicht so, daß gerade der Durchschnittsbürger sich oft über fehlende Ordnung beklagt? Gerade in den postsozialistischen Staaten ertönt doch der Ruf nach einer starken Hand, die im Lande für Ordnung sorgen möge, immer wieder ertönt. Und wenn dann jemand Regeln einführt, soll das plötzlich falsch sein?
Gefragt ist jetzt Überzeugungsarbeit hin zu einem Verständnis in der Bevölkerung, daß in Zeiten der Globalisierung die Heimeligkeit des Nationalstaates nicht mehr zurückkehrt und das Heil in einem gemeinsamen europäischen Auftreten besteht angesichts mächtiger Spieler auf der Weltbühne wie den USA und zunehmend eben auch China oder Indien.
Sollten nun alle anderen 26 Staaten den Lissaboner Vertrag ratifizieren ließe sich ganz sicher der Druck auf Irland ganz einfach erhöhen, also, erneut abstimmen und der Bevölkerung erklären, daß ein neuerliches negatives Votum für einen der am meisten profitierenden Staaten dann eben auch Konsequenzen hat bis hin zum Austritt. Aber das allein genügt nicht. Die Bevölkerung auch jener Staaten, die von ihren Politikern nicht gefragt wurde, sollte auch mit dem Herzen das Projekt unterstützen.