Freitag, 30. November 2007

Lettland - eine weibliche Gesellschaft? Mythos und Tatsachen

Dieser Text beruht auf einem Artikel, den ich mit Veiko Spolītis 2006 in der lettischen Tageszeitung Diena publizierte. Eine kürzere deutsche Fassung erschien in Axel Reetz (Hrsg.): Aktuelle probleme postsozialistischer Staaten. Das Beispiel Lettland, Wittenbach 2007.
Besucher, die als Tourist oder Geschäftsleute das erste Mal nach Riga kommen, tauschen gebetsmühlenartig Ihre Eindrücke über die Frauen aus. Neben dem Kleidungsstil, der sich von dem der Frauen in Deutschland unterscheidet – “weiblicher” lautet da das einhellige Urteil – geht es auch um ihre schiere Zahl. Dabei fällt dem Ausländer immer auch schnell auf, daß die meisten Straßenbahnen und Trolleybusse in Riga von Frauen gefahren warden. Doch auch im allgemeinen Straßenbild gebe es mehr Frauen als Männer, finden die meisten. Und überhaupt sehe man auf der Sträse fast nur junge Menschen. Also laufen durch Riga nur junge Frauen?
Auch die Einheimischen, insbesondere wieder die Frauen, behaupten regelmäßig, Lettland sei eine unikale Gesellschaft mit ihrem Frauenüberschuß, was dann schließlich auch die Schriftstellerin Dace Rukšāne in ihrer allwöchentlichen Kolumne “Sekss” unterstrich. Es sei allerdings hinzugefügt, daß man in Estland exakt dasselbe zu hören bekommt. Aber kann das dann sein?
Folgt man den Diskussionen der Politiker über den 8. März, kann man schließen, daß die männlichen Abgeordneten ähnlich wie die kommunistischen Theoretiker Frauen vorwiegend eine traditionelle Rolle im Hintergrund zugestehen. Die Tradition der Sowjetzeit fortsetzend wird der zur Zeit der Arbeiterbewegung Ende des 19. Jahrunderts ins Leben gerufene internationale Tag der Frauensolidarität noch heute in Lettland mit Tulpen und feuchtfröhlich am Arbeitsplatz begangen. Ironischerweise ist nach dem Bankrott der Marxschen Idee der Gleichheit die Thematik noch heute in Lettland für beide Geschlechter virulent.
Nicht weniger aktuell sind die geringe Geburtenrate und Alkoholismus, also Fragen, die üblicherweise nach krassen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Bewußtseins rücken. Ungeachtet der stufenweise wachsenden mittleren Lebenserwartung wie auch des gestiegenen Bildungsniveaus zum Ende des totalitären Systems, herrscht in Lettland noch immer eine vereinfachende Ansicht vor, daß es in Lettland mehr Frauen als Männer gibt. Die Autoren versuchen eine Antwort zu finden, wie zutreffend diese Annahme ist.

Überzahl der Frauen im Alltag
Eine Mehrheit von Frauen ist im Alltag an bestimmten Orten tatsächlich zu beobachten. Schon im Kindergarten und in der Grundschule kann man „unwissenschaftlich“ konstatieren, daß in diesem Bereich wenigstens 90% Frauen arbeiten. In vielen Jahren haben wir beobachtet, daß der Anteil der an den Hochschulen Sozialwissenschaft männlichen Studierenden selten über zehn Prozent liegt (ein online Kommentar in der lettischen Tageszeitung Diena verwies darauf, daß dieses Bild nicht für die technische Universität gelte). Ein Überblick über die lächelnden Sekretärinnen in den Büros, die Angestellten in Restaurants und Geschäften überzeugt, daß der größte Teil der Mitarbeiter in diesen Bereichen Frauen sind. Allerdings betreffen diese Beobachtungen auch vorwiegend Berufe mit Publikumsverkehr, und auf diese Weise kann eine falsche Vorstellung vom Unterschied in der Anzahl von Männern und Frauen entstehen.
Tatsächlich kommen in Lettland so wie in anderen Staaten der Welt auch mehr Jungen zur Welt als Mädchen. Wenn von 1991 bis 1995 in Lettland 83.201 Jungen und 78.997 Mädchen das Licht der Welt erblickten, waren es nach den politischen und ökonomischen Veränderungen zwischen 1996 und 2000 nur noch 49.790 Jungen respektive 46.876 Mädchen. Seit 2001 hat sich die demographische Situation wieder verbessert, aber in Lettland unterscheidet sich nach wie vor die mittlere Lebenserwartung von Männern und Frauen kraß von den Zahlen Westeuropas. Gerade die erwähnten Unterschiede zwischen den Altersgruppen lassen den falschen Eindruck entstehen, die Gesellschaft Lettlands sei unikal mit ihrem überproportional hohen Frauenanteil.
In absoluten Zahlen waren unter den Einwohner Lettlands im Jahre 2004 1.250.867 Frauen und nur 1.068.336 Männer. Wenn bis zum Alter von 30 Jahren die Zahl der Männer mit 262.613 noch jene der Frauen mit 253.863 übertrifft, dann ist eine deutlich Verringerung dieses Verhältnisses in der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren zu erkennen, wo 2004 160.984 Frauen nur noch 158.517 Männer gegenüber standen. Dieses Ergebnis verlangt eine Analyse, warum in einem Land, in dem die Zahl der Männer bis zum Alter von 30 über jener der Frauen liegt, die Zahl der Männer anschließend so dramatisch sinkt.

Sterblichkeit und Emigration
Die Sterblichkeit analysierend ist feststellbar, daß das Verhältnis von natürlichen Todesursachen zwischen Jungen und Mädchen 4:1 beträgt. Den Daten für das Jahr 2003 folgend sind im Alter zwischen 20 und 24 Jahren 43 junge Frauen, aber 164 junge Männer an Krankheiten gestorben. In der Altersgruppe zwischen 25 und 29 Jahren waren es 54 Frauen gegenüber 203 Männern. In der Gruppe der über 30jährigen verringert sich diese Differenz. Und im Alter zwischen 45 und 49 Jahren starben 371 Frauen und 802 Männer.
Erschütternder sind die unnatürlichen Todesursachen. Der internationale Vergleich zeigt, daß besonders im Alter von 18 bis 25 Jahren die Zahl der Unfallopfer besonders hoch ist. In der schwierigen Umbruchzeit 1994 starben 4.637 Männer und nur 1.372 Frauen, im Jahre 2003 dagegen 3.373 Männer und nur 931 Frauen. Im selben Jahr fielen Autounfällen 407 Männer und 145 Frauen zum Opfer, während durch Gewalt 165 Männer und 82 Frauen zu Tode kamen. Selbstmord verübten schließlich 2003 483 Männer und 122 Frauen, wenn auch Frauen deutlich häufiger einen Selbstmordversuch unternehmen. Prinzipiell ist das im internationalen Vergleich nicht ungewöhnlich.
Um eine umfassende Antwort auf die Eingangsfrage zu erhalten, betrachten wir auch die Emigrantenzahlen. Im Jahre 2003 etwa verließen 4.834 Frauen und 3.076 Männer im Alter zwischen 20 und 24 Jahren Lettland. Das langfristige Migrationsaldo in diesem Jahr betrug –650 Frauen, allerdings nur –196 Männer. Diese Tendenz ist bis zum Alter von 39 Jahren zu beobachten.
Folglich ist in Lettland eine Situation entstanden, in der durch die größere Sterblichkeit der Männer und die höhere Auswanderungsrate der Frauen ab der Altersgruppe der über 30jähirgen die Zahl der Frauen jene der Männer übersteigt und das ist in Lettland und Estland gleichermaßen das Ungewöhnliche gegenüber anderen Gesellschaften. Aber bedeutet dieses Ergebnis, daß die Männer ihr Leben schneller verleben und die Frauen das ihrige besser zu planen verstehen?

Umbruch im politischen und ökonomischen System
Als Folge des technischen Standards in der Sowjetunion war die Wirtschaft eine arbeitsintensive. Die Arbeitskraft der Frauen wurden, Haushaltsführung hin oder her, benötigt. Die Emanzipation der Frauen während der Zeit der sowjetischen Okkupation war eine formale, folglich betraf die Frauen in Lettland die Frauenbewegung der westlichen Welt in den 1970er Jahren nicht, die Gesellschaft blieb in bezug auf das Rollenverständnis der Geschlechter eine traditionelle. Dennoch tragen die Bildungsmöglichkeiten der Sowjetzeit ihre Früchte und erlauben den Frauen Lettlands vergleichsweise besser die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen zu durchleben. Noch 1979 kamen auf 1.000 Einwohner 76 Frauen, aber 86 Männer mit Hochschulbildung. 1989 betrug diese Zahl für beide Geschlechter bereits 115. Doch im Jahre 2000 gab es pro 1.000 Einwohnern bereits 151 Frauen und nur 124 Männer mit Hochschulbildung. Diese Entwicklung findet ihre Begründung in der sowjetischen Zeit, als die Gesellschaft patriarchalisch aufgebaut war und dem Mann die Rolle des Familienversorgers zudachte, die hauptsächlich mit Arbeit im industriellen und Landwirtschaftssektor verbunden war.
In Folge des Zusammenbruchs der nicht effektiv wirtschaftenden Unternehmen in Industrie und Landwirtschaft gerieten die traditionellen „Familienversorger“ in die Abhängigkeit ihrer Partnerin. Der Zustand, daß mit einem Lehrereinkommen der Frau überlebt werden muß, war den Männern, die an die traditionelle Männerrolle gewöhnt waren, unangenehm, was wie Alkoholismus, Ehescheidung und vergleichbare Probleme zunehmen ließ. Viele Untersuchungen während der vergangenen zehn Jahre haben wie die von Andris Kangro und Andrejs Geske gezeigt, daß Mädchen in der Schule in Lettland erfolgreicher sind als Jungen und das spiegelt sich wieder in den Ergebnissen der Aufnahmeprüfungen der Hochschulen. Dank der besseren Ausbildung und besserer Sprachkenntnisse steigen Frauen in der heutigen modernen Informationsgesellschaft schneller auf der Karriereleiter nach oben. Und sie finden häufig besser ausgebildete Lebenspartner außerhalb Lettlands.
Auf diese Weise haben es die traditionellen lettischen Männer aufgrund ihrer unbefriedigenden intellektuellen und materiellen Umstände schwer, ohne Anstrengung eine kluge und attraktive lettische Frau zu finden, obwohl bis zum Alter von 30 die Zahl der Männer die der Frauen übersteigt. Und so gab es im herbst in der estnischen Tageszeitung Postimees einen großen Artikel über den Trend, daß estnische junge Frauen ins Ausland heiraten.
Gleichzeitig ist die Zahl der Schulmädchen in Lettland geringer als die der Jungen, und es ist möglich, daß dies ein Grund für die Mädchen ist, sich mehr anzustrengen; ein Grund für weitere Untersuchungen. Letztlich hoffen die Autoren trotz der Dramatik der genannten Zahlen, daß durch veränderte Prioritäten und eine bessere Finanzierung des Bildungswesens auch die Jungen besser für die Herausforderungen der modernen Wirtschaft vorbereitet werden können und folglich Stück für Stück das Problem der ungleichen Geschlechterverteilung in Lettland gelöst wird.
Wichtig ist hier auch die Erziehung. Sowohl in Familie als auch Schule ist diese weiblich dominiert. Gerade jene Damen, welche den Mangel an Männern, akzeptabele Männer wäre die bessere Formulierung, beklagen, sollten bei den Kleinen Vorsorge tragen, daß ihre Töchter sich nicht wieder mit dem g,eichen Typ Männer abgeben müssen, die ihnen selbst nicht zufriedenstellend erscheinen.

Literatur
Andris Kangro, Andrejs Geske, Zināšanas un prasmes dzīvei. Latvija OECD valstu Starptautiskajā skolēnu novērtēšanas programmā. 1998-2001, „Mācību Grāmata: Rīga, 2001
Dace Rukšāne: Tāds vīriešu trūkums kā Latvijā neesot gandrīz nekur citur pasaulē [Ein solches Fehlen an Männern gebe es fast nirgendwo sonst auf der Welt]; in: Sestdiena, 22. August 2004
Latvijas Republikas Centrālā Statistikas Pārvalde: Demogrāfija 2004, Rīga 2004
Results of the 2000 population and housing census in Latvia, Rīga 2001

Prezidenta loma un iespējas

Sakarā ar politisko krīzi Latvijs valdībā, Valda Zatlera ievēlēšanu par prezidentu un deputāta Jāņa Lagzdiņa žestu 2003. gada 11. janvārī Dienā publicētais raksts, šķiet, nav zaudējis aktualitāti: "Tautas vēlēts prezidents — šķeltnieks"
Sociālais stāvoklis valstī ir smags. Politikā — valdība un Saeima it kā nerūpējas par tautas ikdienu, neņem vērā tās bažas. Tādas domas Latvijā var dzirdēt bieži. Vai tad tas nebūtu īstais iemesls beigt strīdus starp partijām un realizēt Satversmes maiņu tautas ievēlētā prezidenta labā, lai kāds tā saucamais godīgais cilvēks ar stipru roku ievestu kārtību un taisnību valstī. Uz šīs klaviatūras spēlē dažas poliskās partijas, atbalstot tautā izplatīto uzskatu, galvenokārt sociāldemokrāti ar juristu Juri Bojāru priekšgalā, kurš pats kā profesionāls jurists pat ir uzrakstījis jauno konstitūciju. Lai gan LSDSP 8.Saeimas vēlēšanās zaudēja, tātad šķiet, ka šis jautājums vēlētājiem nebija svarīgs, tomēr iedzīvotāji ir pozitīvi noskaņoti tieši jautājumā par tautas ievēlētu prezidentu.Tad kāpēc šīs idejas īstenošana ir tik sarežģīta, pat vēl vairāk — arī kritiska? Jebkura atbilde pirmajā brīdī noteikti izklausās birokrātiska, kaut kas teorētisks. Taču tikai tā vajag diskutēt par Bojāra un citu politiķu ierosinājumu. Brīvā valstī tomēr ir jēga un pat nepieciešamība noteikti padomāt par plusiem un mīnusiem.Demokrātiskās valstis pasaulē dalās parlamentārajās un prezidentālajās demokrātijās. Ir vairākas valstis, kurās prezidentam pieder vislielākā vara vai vismaz diezgan liela, salīdzinot ar parlamentu un valdību. ASV, piemēram, valsts prezidents ir arī valdības galva, pēc savas gribas viņš sasauc Ministru kabinetu un nav atbildīgs parlamentam. Tā saucamais checks and balances (ierobežojumi un atsvari) garantē līdzsvaru cīņā par politiskām idejām starp parlamenta divām palātām un prezidentu. Šī sistēma ir kopēta valstīs Dienvidamerikā. Francijā ir valdība, kur ministru prezidentu izvirza parlamenta vairākums, bet valsts prezidentam daudzās jomās ir noteicošā loma. Līdzīgi ir Polijā un kaimiņvalstī Lietuvā. Pat Latvijā ar tiesībām nosaukt ministru prezidentu valsts prezidentam ir nedaudz svarīgāka lomā politiskajā dzīvē nekā, piemēram, Vācijā.Kāpēc franču vai lietuviešu piemērs Latvijā neder? Atbilde ir ļoti vienkāršā. Lai gan katrs vēlētājs pats zina, kāda politika viņam patiktu un kurš varētu būt tas īstais vadonis viņa gribas īstenošanai, viedokļi tautā kopumā ļoti atšķiras, citādi Saeimā tagadējo daudzo partiju vietā būtu mazāk frakciju. Pagaidām nevienam no politiskajiem spēkiem nav pat ceturtā daļa tās pašas tautas atbalsta. Tieši otrādi, tauta pati ir ievēlējusi tādu daudzkrāsainu partiju spektru. No tām veidojot koalīciju, lai iegūtu aptuveni 50% balsu un ietekmi pozīcijā, Latvijā nekad nav pieticis ar mazāk par trim partijām. Kas notiktu, ja tikai viens cilvēks tiktu ievēlēts un tikai no viņa gribas būtu atkarīgs viss Ministru kabinets? Vienam būtu vēl daudz grūtāk apvienot sevī tādu interešu un viedokļu dažādību, kāda parlamentārā valdībā ar vairākām partijām ir reprezentēta. Ļoti iespējams, ka neapmierinātība tautas vidū varētu vēl pieaugt.Pieņemsim gadījumu, ka prezidents būtu tieši ievēlēts, bet bez tādas noteicošas lomas. Kāpēc tad tiešo vēlēšanu ideja nav īsti laba? Tieši ievēlētam prezidentam būtu lielāka leģitimitāte nekā ministru prezidentam, kurš stājas amatā tikai pēc partiju vienošanās. Ja nu jāpieņem nepopulāri lēmumi — un kurā valstī tas dažreiz nav jādara, tad ministru prezidentam būtu jāaizstāv sava rīcība, kamēr prezidents, kuram īsti nav teikšanas, bet nav arī tādas atbildības un līdz ar to vieglāk runāt (ja ne lamāties), varētu it kā tautas interesēs iebilst pret valdības rīcību. Tāds scenārijs var mierīgi un ātri novest līdz konstitucionālajai krīzei.Lai kā katram indivīdam patiktu ar prezidenta institūciju palīdzību īstenot tieši savām vēlmēm atbilstošu politiku, daudzslāņainā sabiedrībā tāds prezidents drīzāk šķeltu, nevis vienotu tautu. Tāpēc atbalstīt tādu Satversmi nevajag, it īpaši sabiedrībā, kura nav vienota vai homogena, bet daudzveidīga, valstī, kur vēl jāatrisina problēma par ārvalstnieku integrāciju.

Dienstag, 27. November 2007

Deutsche Sprache, schwere Sprache

Das war in der Schulzeit ein geflügeltes Wort. Auch Klausuren waren meist schwer oder leicht, obwohl nie jemand beziffern konnte, wieviel Kilo die Kandidaten denn so wohl auf die Waage bringen. Sicher war jedenfalls, daß die Adjektive schwierig und einfach bereits vor über 20 Jahren ein Schattendasein führten. Einzug hielten damals auch die Verwendung der Präposition wegen mit dem Dativ - wegen des Dativs stirbt der Genitiv - wie auch die Unsitte, nach der Konjunktion „weil“ mit einem neuen Hauptsatz zu beginnen. Nichtsdestotrotz kann man nicht behaupten, daß die Sprache damit auch nur einen Deut unverständlicher geworden wäre. Und lebende Sprache verändern sich nun einmal.
Daß es in Deutschland einen Verein gibt, der sich mit diesem Thema beschäftigt, war mir unbekannt, als mir kürzlich in Riga dessen Zeitung zugetragen wurde. Selten habe ich ein so verbohrtes Blatt gelesen. Der Verein geißelt nicht nur die eingangs beschriebene Entwicklung der „richtigen“ Grammatik, sondern wendet sich insbesondere gegen Lehnworte. Damit steht die Frage auf dem Prüfstand, ob mit der Übernahme von Wörtern aus anderen Sprachen die eigene eigentlich ärmer oder nicht vielleicht doch auch bereichert wird.
„Baiser“ kann man in Deutschland essen, in Frankreich könnte das eher problematisch werden, selbst wenn sich die Liebenden zum Fressen gern haben. Die Russen haben Бутербротt („Buterbrot“) aus Deutschland importiert, schmieren sich dieses aber nicht zum Frühstück oder Abendessen, sondern sie erwerben es käuflich im Café. Рюкзак („Rjuksak“) dagegen ist in seiner Bedeutung in beiden Sprachen identisch.
Ähnliches gibt es auch anderswo. Die Engländer haben „Kindergarden“ übernommen und insbesondere im Süddeutschen sagt man seit den französischen Besatzungen häufig „Trottoir“; im Rheinland sind die „Fisematentchen“ (wie soll man das eigentlich schreiben?) aus der Zeit Napoleons übriggeblieben. Für Nicht-Rheinländer: dieses Wort leitet sich aus dem französischen „visit ma tent“ ab; die jungen Mädchen sollten den französischen Soldaten auf diese Einladung nicht folgen.
In der jüngeren Vergangenheit lebt kaum mehr jemand ohne Schaschlik (rus: Шашлык, lv: Šašliks, ee: Šašlõkk) und Pommes (was Esten und Letten mit „frikartul“ und „kartupeļi frī“ halb übersetzen) oder Hamburger. Da der Russe kein H am Anfang eines Wortes mag, heißt es hier „Gamburger“ wie eine deutsche Stadt „Gamburg“ (Гамбург). Dem Wort Hamburger kann man eine deutsche Bedeutung nicht abpsrechen, doch die Einwohner besagter Stadt könnten sich beleidigt fühlen, verwechselte man dies unziemlich. Und auch wenn Schranke ein deutsches Wort ist, werden manche vielleicht nicht begreifen, daß diese im vor allem Ruhrgebiet auch eßbar ist. Vielleicht gibt es deshalb in Rußland auch nur den „Schlagbaum“ (Шлагбаум). Natürlich ließe sich diese Liste beliebig fortsetzen und auf Sprachen ausdehnen, derer ich nicht mächtig bin.
Lehnwörter sind aber, die Sprache lebt eben, auch dem Wandel schonungslos ausgesetzt. So ist das „Portemonnaie“ mit der letzten Rechtschreibreform gehörig eingedeutscht worden. Und darum vielleicht als Bonmot am Rande: Die Esten haben in jahrhunderterlanger Herrschaft durch eine deutsche Oberschicht ebenfalls viele deutsche Lehnwörter. Da ihre Sprache sich mit den Zischlauten schwertut, wurden aus Schloß „loss“ und aus Strand „rand“ etc.
Lehnwörter für neue Phänomene oder Erfindungen bereichern eine Sprache zunächst erst einmal, denn es gibt dann mehr Wörter als vorher. Viele nennen ihren liebsten technischen Freund „Rechner“, was ja nur eine direkte Übersetzung von „Computer“ ist. Während der englische Muttersprachler aber nur das eine Wort hat, haben die deutschen Muttersprachler bereits ein Synonym.
Hochsprache und Rechtschreibung wiederum haben sich entwickelt, sie begründen sich auf die Bedeutung von Martin Luther und der späteren Notwendigkeit zur Einheitlichkeit. Ein Text von Friedrich dem Großen, dem man sicher nicht vorwerfen kann, ungebildet gewesen zu sein, ließt sich heute schwierig, obwohl das 18. Jahrhundert deutlich nach Luther war. Die Rechtschreibung war damals sowieso dem Gusto des Schreibenden überlassen, aber auch die Ausdrucksweise klingt komisch für heutige Ohren. Goethe lebte, bevor die Duden-Redaktion zu ihrer heutigen Bedeutung aufrückte, klingt aber für den Gegenwartskonsumenten eher gestelzt. Ein Text von Albrecht Dürer dagegen ist heute kaum noch verständlich.
Übrigens: Dieser Text ist konservativ in alter Rechtschreibung verfaßt!

Aizvietot politiskus lēmumus ar administratīviem līdzekļiem?

Latvijā ļoti bieži tiek diskutēt par tieši vēlēto prezidentu, par atsaucamo deputātu utt. Lai mainīt vēlēšanu sistēmu pat nodibināta biedrība. Es šim rakstam devu asāku virsrakstu: "Labklājību Latvijai ar varoņu “Ukasiem”?"

"Tautas" ilgas pēc nevainīgas politikas

Šim rakstam, kuru kopā ar Veiko Spolīti rakstīju redakcija mainīja nedaudz virsrakstu. Doma ar jēdzienu tauta pēdiņās bija pasvītrot iedzīvotāju vēlme norobežoties no politiskās elites.

Montag, 26. November 2007

Wer auch im Alter noch Kommunist ist …

... muß nicht unbedingt (deshalb) ungebildet sein (bleiben?)
Die politische Ausrichtung der Jungen Welt ist bekannt, und kein Demokrat wird sich dagegen wenden, daß andere Denkschulen als die eigene auch ihre Presseorgane haben. Schwierig hingegen wird es, wenn Meinungen und schlimmer noch Kenntnisse von Lesern durch bewußte Halb- und Falschinfos zu beeinflussen versucht werden, wie im Beitrag über Estland neuerlich geschehen.
Im Interview kommt ein in Estland lebender Russe namens Igor Iwanow vor, den die Interviewerin nicht einmal vorstellt. Der Leser erfährt also wenigstens von der Jungen Welt nicht, welche Funktion dieser Mann innehat. Es fällt dem Leser darum schwer, den Befragten einzuschätzen.
Bereits der Titel des Interviews stellt eine Verbidung zwischen zwei Dingen her, die es überhaupt nicht gibt. Ein Denkmal, daß die Esten den Kämpfern im Freiheitskrieg während und nach dem Ersten Weltkrieg aufstellen, Freiwillige, die teilweise noch Schüler waren, kann mit einer der Schutzstaffel der Nazis nichts zu tun haben. Der Krieg endete mit dem Friedensvertrag von Tartu 1920, die SS wurde aber erst 1925 gegründet!
Aber damit nicht genug, mutiert der Bronzesoldat plötzlich zum antifaschistischen Mahnmahl. In Wahrheit aber ist es ein Denkmal für die Gefallene des Zweiten Weltkrieges, von denen einige Esten, die auf Seiten der Sowjetunion kämpften, dort auch tatsächlich beerdigt waren.
Und dann kommt schon die nächste Fehlinformation. Das Denkmal wurde ebensowenig wie die Leichname “entsorgt” wie sich die Junge Welt auszudrücken beliebt, sie wurden transloziert auf den Soldatenfriedhof, also dorthin, wo sich üblicherweise Gräber gefallener Soldaten befinden.
Vor dem Hintergrund dieser gezielten Falschinformationen mutet es schon weniger dramatisch an, daß bezüglich der Staatenlosen in Estland, bei denen es sich um während der Okkupation Zugewanderte aus anderen Sowjetrepubliken handelt, jederzeit ihre Einbürgerung beantragen können. Dies wird einfach verschwiegen.

"Die Linke" antwortet:

Zwischen Ulla Jelpke (MdB, Die Linke) und mir gibt es eine Forsetzung der Diskussion. Meine erste Reaktion auf Jelpkes Artikel in der Jungen Welt unter "Wie Die Linke das Baltikum durch die ideologische Brille sieht".

Sehr geehrter Herr Dr Reetz,
keineswegs wollte ich Sie als Kronzeugen für meinen gesamten Beitrag in der jungen Welt verwenden. Das war nicht meine Absicht und ein unvoreingenommener Leser wird dies auch kaum so empfinden. Lediglich in der Frage der Herausbildung oder besser Nichtherausbildung eines traditionellen rechts-links-Parteischemas in den baltischen Staaten habe ich mir erlaubt, Sie als ausgemachten Experten zu diesem Thema zu zitieren. Dass Ihnen daraus irgendwelche Nachteile entstehen können, kann ich nicht sehen. Sollte es dennoch so sein, bedauere ich dies.
Ich verwehre mich gegen den Vorwurf, ich würde verschiedenes Unrecht miteinander aufwiegen. Das ist nicht die Absicht meines Artikels in der „jungen Welt“. Ich werfe im Gegenteil der Regierungspolitik der drei baltischen Staaten genau dies vor. Dies war mein Eindruck aus den zahlreichen Gesprächen mit Offiziellen während der Baltikumreise.
Sie schreiben, Lenin wollte keineswegs auf die baltischen Länder verzichten. Daher hätten die dortigen Völker einen rund zwei jährigen blutigen Freiheitskrieg gegen die Sowjetmacht liefern müssen. Weil die bürgerlichen Führungen dieser Staaten sich mit den westlichen Großmächten, aber auch rechtsextremen deutschen Freikorps, verbündet hatten, um Sowjetrussland zu bekämpfen, verletzte die sowjetrussische Regierung tatsächlich das Selbstbestimmungsrecht. Als dauerhafte Maßnahme war die Okkupation des Baltikums nicht geplant, es ging um Hilfestellung für die dortigen revolutionären Kräfte und um die Sicherung Sowjetrusslands. So waren dann auch die Friedensschlüsse 1920 möglich, da Sowjetrussland eben keine territorialen Ansprüche an das Baltikum stellte.
Die Form des Anschlusses der drei baltischen Staaten in Folge des Hitler-Stalin-Paktes an die UDSSR 1940 kann natürlich kritisiert werden. Doch bestand damals keine realistische Chance auf eine Eigenstaatlichkeit. Entweder wären diese Staaten erneut als deutsche Satelliten zum Aufmarschgebiet antisowjetischer Kräfte geworden, oder sie mussten ins sowjetische Herrschaftsgebiet eingegliedert werden. Dies war die Tragik der kleinen Staaten am Vorabend des Weltkrieges. Das hatte ich in der jungen Welt nicht weiter ausgeführt, zumal mein Schwerpunkt ja woanders lag.
Die unter Stalin auch im Baltikum begangenen Verbrechen möchte ich keinesfalls leugnen oder gar rechtfertigen. Der Sieg über die faschistischen Eindringlinge und ihre baltischen Kollaborateure und damit die Befreiung des Baltikums von der Nazibesatzung waren in meinen Augen jedoch Ruhmestaten der Sowjetunion und keine Verbrechen.
Allerdings muss die sowjetische Politik gegenüber dem Baltikum und im Baltikum durchaus kritisch betrachtet werden. Denn die Fehler und auch Verbrechen dieser Politik haben schließlich langfristig mit zu der heute dominanten antikommunistischen und antirussischen Grundstimmung geführt. Und das kann nicht im Interesse von Sozialistinnen und Sozialisten sein.
Worum es in meinem Beitrag unter anderem geht, ist die Einseitigkeit der Aufarbeitung der russischen bei weitgehender Verdrängung der deutschen Okkupation und der Verbrechen der Nazis im Baltikum sowie der ausgeprägten Kollaboration vieler Balten mit den Nazis.
Sie haben recht mit Ihrem Hinweis, dass in Vilnius auch ein jüdisches Museum existiert. Doch wo die Prioritäten der Vergangenheitsbewältigung liegen, wird deutlich, wenn Sie dessen traurigen, verstaubten Zustand mit den bestens ausgestatteten Gedenkstätten wie etwa den Okkupationsmuseen vergleichen.
Es ist ja auch kein Geheimnis, dass sich in Estland SS-Veteranenverbände ungestört zu Kameradschaftstreffen versammeln können und die Kollaboration mit dem Nationalsozialismus zum nationalen Befreiungskampf umdefiniert wird. Sowjetische Symbole an sowjetischen Kriegerdenkmalen gelten als Provokation, während sich offensichtlich kaum einer daran stört, dass an Straßenständen T-Shirts mit Hakenkreuzen verkauft werden.
Selbst Justizminister Rein Lang kam nicht um das Eingeständnis herum, dass man Nazisymbolen gegenüber bisher recht viel Toleranz aufgebracht hätte, da es seiner Meinung nach zwischen Josef Stalin und Adolf Hitler absolut keinen Unterschied gebe. Zwar strengt Lang ein Verbot sowohl faschistischer Symbole wie dem Hakenkreuz als auch kommunistischer Symbole wie Hammer und Sichel und dem roten Stern an. Doch das ist eben jene Form der ahistorischen Gleichsetzung, die ich kritisieren wollte.
Der von mir erhobene Vorwurf des weitverbreiteten Russenhasses in den baltischen Staaten stützt sich neben eigenen Beobachtungen auf Gespräche mit dort lebenden russischstämmigen Menschen und deren Verbänden. Sie erwähnen ja auch, dass etwa 40% der nicht lettischen Bevölkerung Lettlands staatenlos sind. Das Wörtchen „nur“ würde ich in diesem Zusammenhang nicht gebrauchen, da es sich hier um eine erhebliche Diskriminierung einer größeren Bevölkerungsgruppe handelt.
Als innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE thematisiere ich seit langem die rechtlose Situation von Flüchtlingen und Migranten in Deutschland. Von daher nehme ich mir auch das Recht heraus, solche Zustände in anderen Ländern – so auch in den baltischen Staaten – ebenfalls anzuprangern.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Jelpke


Sehr geehrte Frau Jelpke,
daß Sie mich in Ihrem Artikel als Kronzeugen anführen, habe ich Ihnen nicht vorwerfen wollen, jedoch genügt mir, daß Google bei der Suche nach meinem Namen auch ein Link auf Ihren Artikel anzeigt. Übrigens wird das Thema der Parteiensysteme in dem von Ihnen zitierten Buch nur im Beitrag von Māris Ginters am Rande erwähnt. Die Parteiensystem behandelte ich im Rahmen meiner Dissertation. Dies ist ein Hinweis darauf, daß Sie mein Buch überhaupt nicht gelesen haben, sonst hätten Sie dem Titel folgend, anstatt über die Sowjetzeit etwas mehr über das Heute berichten können. Das Buch beschäftigt sich nämlich mit den politischen und sozialen Folgen der Diktatur während der Transformation zu Demokratie und Marktwirtschaft. Hier hätte es sehr viel Kritisches über die baltischen Staaten zu berichten gegeben.
Ich habe als Demokrat und Politikwissenschaftler, der Diskussion für wichtig hält, keine Schwierigkeiten mit Ihrem Widerspruch gegen meinen ersten Brief. Doch zahlreiche sachliche Fehler hätten Sie vermeiden können, wenn sie aufmerksam wenigstens den einführenden Beitrag über Lettland studiert hätten. Den Vorwurf, daß Sie verschiedenes Unrecht miteinander aufwiegen, halte ich aufrecht. Sie werfen den baltischen Republiken ja vor, drei Jahre deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkrieges mit den 50+1 Jahren der sowjetischen Okkupation zu vermengen, gehen aber auf die von mir im ersten Schreiben erwähnten zahlreichen Aspekte überhaupt nicht ein, sondern so wie in Ihrem Artikel damit fort, die Welt und die Geschichte einseitig nach Ihrem Gusto darzustellen. Mich stört, respektive es widert mich sogar teilweise an, daß Sie sogar solche Fakten nicht akzeptieren, die wissenschaftlich unumstritten und auch von internationalen Organisationen anerkannt sind.
Das zeigt sich beispielsweise in Ihrer Nutzung des Begriffes der „Befreiung“, welchen Sie für die neuerliche Besatzung durch die Sowjetunion 1944 verwenden. Daß dies keine Befreiung war, ist ersten international unbestritten wie auch anhand der Erfahrungen der Menschen nachvollziehbar. Sie wurden nicht befreit, sondern der Terror begann mit diesem Zeitpunkt erst richtig. Über 50 Jahre hinweg war nur noch von Kollaboration die Rede, die ein Vorwand für Deportationen war wie auch dafür, die Menschen generell als Faschisten zu beschimpfen, was, dank der Schuldbildung der meisten Russen, bis heute anhält. Auch ich werde regelmäßig als Faschist von Russen beschimpft, was ich angesichts meiner Familiengeschichte als grobe Unverschämtheit empfinde. Die randalierenden, betrunkenen Jugendlichen haben dieses Wort im April in Tallinn übrigens ebenfalls skandiert, was neben der Beleidigung auch unhistorisch ist. Die Sowjets haben aus Angst vor einer Verwechslung der Sozialismen Hitler als Faschisten bezeichnet, er selbst nicht.
Von Befreiung zu sprechen ist aber auch eine schallende Ohrfeige erstens für die Partisanen, die sich, vergleichbar denen in Jugoslawien gegen die Nazis, gegen die Sowjetunion zu Wehr gesetzt haben, und zweitens ebenfalls auch für die zahlreichen Staaten, welche die Okkupation durch die Sowjetunion völkerrechtlich nie anerkannt haben, wenn sie auch nicht realpolitisch oder gar militärisch Hilfe leisten konnten.
Noch 2005 provozierte der russische Präsident Путин die baltischen Republiken mit einer Einladung zur 60 Jahrfeier des Kriegsende und erklärte, bei diesem Besuch könnten auch gleich die bereits mehr als zehn Jahre paraphierten Grenzverträge unterschrieben werden.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Geschichtswahrnehmung in den baltischen Staaten eine andere ist, als bei den meisten Menschen in (vor allem) Westeuropa, die nur einen Feind, die Nazis gesehen haben. Insbesondere die Deportation von 1941 haben für die baltischen Länder einen Feind entstehen lassen, dessen Gefahr entschieden höher eingestuft wurde, weshalb die Mobilmachung durch die SS 1943 auf fruchtbaren Boden fiel.
Was die Eindrücke Ihrer Gespräche betrifft sollten Sie nicht unterschätzen, mit Vertretern welcher Organisationen Sie gesprochen haben. Das gilt insbesondere für Ihre Behauptung vom Russenhaß, welcher angesichts der erwähnten Verbrechen durchaus nachvollziehbar wäre. Auf diesen Umstand weisen sogar Sie selbst hin und bedauern die erwähnten Verbrechen nur aus diesem Grund, mit Verlaub, m.E. ein Hohn gegenüber den Menschen nicht nur aus dem Baltikum, die Stalin auf dem Gewissen hat. Überdies ignorieren Sie den Umstand, daß die von den Sowjets angesiedelten Russen die baltischen Staaten als „ihr“ Land betrachtet und z.B. nie für nötig befunden haben, die Landessprachen zu erlernen, viele können nicht einmal „Guten Tag” oder „Danke” sagen. Nichtsdestotrotz möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich unterstreichen, daß die Bevölkerung der baltischen Staaten die dort lebenden Russen eben nicht persönlich für die Verbrechen der Sowjetunion verantwortlich machen (nie gab es in den baltischen Staaten Ausschreitungen zwischen ethnischen Volksgruppen), und das, obwohl auch ich regelmäßig auf chauvinistische Einstellungen treffe wie etwa: „Estland, das ist doch keine Kultur, das muß man von der Landkarte wischen” oder „ich kann die Deutschen verstehen, Rußland ist auch ein großes Land, da müssen sich die kleinen eben unterordnen”. Ich habe mich gegen diese Sprüche verwahrt.
Die Frage der Staatenlosen ist in den letzten 15 Jahren im Westen ausführlich diskutiert worden – meist übrigens mit falschen Behauptungen, teilweise sogar aus der Wissenschaft, die Nichtbürger hätten keine sozialen und wirtschaftlichen Rechte. Wahr ist, daß Sozialleistungen und wirtschaftliche Aktivität nicht von der Staatsbürgerschaft abhängen. Wenn in Lettland 40% der nicht lettischen Bevölkerung (also nicht der Gesamtbevölkerung!) staatenlos sind, ist das erst einmal ein Hinweis darauf, wie viele Russen die Sowjets außerhalb „ihres“ Landes angesiedelt haben! Also war die Okkupation nicht nur de facto eine Annexion, sondern auch der Versuch einer Kolonialisierung (die Diskussion der Idee vom Sowjetmenschen führte an dieser Stelle zu weit). Aber Sie unterstellen diesem Bevölkerungsanteil mit ihrer Kritik unterschwellig, unfreiwillig staatenlos zu sein. Sicher gibt es solche, die sich nach wie vor weigern zu akzeptieren, daß sie eben nicht in „ihrem” Land leben, verstanden als eine Kolonie Rußlands. Sie befinden sich in einem Nationalstaat einer anderen Nation, dessen Staatsbürgerschaft sie erwerben können. Aber viele verzichten auf die Staatsbürgerschaft auch aus den unterschiedlichsten praktischen Gründen. Die baltischen Staaten sind Mitglied eigentlich aller internationaler Organisationen, weshalb auch ihre Einwohner, die keine Bürger sind, heute sicher „rechtlos”er sind, als während der Sowjetzeit, als es genügte, sich beispielsweise auf die Schlußakte der KSZE von Helsinki zu berufen, welche auch die Sowjetunion unterzeichnet hatte, um sich noch 1986, bereits nach dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow, im Gefängnis wieder zu finden. Die heutige Rechtsstaatlichkeit und die Wirkung der Mitgliedschaft in supranationalen Organisationen belegt etwa das Beispiel aus Litauen, welches dazu gezwungen wurde, einer Person nach der Geschlechtsumwandlung Papiere mit einem auf das andere Geschlecht zutreffenden Namen auszustellen, was zuvor gesetzlich in Litauen nicht möglich war! Wie bereits eingangs erwähnt, hätte es für Ihren Artikel in der Jungen Welt dankbarere und zutreffendere Kritikpunkte gegeben.
Zutreffend in Ihren Ausführungen ist, daß die Entente-Mächte im Baltikum befindliche deutsche Truppenverbände unter general Graf Rüdiger von der Goltz nach der Kapitulation des Deutschen Reiches 1918 um den Verbleib vor Ort und Unterstützung im Kampf gegen den Bolschewismus gebeten haben. Aber ich erwähnte bereits den Freiheitskrieg, der insbesondere in Lettland tobte, in meiner ersten Antwort! Es gab zeitweilig drei Regierungen in Lettland, eine von den Deutschen unterstützte unter Andrievs Niedra, eine nationale unter Kārlis Ulmanis, welche zeitweise ins Ausland fliehen mußte, und die kommunistische unter Pēteris Stučka, welche ihre Existenz einer positiven Haltung gegenüber der Sowjetunion in Teilen der lettischen Bevölkerung verdankte, sich aber mit ihrem Terror gegen die Bevölkerung diskreditierte. Außerdem wurde ein Teil des russischen Bürgerkrieges auf lettischem Territorium ausgetragen, wo neben den deutschen Verbänden die Freiwilligen unter Pavel Bermondt kämpften, gegen die Sowjetherrschaft, aber selbstverständlich auch gegen die Unabhängigkeit Lettlands. Die estnischen nationalen Verbände unter General Johan Laidoner waren seinerzeit der jungen Roten Armee überlegen und sind in Richtung St.Petersburg weit auf russischem Territorium vorgedrungen. Ihre Behauptung, eine dauerhafte Okkupation sei damals von Sowjetrußland nicht angestrebt worden, ist unzutreffend, was die Geschichte dann ja auch gezeigt hat. Schön, daß Sie in diesem Zusammenhang die Friedensschlüsse von 1920 erwähnen – so lange hat nämlich der Freiheitskampf angedauert (!) – in denen die Sowjetunion für alle Ewigkeit auf Gebietsansprüche im Baltikum verzichtet hat. Diese Ewigkeit hat gerade einmal 20 Jahre gedauert, so wie das 1000jährige Reich zwölf.
Da Nazideutschland 1945, im Jahr nach der Zurückdrängung der Wehrmacht aus dem Baltikum 1944, besiegt war, ist Ihre Theorie von der Besetzung des Baltikum zwecks Selbstverteidigung der Sowjetunion vor dem Faschismus nicht nachvollziehbar. Warum hat die Sowjetunion die baltischen Staaten nicht wieder in die Unabhängigkeit entlassen, nachdem „nur“ so wie im restlichen Osteuropa ihr freundschaftlich gesinnte Regime installiert wurden? Daß Sie aus dem Westen kommend argumentieren wie 1961 die DDR anläßlich der Errichtung des „antifaschistischen Schutzwalls”, finde ich geradezu tragisch.
Dabei möchte ich im Gegenteil zu Ihnen historische Wahrheiten eben nicht in Abrede stellen wie etwa die Tatsache, daß die Sowjetunion unter den vier Alliierten war, die erfolgreich gegen die Nazis gekämpft haben. Doch die baltischen Staaten kamen 1945 vom Regen in die Traufe.
Während Deutschland dem schwierigen Teil der eigenen Vergangenheit regelmäßig mit Veranstaltungen wie auch mit zahlreichen Mahnmahlen gedenkt und die Kinder in der Schule vom Nationalsozialismus erfahren, spricht Rußland hingegen in bezug auf die baltischen Länder vom „nahen Ausland“ und anerkennt die Verbrechen, die von der Sowjetunion begangen wurden bis heute nicht, obwohl so wie in Deutschland oder auch persönlich in meinem oder Ihrem Fall daran keinerlei persönliche Schuld oder Sippenhaft geknüpft ist – abgesehen davon hält die Unterdrückung der Völker in der Russischen Föderation an. Jüngst gab es Proteste in der marischen Republik (Mari El) an der Wolga. Rußland ist de facto das letzte Kolonialreich der Welt, in dem Nationalismus und Antisemitismus verbreiteter sind als in Deutschland.
In den baltischen Ländern wird nicht nur, wie Sie behaupten, der sowjetischen Unterdrückung gedacht; in den Okkupationsmuseen wird der Terror der Deutschen ebenfalls thematisiert wie auch in Geschichtsmuseen die jahrhundertlange Vorherrschaft der Deutschbalten. Die Veteranentreffen werden hierzulande ebenso diskutiert wie die Frage der Freiwilligkeit der Mitwirkung der Einheimischen in der SS.
Abschließend zu Ihrer Information: es gibt auch in Riga ein jüdisches Museum! Und was die Charakterisierung als „traurig und verstaubt” anbetrifft, wissen Sie eventuell als Wessi aus eigener Erinnerung nicht, wie das Leben im Alltag der kommunistischen Diktaturen aussah. Estland und Lettland hatten vor dem Zweiten Weltkrieg einen Westeuropa vergleichbaren Lebensstandard. Heute ist es keine Seltenheit, daß die Menschen ohne Zentralheizung, Bad oder auch nur fließendes Wasser leben! In Rußland ist das auf dem Land sowieso bis heute der Normalfall.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Reetz

Latvija kā unikālā valsts ar sieviešu pārsvaru sabiedrībā - mīts un fakti

Šis raksts tapa sadarbībā ar Veiko Spolīti. Šī versija nav identiskā ar 2006. gada 4. aprilī Dienā publicēto "Attopieties vīri — lai dzīvo sievietes!"
Starptautiskās sieviešu solidaritātes dienas atskaņās diezgan ironiski, bet Latvijā joprojām aktuāls ir vienlīdzīgas samaksas jautājums. Ne mazāk aktuāli Latvijā ir jautājumi par zemo dzimstību un alkoholismu, tātad jautājumi, kuri parasti nokļūst sabiedrības uzmanības lokā pēc krasām politiskām un ekonomiskām pārmaiņām. Neskatoties uz vidējā dzīves līmeņa pakāpenisku uzlabošanos, totalitāra režīma beigām, un iedzīvotāju vidējā izglītības līmeņa celšanos, joprojām Latvijas sabiedrībā valda vienkāršots uzskats par to, ka Latvijā sieviešu ir vairāk nekā vīriešu. Tāpēc turpmākajā raksta autori centīsies rast atbildi, cik pareizs ir šāds pieņēmums?

Sieviešu „pārsvars” ikdienas situācijās
Sieviešu koncentrācija ikdienā ir novērojama noteiktās publiskās vietās. Jau bērnudārzā un pamatskolā var „nezinātniski” novērtēt, ka šajā sfērā strādā vismaz 90% sieviešu. Septiņu gadu laikā esam novērojuši, ka augstskolu humanitārajās un sociālajās zinātnēs studējošo puišu procents no kopējā studentu skaita reti sasniedz desmit procentus. Birojos sastaptās smaidošās sekretāres un sabiedrisko ēdināšanas vietu un veikalu personālu dzimumu analīze pārliecina, ka lielākā daļa darbinieku šajā sfērā ir sievietes. Tomēr šeit mēs saskaramies ar ikdienā visplašāk sastaptajiem amatu pārstāvjiem, un šādi var rasties greizs priekšstats par atšķirībām vīriešu un sieviešu skaita ziņā.
Patiesībā līdzīgi citām pasaules valstīm Latvijā tradicionāli dzimst vairāk puišu nekā meiteņu. Ja no 1991.g. līdz 1995.g. Latvijā piedzima 83201 puikas un 78997 meitenes, tad pēc politiskās un ekonomiskās sistēmas maiņas, no 1996.g. līdz 2000.g., piedzima tikai 49790 zēni un 46876 meitenes.* Kopš 2001.g. demogrāfiskā situācija ir uzlabojusies, bet Latvijā daudz krasāk kā Eiropas Rietumu daļā izjūt atšķirības starp vīriešu un sieviešu mūža ilgumu. Tieši iepriekšminētās atšķirības dažādās vecuma kategorijās parasti rada greizu priekšstatu par to, ka Latvijas sabiedrība esot unikāla ar savu proporcionāli lielo sieviešu skaitu.
Absolūtos skaitļos 2004.g. Latvijas pastāvīgo iedzīvotāju vidū uz 1250867 sievietēm bija tikai 1068336 vīriešu. Ja līdz 30.g. vecuma vīriešu skaits Latvijā vēl pārsniedz sieviešu skaitu (2004.g. 262613 vīrieši un 253863 sievietes.), tad sākot ar 30-39.g. vecuma kategoriju ir novērojams patstāvīgs vīriešu skaita samazinājums Latvijā (2004.g. uz 160984 sievietēm vairs tikai 158517 vīrieši). Šis atklājums lika mums turpmāk analizēt to, kāpēc, tad valstī kur vīriešu līdz 30.g. ir vairāk nekā sieviešu, tomēr vīriešu skaits vēlāk dramatiski sarūk?

Mirstība un emigrācija
Analizējot mirstības dinamiku atklājās, ka dabīgās nāves apstākļos mirušo Latvijas zēnu attiecība pret meitenēm ir 4:1. Pēc 2003.g. datiem vecumā no 20-24.g. slimību dēļ nomira 43 meitenes un 164 zēni, bet 25-29.g. grupā šis skaitlis bija 54 sievietes un 203 vīrieši. Pārsniedzot 30.g. robežu dabīgo nāves gadījumu attiecība samazinās, un vecumā no 45-49.g. un uz 371 sieviešu nāves gadījumiem bija 802 vīriešu nāves gadījumi.
Satraucošāks ir ārējo nāves cēloņu rezultātā bojā gājušo skaits. Starptautiskā prakse rāda, ka lielākais negadījumos cietušo skaits ir tieši 18-25.g. vecuma kategorijā. Smagākajā pārmaiņu laikā, 1994.gadā Latvijā gāja bojā 4637 vīrieši un 1372 sievietes, bet 2003.g. 3373 vīrieši un 931 sievietes. 2003.gadā autoavārijās gāja bojā 407 vīrieši un 145 sievietes, un no vardarbības gāja bojā 165 vīrieši un 82 sieviete. Visbeidzot pašnāvības Latvijā izdara vairāk vīrieši nekā sievietes (2003.g. 483 vīrieši un 122 sievietes), lai arī sievietes biežāk par vīriešiem brīdina par vēlmi izdarīt pašnāvību.
Lai rastu pilnīgu atbildi uz ievadā uzdoto jautājumu skatījām arī no Latvijas izceļojošo cilvēku statistiku. Piemēram, 2003.g. no Latvijas izbrauca 4834 sievietes un 3076 vīriešu vecumā no 20-24 gadiem. Šādi ilgtermiņa migrācijas saldo 2003. gadā sievietēm bija -650, kamēr vīriešiem tikai -196. Šāda tendence saglabājas arī citās vecuma kategorijās līdz 39.g. vecumam. Tātad Latvijā ir izveidojusies situācija, kad lielākas vīriešu mirstības un procentuāli lielākas sieviešu izceļošanas rezultātā sasniedzot 30.g. robežu sieviešu skaits sāk pārsniegt Latvijas vīriešu skaitu. Tomēr, vai tas norāda uz to, ka vīrieši straujāk nodzīvo savu dzīvi, jeb to, ka sievietes spēj to labāk izplānot.

Politiskās un ekonomiskās sistēmas pārmaiņas
Sieviešu emancipācija PSRS okupācijas laikos bija formāla, tāpēc Latvijas sievietes neskāra 1970. gadu Rietumu pasaules sieviešu kustība. Tomēr PSRS laikā piedāvātās izglītības iespējas nesa augļus, un ļāva Latvijas sievietēm salīdzinoši labāk pārdzīvot ekonomisko un politisko pārmaiņu laikus. Vēl 1979.g. uz 1000 iedzīvotājiem tikai 76 sievietēm un 86 vīriešiem bija augstākā izglītība. 1989.g. šis skaitlis sievietēm un vīriešiem bija 115, un 2000.g. uz 1000 iedzīvotājiem Latvijā ar augstāko izglītību bija 151 sieviete un 124 vīrietis. Šo skaitļu dinamikas saknes ir meklējamas padomju periodā, kad patriarhālā sabiedrības uzbūve noteica vīrieša „ģimenes apgādnieka” lomu, kura galvenokārt bija saistīta ar darbu rūpniecībā jeb lauksaimniecības sektorā.
Šādi neefektīvo rūpniecības un lauksamniecības uzņēmumu sabrukuma rezultātā „tradicionālie ģimenes apgādnieki” nokļuva savu otro pušu apgādībā. Situācijā, kad bija jāpārtiek no sievas skolotājas algas radīja „tradicionālajās vīriešu lomās” iejutušos vīriešos diskomfortu, kas savukārt pastiprināja alkoholisma, laulību šķiršanas un tml. problēmas. Vairāki pētījumi pēdējo desmit gadu laikā ir uzrādījuši, ka meiteņu sekmes Latvijas skolās ir labākas par zēnu sekmēm, un šis fakts atspoguļojas arī iestājeksāmenu pārbaudījumos augstskolās.** Pateicoties labākai izglītībai un valodu zināšanām Latvijas sievietes spēj ātrāk kāpt pa karjeras kāpnēm šodienas modernās pasaules zinātņu ietilpīgajā ekonomiskajā sistēmā, kā arī tās spēj atrast izglītotākus dzīves partnerus ārpus Latvijas.
Šādi, lai arī līdz 30.g. vecu vīriešu skaits pārsniedz sieviešu skaitu, tomēr vīriešu neapmierinošais intelektuālais un materiālais stāvoklis Latvijā padara tradicionāla latvju vīrieša izredzes bez piepūles atrast gudru un izskatīgu latvju zelteni problemātisku. Latvijas meiteņu skaits skolas vecumā ir mazāks par zēniem, un iespējams tas liek meitenēm būt centīgākām par puikām, un tas patiesībā būtu pamats turpmākiem pētījumiem. Visbeidzot, lai arī esošie skaitļi parāda situācijas dramatismu, tomēr raksta autori cer, ka sakārtojot izglītības sistēmas prioritātes un finansējumu būtu iespējams daudz kvalitatīvāk sagatavot modernās ekonomikas izaicinājumiem arī zēnus, un šādi pakāpeniski risināt dzimumu līdzsvara trūkumu Latvijā.

Samstag, 17. November 2007

Sackgassen und Auswege in Lettland

Die politische Situation in Lettland ist derzeit eine komische. Komisch im doppelten Sinne des Wortes, einerseits merkwürdig, andererseits aber auch eben tragikkomisch, so daß man schmunzeln möchte, ware die Lage nicht so Ernst.
In Lettland ist etwas ungewöhnliches im Gange. Seit der Zeit der Barrikaden, als 1991 die Menschen im Januar die staatlichen Institutionen gegen eventuelle Übergriffe durch die Sowjetmacht geschützt haben, kam es erstmals wieder zu Protesten, die man hierzulande bereits als Massendemonstrationen bezeichnen kann – 5000 Teilnehmer. Wieder geht es um Politik, wieder geht es um das Land, dismal jedoch nicht zum Schutze der eigenen politischen Elite, sondern gegen sie. Und damit wurde ausgeslöst, was bisher seit der Unabhängigkeit noch nie da war: eine Regierung verabschiedet sich, ohne daß ihr die Mehrheitim Parlament verloren gegangen ware oder auch einfach ein Partner eine andere Partnerschaft für die weiteren politischen Geschicke des Landes vorzog.
Ohne jeden Zweifel hat sie politische Elite, die Regierung und insbesondere die Volkspartei in der Bevölkerung jades Vertrauen verloren. Die Entlassung des Chefs der Anti-Korruptionsbehörde brachte dann im Oktober das Faß zum Überlaufen, es wurde eben wieder demonstriert. Die wichtigste Regierungspartei stellte sich durch den Parteiausschluß (in Abwesenheit) des Vorstandsmitgliedes und Regionalministers, Aigars Štokenberg noch selbst ein Bein und verlor auch Außenminister Pabriks, der sofort seinen Rücktritt einreichte.
Die Koalitionspartner stehen vor einem politischen Scherbenhaufen, und einstweilen ist völlig unklar, was nun warden soll, denn eigentlich könnte nach dem Motto “aus alt mach neu” einfach mit anderen Gesichtern weiterregieren, auch wenn die einstweilen verhältnismäßig glaubwürdig als Antikorruptionskraft gebende Neue Zeit wie auch das bisher von allen mehr oder weniger als national zu bezeichnenden Kräfte gemiedene Harmoniezentrum in die Regierung streben. Die Neue Zeit jedoch, die erst während der letzten Legislaturperiode von eben demselben regierungschef geleitete Koalition verlassen hatte, tut jedoch gut daran, sich nicht einfach als Mehrheitsbeschaffer einspannen zu lassen.
Hinter dem ganzen Dilemma steht freilich noch das Damoklesschwert einer Aufklärung der Frage, wer nun auf den schwarzen Gehaltslisten des im März inhaftierten Büregrmeisters von Ventspils steht. Dies kann man bislang nur vermuten. Die frühere Staatspräsidentin Vaira Vīķe-Freiberga, die nach eigener Aussage die Liste gesehen hat, verweigerte sich weitere Äußerungen einmstweilen.
Das Volk und viele Politikwissenschaft fordern nun Neuwahlen nur gut ein Jahr nach dem letzten regulären Urnengang, nur so könne die Politik wieder legitimiert warden. Doch da stellt sich sofort die Frage, woher in so kurzer Zeit unbelastete politische Kräfte kommen sollen in einem Land, in dem sich die moisten Menschen angewiedert von der Politik abwenden. Und es ist ja eben auch (noch) nicht bekannt, wem man noch trauen kann und wem nicht.
Was die Parteien der scheidenden Koalition wollen, ist ebenfalls schwer zu erraten, so hat Ministerpräsident Aigars Kalvītis drei seiner vier vakanten Ministerposten für einen Zeitraum von weniger als einem Monat besetzt. Bleibt nur das Wirtschaftsministerium unbesetzt, welches die konservative Für Vaterland und Freiheit beansprucht hat, nun aber aus Angst oder Unsicherheit auf einmal nicht mehr besetzen will.
Welche Schritte also führen nun in Sackgassen und wo sind die Auswege?

Baiļu koalīcija

kopā ar Veiko Spolīti, Diena 2007.g. 24. oktobrī
18.oktobrī pie Saeimas demonstrējošie pieprasīja valdības atkāpšanos un aicināja prezidentu atcelt Saeimu. Nenogurstošās diskusijas interneta diskusiju telpā un visaptveroša neapmierinātība ar politiskās elites piekopto absolūto nerēķināšanos ar opozīciju kombinācijā ar ļaužu straumēm, kas aizplūst uz Īriju, atgādina vēsturē notikušas pārmaiņas. Pašlaik notiekošais ir kā spoguļattēls 1991.gada notikumiem, vienīgi Sarkanās armijas un to ģimeņu vietā aizbrauc Latvijas cilvēki, protestos pret bijušās nomenklatūras piekopto interfrontes politiku tagad tiek protestēts pret tiesiski apšaubāmi ievēlētās valdošās koalīcijas "buldozera" stila politiku. 1991.gadā nesteigties ar neatkarības izsludināšanu aicināja Mihails Gorbačovs, un pagājušo otrdien Latvijas Universitātē par Latvijas valstiskuma trauslumu atgādināja ASV vēstniece Latvijā. Iespējams, ka tā ir sakritība, bet diskusijas par robežlīgumu, drošības likumu pieņemšana un neskaitāmu pērkamu politiķu tiesu darbi notiek vienlaikus. Pēdējā gada laikā Latvijas masu saziņas līdzekļos atspoguļotais viedoklis rada šķietamu sajūtu par Latviju kā unikāli korumpētu valsti. Tomēr, lai kā arī to nevēlētos atzīt normatīvi ideālas politikas pielūdzēji Latvijā, ir jāatgādina, ka korupcijas skandāli notiek arī citās valstīs. Tāpēc arī pastāv demokrātiska režīma varas instrumenti, lai izvairītos no korupcijas. Piemēram, Valsts prezidentes Vairas Vīkes-Freibergas veto Satversmes 72.panta ietvaros bija zīme, ka konstitucionāli Latvijas demokrātija pastāv. Tomēr ar to arī formālā demokrātija Latvijā beidzas. Bez konstitucionālajiem principiem šodienas demokrātijās tikpat nepieciešamas ir arī vērtības un normas, kas veicinātu pilsonisko līdzdalību un ierobežotu varas turētāju vēlmi uzurpēt varu. Šādu normu un vērtību izpratne piemīt Rietumu demokrātijas uzbūves būtību izpratušiem Latvijas iedzīvotājiem, un nevar noliegt, ka pārsvarā gadījumos tas ir noticis Rietumos iegūtas izglītības ceļā. Latvijas iedzīvotāji nekad nav bijusi viendabīga ļaužu masa, lai arī kā totalitāru ideoloģiju pārņemtie pārstāvji vēlētos to nemitīgi uzsvērt. Pēdējos gados Latvijā ir atgriezušies Rietumos izglītotie iedzīvotāji. Viņi ir izglītoti par tirgus ekonomikas un demokrātijas pamatprincipiem un šādi saprot demokrātiskas valsts spēles noteikumus. Pretstatā tradicionālām un patriarhāli audzinātām ļaužu kopām, kuras nesaprot indivīda nozīmi demokrātijā un balstās uz čomu būšanu privāto interešu aizstāvēšanai vieglprātīgi pieprasot stingrās rokas nepieciešamību, sakārtojot valsti, liberāli noskaņotie saprot ne tikai savas tiesības, bet arī pienākumus pret valsti. Ir baisi novērot sabiedriskajā transportā patriarhālo uzskatu paudēju domas par "pilsētas ar rītdienu" sakārtošanas autora kontrastēšanu ar Šķēles prastu žulicību vai arī par Vladimira Putina veiksmīgās politikas slavināšanu, "izceļot Krieviju saulītē". Zināšanu trūkums par demokrātiskas sabiedrības funkcionēšanas mehānismiem un starptautiskajā politikā notiekošo ir graujoši visaptverošs. Šādi Latvijā varam novērot diktokrātijas iezīmes. Proti, lai arī formāli mehānismi demokrātiska režīma pastāvēšanai pastāv (konstitūcijā nostiprinātas brīvības, brīva prese), valsts pārvaldīto un pārvaldāmo regulējošās normas un vērtības raksturo diktatūras esamību. Latvijā eksistē vairākums apātisku pilsoņu, aktīva, bet vēl mazskaitlīga pilsoniska opozīcija un diemžēl par Rietumu demokrātijas fundamentālajiem principiem neizglītota politiskā elite, kura akli seko patriarhālu uzticību pieprasošam partiju vadoņu diktātam. Kopš Lemberga aizturēšanas neviens no koalīcijas partneriem nav reaģējis vai centies komentēt notikušo. Šodienas koalīciju satur kopā bailes no valdības krišanas, kas nozīmētu viņu nepārtrauktas labklājības vairošanas beigas. Budžeta pieņemšana ir lielākā pārbaude šai baiļu koalīcijai. Iespējams, ka vēstures ironija atkārtojas, jo reiz jau Kalvītis aicināja balsot pret Taitas partijas sastādīto valsts budžetu un šādi gāza prombūtnē Itālijā esošo I. Emša valdību 2004.gadā. Tikai nākotne rādīs, vai Latvijas valdošie politiķi spēs rīkoties atbildīgi un izteikt neuzticību valdībai caur negatīvu 2008. gada budžeta balsojumu, vai arī Latvijā turpināsies varu uzurpējušās elites mokpilnā agonija. Gadījumā ja Saeimas vairākumu apvieno nevis kopējas vērtības par tiesisku valsti, bet gan bailes, tad Latvijas iedzīvotājiem ir jāliek pēdējās cerības uz Valsts prezidentu Valdi Zatleru. Valda Zatlera ievēlēšanu aptumšoja politiskās elites noslēpumainā kandidāta izvirzīšanas procedūra un Tautas partijas biedra Lagzdiņa zīmīgais žests pilsoniskajai sabiedrībai. Tāpēc, dzēšot demokrātiskas vērtības apzinošās sabiedrības neticības paliekas par Valda Zatlera politisko neitralitāti un sekojot aukstam politiskam aprēķinam, Valdis Zatlers varētu uzņemties valstsvīra cienīgu politisko atbildību un sākt prettiesiski ievēlētās Saeimas atlaišanas procedūru, šādi iegūstot valstsvīra laurus un neviltotas sabiedrības simpātijas.Latvijas valsts patriotiem, iztēlojoties ārvalstu reakciju par ārkārtas vēlēšanām Latvijā, varētu nepatikt valsts tēla negatīvais atspoguļojums. Tomēr līdzīgi notikumi Lietuvā 2005.gadā, kad Lietuvas Seims sāka prezidenta Rolanda Paksa atstādināšanas procedūru, pārliecina par demokrātisku vērtību pakāpenisku nostiprināšanos Baltijas valstīs. Šādi Lietuvas iedzīvotāji ieguva pārliecību, ka pretlikumīgi politiķi tiek saukti pie atbildības, un šādi veicināja Lietuvas iedzīvotāju ticību demokrātiskam režīmam. Līdzīgi Lietuvas parlamenta deputātiem rīkojās arī viņu poļu kolēģi. Polijas Seima raibais koalīcijas vairākums izira, un Polijas Seims bija spiests sevi atlaist, šādi liekot Polijas prezidentam izsludināt ārkārtas vēlēšanas. 21.oktobrī notikušās vēlēšanas Polijā parādīja, cik pamatoti ir Rietumu demokrātijas vērtību pārstāvošā Donalda Tuska pārmetumi par Kačiņsku dvīņu patriarhālo pārvaldes nesavietojamību ar ES valdošajām vērtībām. Polijas vēlēšanas ir zīme par Austrumeiropas politiskās kultūras eiropeizāciju.Slīgšana beztiesiskuma muklājā un varas leģitimitātes zudums vairākumā Latvijas iedzīvotājos pamudināja savu runu teikt arī ASV vēstniecei. Latvijas ilgtspējīgai attīstībai pēc dalības ES un NATO ir nepieciešama ilgtermiņa attīstības stratēģija, bet pašreizējā valdošā koalīcija nav spējīga šādu stratēģiju piedāvāt, jo tos vieno īstermiņa intereses jeb, citiem vārdiem sakot, bailes zaudēt savu krēslu. Ir izstrādāts Nacionālās attīstības plāns, bet nav novērojams nekas, kas liecinātu par tautsaimniecības struktūras un izglītības sistēmas maiņu. Diemžēl, bet nacionālā kopprodukta pieaugums uz vienu iedzīvotāju gadā (11 procenti 2007.gadā) neatspoguļo, ka šis procents pieaug, arī pateicoties no valsts uz Īriju izbraukušo iedzīvotāju skaitam.Latvijā notiekošais nenorisinās atrauti no pasaules notikumiem. Polijas ārkārtas vēlēšanas, Rumānijas un Bulgārijas valdību krišana, Beļģijas konstitucionālā krīze un Čehijas nespēja izveidot valdības koalīciju ir daļa no globalizācijas izraisītajiem izaicinājumiem Eiropas Savienībā. Pašreizējai Latvijas politiskajai elitei ir iespējas novērtēt savu darbu Eiropas kontekstā un pašattīroties izvēlēties ilgtspējīgas un demokrātiskas valsts attīstības stratēģiju. Šādi Latvijas politikas elites pārstāvjiem, ņemot piemēru no 1949. gada Vācijas Federatīvās Republikas konstitūcijas veidotāju streitbare Demokratie (kareivīgās demokrātijas) principa, derētu iegaumēt, ka politiskajai kultūrai nebūtu jāapdraud valsts demokrātiskie pamati. Pretējā gadījumā Latvijas politiskā elite nolemtu Latvijas valsti Krievijas pievārtē esošas nedemokrātiskas tranzīta republikas liktenim. Latvijas valdošās koalīcijas rindu sakārtošana pēc vēsturiskā 18. oktobra piketa, kad zīmīgi šajā pašā dienā VDR diktators Ēriks Honekers 1989.g. atkāpās no amata, notikumu atskaņā patlaban rada mākslīgu stabilitātes sajūtu valstī. Patiesībā Latvijā pie varas esošā politiskā elite ir neatgriezeniski bankrotējusi, ja jau pat Tautas partijas gaišākie prāti atšķirīgu iemeslu dēļ ir spiesti pamest valdību. Tāpēc pie Saeimas sapulcējušos pilsoņu un viņu līdzgaitnieku iedrošināšanai nobeigumā vēlamies pievērsties ASV vēstnieces Ketrīnas Todas Beilijas aizsāktajam un šādi citēt bijušo ASV prezidentu Ābramu Linkolnu: "Dažkārt var visus apmuļķot, un dažus var vienmēr apmuļķot, bet nevar visus vienmēr apmuļķot."

Lettland in der politischen Dauerkrise

Lettland kommt in jüngster Zeit, ob verschiedener innenpolitischer Ereignisse, die untereinander allerdings in keinem direkten Zusammenhang stehen, nicht zur Ruhe, was die an demokratische Prozesse noch wenig gewöhnte Bevölkerung einstweilen überfordert.
Während der seit der Unabhängigkeit vergangenen 16 Jahre gab es bereits zahlreiche Skandale, wie der Zusammenbruch der größten Geschäftsbank des Baltikums, der Banka Baltija, 1995 und das damit zusammenhängende Verschwinden von drei Millionen Lat (etwa 4,5 Mio. €). Zumeist ging es allerdings wie in diesem Fall um ökonomisch Fragen nicht zuletzt rund um die Privatisierung. 2006 jedoch demonstrierte die politische Klasse im Rahmen des als „Jūrmalgate“ bezeichneten Skandals erstmals ihre nihilistische Einstellung gegenüber demokratischen Verfahren, als per Handygesprächen versucht wurde, im Kurort Jūrmala nahe der Hauptstadt Riga einen politisch genehmen Bürgermeister zu installieren.
Als im Oktober desselben Jahres trotzdem die im Amt befindliche Minderheitsregierung unter Aigars Kalvītis eine knappe Mehrheit gewann – erst der vierte Sieg einer amtierenden Regierung im gesamten postsozialistischen Raum – war dies nur der Schein einer politischen Stabilisierung, denn die Bevölkerung votierte für Kalvītis weniger aus Überzeugung, denn in Ermangelung von Alternativen; die Oppositionsparteien schienen einer Mehrheit der Bevölkerung nicht attraktiver, und erstmalig hatte auch keine beliebte Persönlichkeit unmittelbar vor dem Urnengang eine aussichtsreiche neue Partei gegründet.
Dabei ist in Lettland seit langem bekannt, daß nicht nur hinter einer Partei konkrete Wirtschaftsinteressen stehen. Zwar haben sich die Verbindungen dieser „Oligarchen“ mit „ihren“ Parteien im Laufe der Zeit gewandelt, doch nach wie vor steht der Bürgermeister der wichtigen Hafenstadt Ventspils, Aivars Lembergs, für das Transitbusiness. Politisch arbeitet seine Partei, die nur kommunal auftritt, mit der Listenkoalition aus Grünen und Bauernunion zusammen, die ihn 2006, obwohl er für das Parlament gar nicht kandidierte, sogar als Spitzenkandidaten präsentierte. Bereits damals ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Lembergs ist vor allem auf dem Lande und besonders bei einfachen Menschen beliebt, weil er Dank des hohen Steueraufkommens in „seiner“ Stadt dort für „Ordnung” gesorgt hat – keine Stadt in Lettland ist adretter als Ventspils.
Hinter der Volkspartei steht wiederum Andris Šķēle, der frühere dreimalige Ministerpräsident, der in der Umbruchphase im Landwirtschaftsministerium arbeitete und ein Imperium in der Lebensmittelindustrie privatisierte.
Als halbwegs unabhängig kann die Neue Zeit gelten, die der ehemalige Nationalbankpräsident, Einars Repše, 2002 gründete. Repše wurde ohne viel eigenes Zutun populär Dank der weitgehenden Stabilität der nationalen Währung, dem Lats. Viele Bürger erkennen allerdings nicht, daß der Nominalwert von 1LVL zu 1,50€ eben auch nur eine nominale Größe ist. Die Verletzung der Aufsichtpflichten seiner Institution im Rahmen des erwähnten Zusammenbruchs der Banka Baltija schadete ihm ebensowenig. Die Partei leidet allerdings gerade unter der oft unberechenbaren Persönlichkeit Repšes, der unter regelmäßiger psychiatrischer Beaufsichtigung steht. Innerparteiliche Konflikte über diese Frage führten im April zu seiner Ablösung im Parteivorsitz. Wenig geändert hat sich an der anti-oligarchischen Rhetorik, was der Neuen Zeit die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien erschwert. Bereits vor der letzten Parlamentswahl hatte sie die regierende Koalition verlassen.
Zum Jahreswechsel versuchte nun die Regierung unter Führung der Volkspartei, in aller Stille Veränderungen im Gesetz über die nationale Sicherheit durchzusetzen. Dabei wurde Artikel 81 der Verfassung angewendet, nach dem ein eiliges Gesetz außerhalb der Sitzungsperiode durch die Regierung verabschiedet werden kann Dieses Gesetz fertigte die Präsidentin aber nicht aus und berief sich auf Artikel 72, der ihr den Aufschub um zwei Monate erlaubt, damit die Bevölkerung Unterschriften für ein Referendum sammeln konnte. Erforderlich sind ein Zehntel der Wahlberechtigten, also derzeit etwa 150.000 Unterschriften. Diese Summe wurde mit mehr als 200.000 Unterschriften deutlich überschritten, und das Referendum fand somit statt. Vorher bereits wurde der umstrittene Verfassungsartikel 81 in aller Eile einer Empfehlung des früheren Präsidenten des Verfassungsgerichtes folgend vom Parlament gestrichen.Die Zentrale Wahlkommission mußte schließlich über das Datum für das Referendum im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Fristen entscheiden und entschied, es ginge nur am 30. Juni oder am 7. Juli, wobei die Wahl schließlich auf den zweiten Tag fiel, um den im Ausland lebenden Staatsbürgern genügend Zeit zur Vorbereitung zu geben. Der 7. Juli 2007 hingegen wurde von so vielen Paaren aus Hochzeitstag gewählt, daß das für die Gültigkeit erforderliche Quorum der Beteiligung nicht erreicht wurde.
Diskutiert wurde auch eine Auflösung des Parlamentes. Die Verfassung erlaubt nach Artikel 48 auf Anregung des Präsidenten auch ein Referendum über diese Frage, in dessen Folge bei negativem Ergebnis der Präsident selbst zurücktreten muß. Die sich in den letzten Wochen ihrer zweiten und letzten Amtszeit befindende Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga äußerte sich hierzu negativ, es bestünde kein Bedarf für eine Neuwahl. Die Meinung könnte sich jedoch eventuell ändern, da inzwischen bekannt geworden ist, daß nahezu ein Drittel der 100 Abgeordneten auf der „Gehaltsliste“ des Bürgermeisters von Ventspils stehen. Vīķe-Freiberga, welche öffentlich behauptete, über eine Liste zu verfügen, machte bislang jedoch keine Details.Dies ist insofern von Bedeutung, als die Präsidentin ihre Entscheidungen nur wenige Tage bevor Aivars Lembergs auf dem Weg von Ventspils nach Riga verhaftet wurde, traf. Angeblich habe sich der Gesundheitszustand des Bürgermeisters verschlechtert. Pikanterweise wählte dieser denselben Arzt, in dessen Behandlung sich auch Alexander Lavents, der frühere Chef der Banka Baltija, befindet, dessen Prozeßunfähigkeit über Jahre hinweg immer wieder bestätigt wurde. Lembergs Untersuchungshaft ist unbefristet und wurde nicht nur wegen Fluchtgefahr verfügt, sondern auch, um zu verhindern, daß Lembergs Unterlagen vernichtet oder Zeugen beeinflußt. Sie wurde außerdem seither mehrfach überprüft und bestätigt.
Diese innenpolitischen Erschütterungen finden nunmehr gleichzeitig mit der Diskussion über den Grenzvertrag statt, der mit Rußland zwar bereits seit über zehn Jahren paraphiert ist, aber nie unterschrieben wurde. Strittig ist dabei der Verzicht auf die nach dem Zweiten Weltkrieg von Lettland abgetrennte Region Abrene, die heute weder wirtschaftlich interessant ist, noch leben dort Letten. Die Frage ist vorwiegend von juristischem Interesse, weil an der Grundlage des Friedensvertrages von Riga 1920 nicht gerüttelt werden kann, ohne den Fortbestand eines lettischen Staates, der 50 Jahre wegen der sowjetischen Okkupation handlungsunfähig war, in Frage zu stellen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, daß die Letten im Gegenteil zu Estland 1993 die Zwischenkriegsverfassung wieder reaktiviert haben, um den Fortbestand des 1918 gegründeten Staates zu unterstreichen. In deren Artikel drei ist aber das Staatsterritorium festgelegt, weshalb viele nun behaupten, der Vertrag verstoße gegen die Verfassung. Der Text erwähnt jedoch nur die Regionen und nicht den exakten Grenzverlauf.
Ein großer Teil der erwähnten Aspekte betreffen direkt oder indirekt die Verfassung, was insofern wiederum von innenpolitischer Bedeutung ist, als am 8. Juli die Amtszeit von Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga endet. Für die Wahl eines Nachfolgers sieht die Verfassung aber keinen konkreten Termin vor. Da derselbe Text nur eine absolute Mehrheit der Abgeordneten im Parlament zur erfolgreichen Wahl verlangt, lag Äußerungen des Ministerpräsidenten interpretierend bislang die Vermutung nahe, daß Aigars Kalvītis eine ihm genehme Person zu portieren gedachte. In der Presse wurden über Wochen die verschiedensten Kandidaten gehandelt, und als populär galt der frühere Präsident des Verfassungsgerichtes, Aivars Endziņš, der auch von der in Opposition befindlichen Partei Harmoniezentrum, welches vorwiegend die russische Bevölkerung repräsentiert, portiert wurde.
Mit Sandra Kalniete findet sich jedoch in den Reihen der Neuen Zeit eine anerkannte Kandidatin. Kalniete war als Kind deportiert worden und hat im Gegenteil auch zu den derzeitigen Präsidenten der Nachbarrepubliken Estland und Litauen, ebenfalls während der Sowjetzeit in Lettland gelebt. Sie war Außenministerin und vorübergehend, unmittelbar nach dem Beitritt, EU-Kommissarin, verfügt also auch über außenpolitische Erfahrung.
Eigentlich könnte bei dem erforderlichen Quorum von nur 51 Stimmen eine Mehrheitsregierung bequem ihren eigenen Kandidaten durchbringen. Doch einerseits befindet sich die Union aus Grünen und Bauern nicht zuletzt wegen der Inhaftierung Lembergs in einer Krise, die vermutlich früher oder später den Untergang dieser politischen Kraft nach sich ziehen wird. Andererseits verfügte keine der Koalitionsparteien über einen respektablen Kandidaten.
Die beschriebenen innenpolitischen Turbulenzen wie auch die Tatsache, daß die drei Koalitionspartner kaum zustimmen würden, der Volkspartei von Ministerpräsident Aigars Kalvītis beide wichtigsten Ämter im Staate zu überlassen, ließen eine Wiederholung des Szenarios von 1999 mit der Wahl von Vaira Vīķe-Freiberga als nicht ausgeschlossen erscheinen, als infolge der Unfähigkeit der Koalition, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaft zu einigen, die Regierung zerbrach.
Kurz vor der Wahl überraschte dann die regierende Koalition die Öffentlichkeit mit der Nominierung des Mediziners Valdis Zatlers, welcher dann auch entgegen dem Wunsche einer breiten Öffentlichkeit gleich im ersten Wahlgang gewählt wurde. Zatlers hatte sich zu Schulden kommen lassen, was in Lettland gang und gäbe ist, angesichts geringer Saläre unter Ärzten Geldgeschenke von Patienten entgegenzunehmen, deren umstrittene Freiwilligkeit neurlich in der Presse diskutiert wurde. Valdis Zatlers hatte somit als Präsident einen schweren Start, weil er weder als unabhängig noch als integer galt.
Nach der erfolgreichen Bestellung der Regierungskadidaten sorgte der Angeordnete der größten Regierungspartei, der Partei des Ministerpräsidenten, Jānis Lagzdiņš am Fenster des Abgeordnetenhauses für weitere Aufregung, wo er den ausgestreckten Arm mit Faust die andere Hand in den Ellebogen legend zeigte. Es fehlte nur der ausgestreckte Mittelfinger. Angeblich habe er sich an einen konkreten Bekannten vor dem Gebäude wenden wollen, was angesichts der dort versammelten Anhänger Endziņš wenig überzeugend klang.
Im September trug sich ein weiteres aufsehenerregendes Ereignis zu: Der frühere Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes von Parlament und Präsident, Edgars Gulbis, der wegen des Verdachts des Betrugs unter Verwendung gefälschter Dokumente verhaftet worden war, flüchtete angeblich während der Überführung an einen anderen Ort mitten auf der Brücke über die Daugava (etwa so breit wie Elbe oder Rhein), angeblich mit Handschellen gefesselt, aus dem fahrenden Streifenwagen, dem wiederum zufällig der Privatwagen seiner Freundin gefolgt war und sprang die etwa 20 Meter in den Fluß. Die Versionen von Flüchtendem und Polizei sind gleichermaßen wenig überzeugend.
Die politische Krise verschärft sich nunmehr vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Probleme, allem voran der grassierenden Inflation, die mittlerweile im zweistelligen Bereich ist. Ein Streit um die Neubesetzung des Wirtschaftsministeriums und die vom Rehgierungschef angestrebte Entlassung des Chefs der Anti-Korruptionsbehörde, Andrejs Loskutovs, brachten nunmehr im Oktober die Menschen auf die Straße. 5000 Personen demonstrierten am Tag der Entscheidung vor dem Parlament, wo noch zahlreiche Minister ihre Unterstützung von Kalvītis rechtfertigten. Als dann aber der plötzlich der Minister für Regionalpolitik, Aigars Štokenbergs, wegen angeblicher Bemühungen um eine eigene Parteigründung entlassen und in Abwesenheit trotz seiner Funktion als Präsidiumsmitglied sogar aus der Partei ausgeschlossen wurde, trat auch Außenminister Artis Pabriks zurück. Nunmehr sind mitten in der Beratungszeit des Haushaltes 2008 drei Ministerposten vakant, die Bildungs- und Sozialministerinnen, Baiba Rivža und Dagnija Staķe, seit langem in der Diskussion.
Die Frage ist nunmehr, ob Aigars Kalvītis tatsächlich im Interesse der Stabilität des Landes bis zur Verabschiedung des Haushaltes mit einem Rücktritt wartet oder aber eine Angstkoalition aus den unter Korruptionsverdacht stehenden diversen politischen Kräften sich an die Macht klammert. Möglich ist dies, so lange Präsident Zatlers sich nicht dazu entscheidet, was Vīķe-Freiberga vor einem halben Jahr noch abgelehnt hat, die Auflösung des Parlamentes anzuregen. Es kann kaum eine Frage bestehen, daß eine große Mehrheit der Bevölkerung dies begrüßten würde, doch woher sollen nun neue politische Kräfte und Politiker kommen, selbst wenn man davon ausgeht, daß Štokenbergs, und wie manchmal gemunkelt die Expräsidentin, neue Parteien gründen?
Ministerpräsident Aigars Kalvītis hat inzwischen seinen Rücktritt für den 5. Dezember angekündigt, dann wird er drei Jahre die Regierung angeführt haben. Offiziell hieß es, man wolle noch einige wichtige Arbeiten zum Abschluß bringen.

Eindrücke aus Estland?

Der Journalist Tobias Mindner war auf dem Durchflug in Estland und schildert seine Eindrücke. Interessant übrigens, daß Mindner Verstöße gegen die Orthographie als Stilmittel seines Beitrages verwendet, obwohl er im Verein der Deutschen Sprache aktiv ist, der sich konservativ gegenüber Fremdwörtern und anderen Änderungen im Gebrauch des Deutschen wendet. Einige Kommentare zu seinem Text:

Weiß Autor Tobias Mindner eigentlich, was er sagen will? Der Beitrag über Estland erzählt mehr über die Rolle der Italiener in der Welt und die Qualität des deutschen Bieres als über Estland (ach ja Engländer in Bangkok kommen auch vor), dessen Lage der Kollege mäßig korrekt umschreibt, dahinter komme gar nichts außer Rußland. Vom deutschsprachigen Raum aus gesehen werden die Finnen sich vergessen fühlen! Aber auch sonst frage ich mich, der ich drei Jahre in Estland gelebt habe und seither im südlichen Nachbarland Lettland lebe, ob Mindner im gleichen Land war, wie ich. Kein Autohupen in einem Land, daß in Europa mit den baltischen Nachbarn die Statistik der Verkehrstoten pro Kopf der Bevölkerung anführt? Keine Piercings und Tattoos? Da muß er wohl eine Winterreise gebucht haben ;-). Zugegeben, daß ein Kollege, der de Estnischen nicht mächtig ist, für zwei „koks“ versteht, mag man vergeben, da die Esten das a sehr offen aussprechen und es tatsächlich für die Ohren des deutschen Muttersprachlers so klingen mag. Tatsächlich heißt zwei jedoch „kaks“. Und mit „öö“ hätte man sich mehr Mühe geben können. Erstens werden Substantive im Estnischen nicht groß geschrieben, zweitens ist „öötöö“ gerade für den Fremden doch ein richtig schönes Wort („öö“ heißt Nacht und „töö“ heißt Arbeit).
Aber nicht genug damit, daß die Eindrücke des Autors, die sich rein auf Estland beziehen verwundern, ein Duschkopf neben der „Kloschüssel“, Toilette meinte der Herr vermutlich, gibt es allenthalben auf der Welt, man nennt es auch Bidet. Vermutlich hat der Autor die letzten Jahrzehnte in der tiefsten russischen Provinz verbracht, wo man oftmals nicht einmal ein WC kennt.

Die Versetzung des Bronzesoldaten in Tallinn

Über die baltischen Staaten wird in der Presse nicht viel geschrieben, und wenn, dann bleibt es ob fehlender Informationen oberflächlich, aber ist mitunter auch einseitig. Meine Antwort auf ein Beispiel:

Sehr geehrter Herr Heyden,
bereits die Überschrift Ihres Beitrages läßt vermuten, daß es eigentlich nur um ein Thema geht, und der Text endet dann – sehr diplomatisch unter Anerkennung der Verbrechen der Sowjetunion – eben mit dieser eigentlichen Aussage: Aber eines sei erwähnt, in Estland (wie übrigens auch in Lettland) gab es kein Hoyerswerda, Mölln oder Solingen. Es gab auch keine Ausschreitungen am ersten Schultag, am 1. September 2004, als in Lettland das neue Bildungsgesetz in Kraft trat, und es wird sie trotz aller Bemühungen von Außerhalb während der letzten Jahre auch in Zukunft vermutlich nicht geben.
Aber im Detail zu den Fakten und Behauptungen des Beitrages:
Erstens sehen die Esten den Bronzesoldaten nicht als Symbol, sondern er ist eines, und zwar eben nicht nur für die Esten. Was Sie übrigens gar nicht erwähnen ist, daß die zwölf Leichen am Denkmal Soldaten einer estnischen Division der Roten Armee waren!
Zweitens wurde die Entscheidung, den Bronzesoldaten zu versetzen, nicht aus „unerfindlichen“ Gründen getroffen, sondern, und das fehlt in Ihrem Beitrag ebenso wie in anderen deutschsprachigen am entsprechenden Hintergrund, die Diskussion wurde angestoßen, weil 2006 estnische Nationalisten versucht haben, das Denkmal zu schänden, der Staat gezwungen war, es von der Polizei schützen zu lassen, und damit ein Nachdenken über das weitere Vorgehen in Gang kam.
Drittens kann der Sieg der Reformpartei bei der Parlamentswahl 2007 sicher nicht monokausal gesehen werden. Sie müßten sich mit der estnischen Innenpolitik etwas mehr beschäftigen, um zu wissen, wie sehr Edgar Savisaar, der Chef der von Ihnen erwähnten Zentrumspartei, nicht erst seit dem Aufzeichnungsskandal von 1995 Persona non grata der estnischen Politik ist. Seine Qualifikation als linksliberal dürfte auch mehr als nur umstritten sein.
Und damit kommen wir zu ihrem eigentlichen Thema, welches in der Überschrift bereits fühlbar ist, mit dem bronzenen Soldaten aber nichts zu tun hat: und so wechseln Sie auch das Thema plötzlich und sprechen dann über die Nazis. Es ist völlig zutreffend, daß comparative studies in den Wissenschaften nichts ungewöhnliches sind. Damit meint man aber nicht, daß die Verbrechen zweier Regime miteinander aufgewogen werden sollen, können oder müssen. Insbesondere in den baltischen Staaten scheinen die Kriegsjahre auch gar keinen Vergleich zu erlauben. Als Folge des Hitler-Stalin-Paktes kamen die baltischen Länder in die Interessensphäre der Sowjets, was die Bevölkerung der kleinen drei Länder damals aber noch gar nicht wissen konnten. Was sie sehr wohl wußten war, daß die Sowjetmacht, kaum einmarschiert, sofort mit Deportationen begonnen hatte. Daß in diesem Moment der Gegner dieser Okkupationsmacht im Krieg zunächst einmal als eigener Verbündeter gelten mußte, darf nicht verwundern. Geschichte muß auch aus Sicht der Zeitgenossen gesehen werden!
Daß die Russen für etwas büßen müssen, darf auch wieder als Sicht von Putin-Rußland betrachtet werden. Sprechen Sie mit den Russen vor Ort, dort werden Sie mindestens genauso viele finden, die Putin widersprechen (siehe auch Beitrag über Narva im Eurasienmagazin, wo sich ein Russe als Euro-Russe bezeichnet).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Reetz

Wie "Die Linke" das Baltikum durch die ideologische Brille sieht

Nachdem im Oktober eine Delegation des Innenausschusses des Deutschen Bundestages durch die baltischen Staaten reiste, veröffentlichte die MdB der Linken, Ulla Jelpke, in der Jungen Welt einen Artikel. Auf diesen Beitrag erhielt Sie von mir folgende Antwort:

Sehr geehrte Frau Jelpke,
der am 17. Oktober.2007 in der Jungen Welt von Ihnen veröffentlichte Beitrag über die baltischen Staaten erwähnt eine meiner Publikationen und auch mich namentlich. Vom Inhalt des Beitrages möchte ich mich distanzieren, weil er sowohl zahlreiche sachliche Fehler beinhaltet, als auch durch die ideologische Brille gefärbt (Ihre Weltanschauung akzeptiere ich als Demokrat) verschiedene Unrechte miteinander aufzuwiegen versucht.
Zunächst zur Staatlichkeit Estlands, Lettlands und Litauen, welche Ihrem Artikel nach auf den Friedensvertrag von Brest-Litovsk und die Perestroika-Politik Gorbatschows zurückgeht. Abgesehen davon, daß Litauen bereits im Mittelalter ein eigenständiger Staat war, der in Union mit Polen durch die drei polnischen Teilungen von Preußen, Rußland und Österreich bis 1795 liquidiert wurde, haben 1918 die Sowjetunion und das deutsche Kaiserreich zwar Frieden geschlossen, Lenin wollte jedoch keineswegs auf die baltischen Länder verzichten. Die dortigen Völker mußten sich etwa zwei Jahre in einem blutigen Freiheitskrieg die 1918 deklarierte Unabhängigkeit erst erkämpfen. Die Finnen wiederholten ihren Widerstand erfolgreich auch im Winterkrieg 1940/41. Es gehört zum Diskussionsgegenstand der Historiker, warum die autoritären Herrscher der baltischen Republiken diesen Schritt nicht gewagt haben.
Auch 1991 entließ nicht Gorbatschow die baltischen Republiken aus der Sowjetunion, ein Recht, was ihnen nach der offiziellen Verfassung sogar zugestanden hätte; Anlaß war vielmehr der Putsch der Gegner Gorbatschows, der das Land so weit schwächte, daß es durch das Engagement von Boris Jelzin aufgelöst wurde, der zur dann die bereits 1990 von den Obersten Sowjets proklamierte – übrigens Wiederherstellung der – Unabhängigkeit der baltischen Länder anerkannte, nachdem sie ein halbes Jahrhundert wegen der sowjetischen Okkupation handlungsunfähig gewesen waren. Bereits ein halbes Jahr vorher hatten die Menschen in Tallinn und Riga nach den Übergriffen in Vilnius die staatlichen Institutionen durch Barrikaden geschützt, ohne zu wissen, ob es zu einer bewaffneten Niederschlagung kommt – ähnlich wie die Montagsdemonstrationen ein Leipzig.
Die baltischen Republiken waren 1940 unabhängige völkerrechtliche Subjekte, die von der Sowjetunion – zunächst mit einer mehr oder weniger erzwungenen Zustimmung der Regierungen – besetzt wurden. Sie behaupten unrichtig, die Bevölkerung habe anschließend in Referenden für den Anschluß an die Sowjetunion votiert. Tatsächlich wurden aber unmittelbar nach dem Einmarsch der sowjetischen Streitkräfte (ähnlich im März 1933 in Deutschland) unfreie Wahlen abgehalten, in deren Folge die neuen Parlamente den Beitritt zur Sowjetunion beantragt haben.
Wenn Sie, anstatt Mutmaßungen über die Vergangenheitsbewältigung der Völker im Baltikum anzustellen, sich ein wenig mehr Zeit für Besuche von Museen genommen hätten, so hätten Sie in Vilnius, einem früheren Zentrum der jiddischen Kultur, das jüdische Museum wie auch die Kerker des ehemaligen KGB-Hauptquartiers besuchen können, außerdem die Okkupationsmuseen in Riga und Tallinn. Darüber hinaus gibt es allein in Riga und Umgebung drei Gedenkstätten für die Ermordung der Juden, das ehemalige Konzentrationslager Salaspils wie auch Rumbula und Biķernieki, wo Juden aus Lettland, aber auch aus Deutschland und den besetzten Gebieten ermordet wurden.
Die Okkupation der baltischen Republiken ist also in drei Zeiträume einzuteilen, eine sowjetische, eine deutsche und dann wieder eine sowjetische, denn die Eingliederung in die Sowjetunion ist zwar angesichts des kalten Krieges zum Leidwesen der in den Wäldern lebenden Partisanen von den westlichen Alliierten hingenommen, aber niemals international anerkannt worden. Damit haben auch die baltischen Republiken völkerrechtlich nicht aufgehört zu existieren. Diese Fakten, die weder an der deutschen noch an der sowjetischen Herrschaft etwas beschönigen sind im Rigaer Okkupationsmuseum ausführlich in mehreren Sprachen, darunter auch Deutsch, beschrieben.
Nichtsdestotrotz, und das hätten Sie mit ein bißchen historischer Lektüre in Erfahrung bringen können, waren die Ideen der Bolschewisten insbesondere in Lettland anfangs gar nicht unpopulär um das Joch der über Jahrhunderte existierenden deutschbaltischen Oberschicht abzuschütteln, die übrigens von den dann gegründeten Nationalstaaten weitgehend enteignet wurden. Während des Freiheitskrieges diskreditierte die Gewaltherrschaft der Regierung Pēteris Stučka allerdings diese Ideologie.
Daß die Völker im Baltikum die Ankunft der deutschen Wehrmacht zunächst als Befreiung empfunden haben, muß gleich vor zwei Hintergründen gesehen werden. Erstens hatten sofort 1940 nach Einmarsch der sowjetischen Truppen die Massendeportationen nach Sibirien begonnen, ein Umstand, den Sie in Ihrem Beitrag geflissentlich vollständig verschweigen, aber zweitens wußten damals weder die dort lebenden Menschen noch die Deutschen vom geheimen Molotow-Ribbentrop-Zusatzprotokoll – darum heißt es ja so. Außerdem darf man auch davon ausgehen, daß der politisch unbedarfte Burger im Baltikum die Schreckensherrschaft der Nazis nicht im Detail kannte.
Übrigens sei am Rande darauf hingewiesen, daß Antisemitismus kein rein deutsches Phänomen ist. Noch heute gibt es Ressentiments gegen Juden in den baltischen Staaten, auch das ist zutreffend. Aber Antisemitismus war auch in der Sowjetunion so wenig etwas Fremdes wie im heutigen Rußland!
Der Vorwurf des Russenhasses im heutigen Baltikum geht entschieden über die gesellschaftlichen Realitäten hinaus und ist in Ihrem Beitrag vermengt mit zahlreichen Fehlern, aber auch offensichtlicher Unkenntnis bezüglich der Staatsbürgerschaftsfrage. Litauen hatte so wenig Migranten aus der Sowjetzeit, daß sie in der Staatsbürgerschaftsfrage eine Null-Losung durchführen konnten. Über Lettland wird in zahlreichen internationalen (leider auch wissenschaftlichen) Publikationen immer wieder die russische Bevölkerung mit Staatenlosen gleichgesetzt. Da sich die Bevölkerung Lettlands nicht zuletzt wegen der historischen Dreiteilung des heutigen Staatsterritoriums von 1629 bis 1918 schon früher aus verschiedenen Nationalitäten zusammensetzte, sind nur etwa 40% der nicht lettischen Bevölkerung staatenlos. Dabei entscheiden sich viele Russen nicht wegen der Sprach- und Geschichtsprüfungen gegen die Einbürgerung, sondern aus praktischen Erwägungen. Mit dem Staatenlosenpaß ist die Reise in den Westen nahezu gleich einfach wie mit einem normalen Paß. Hingegen müßte den russischen Botschaften und ihrem Staat vorgeworfen werden, daß sie mit ihrer Visapolitik ihre eigenen Leute diskriminieren, welche die estnische respektive lettische Staatsbürgerschaft besitzen.
Aber auch sonst kann im Alltag von drastischen Konflikten nicht gesprochen werden, so gab es im Gegenteil zu Deutschland etwa keine gewalttätigen Übergriffe gegen die Migranten, auch nicht in der noch emotional aufgeladenen Anfangszeit nach der Unabhängigkeit. Schon lange haben sich die Emotionen wieder beruhigt und wie zu sowjetischer Zeit wechseln in einer größeren Gesellschaften Letten üblicherweise sofort in die russische Sprache, wenn ein Russe hinzustößt, der kein Lettisch spricht. Lettland nimmt auch nach wie vor einen Spitzenplatz bei gemischten Ehen ein. In Estland sieht die Situation aus zwei Gründen etwa anders aus: erstens ist Estnisch eine finno-ugrische Sprache, weshalb das Erlernen der jeweils anderen Sprache für beide Seiten schwieriger ist und zweitens leben die Russen in Estland konzentrierter. Einwohner der früher als Sperrgebiet geltenden Inseln beispielsweise haben im Alltag keine Begegnungen mit Russen gehabt. Ähnliches gilt auch für viele Menschen, die in Litauen auf dem Land leben.
Die Ausschreitungen in Tallinn im Frühjahr 2007 scheinen dem zu widersprechen; auch in den deutschen Medien wurde intensiv über ethnische Spannungen in Estland berichtet, nicht aber über den Hintergrund der politischen Entscheidung der Umsetzung. Ein Jahr lang hatte nämlich die estnische Polizei das Denkmal nach einem Versuch der Schändung vor estnischen Nationalisten schützen müssen, und dem folgte eine lange öffentliche Diskussion, in deren Folge unter aller Pietät die tatsächlich entdeckten zwölf Särge inklusive des Denkmals auf den Soldatenfriedhof umgesetzt wurden, dorthin, wo sie in jedem anderen Staat ebenfalls sind. Allein wurde die Gelegenheit von angetrunkenen russischen Jugendlichen als Anlaß zu Randale gesehen, die wenig politischen Hintergrund hatte, und das wird auch von den meisten estnischen Russen so gesehen.
Ihren Ausführungen zu Folge müssen die Russen „im eigenen Land“ Prüfungen zur Einbürgerung ablegen. Die betroffenen sind aber nur dank der Ansiedlungspolitik unter Fremdherrschaft ins Land gekommen, sind also gar nicht im eigenen Land. Dabei hat die Diktatur neben den Fremden auch gleich den baltischen Republiken ihre Sprache aufgezwungen, also das Selbstbestimmungsrecht der Völker ganz grundlegend verletzt. Die Sowjets haben die baltischen Staaten de facto annektiert und die demographische Situation durch massive Zuwanderung verändert. Diese Menschen stammen nicht aus Lettland und Estland, kennen dessen Kultur und Geschichte nicht und haben sich nie die Mühe gemacht, eine Grußformel oder ein Dankeswort in der Landessprache zu erlernen, von deren Verunglimpfung einmal ganz abgesehen. Für ein berufliches Fortkommen war die Kenntnis der russischen Sprache erforderlich, zumal im Infrastrukturbereich nur Migranten arbeiteten. Noch 1993 war es kaum möglich, am Rigaer Hauptbahnhof eine Fahrtkarte in lettischer Sprache zu erwerben, ohne sich Hasstiraden anhören zu müssen – und selbstverständlich nicht verstanden zu werden.
Die OSZE unterhielt von 1993 bis 2001 Missionen in Estland und Lettland, welche die nationalen Regierungen bei den Beratungen über die Gesetzgebung unterstützt hat. Alle Gesetze sind von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert und beide Länder Mitglied aller internationalen Organisationen. Inzwischen gilt bei Neugeborenen das Territorialprinzip in der Staatsbürgerschaft, welches auch Deutschland erst 2000 eingeführt hat.
Von welchem Mißerfolg der Westintegrierung Sie sprechen, ist mir unverständlich. Der Vorwurf einer antirussischen Politik kann nur von jemandem stammen, der z.B. verkennt, daß die seit über zehn Jahren paraphierten Grenzverträge mit Rußland, in denen Estland und Lettland alle Grenzabtrennungen aus der sowjetischen Zeit akzeptiert haben, bis heute durch Rußland blockiert wird. Die langen LKW-Schlangen vor den Grenzen nach Rußland gehen auf die Arbeit des russischen Zolls zurück.Zur wirtschaftlichen Fragen hätten Sie ein wenig mehr sagen können, denn hier gibt es genügend Kritikpunkte, etwa daß die Regierung Lettlands sich vollkommen lakonisch zur Inflation stellt und zu den Aspekten, die dieser zugrunde liegen. Daß Ernüchterung vorherrscht, kann man nicht behaupten, wenn man auch, gerade in der älteren Generation, eine Verklärung der Vergangenheit antreffen kann.
Einzig richtig zitiert werde ich damit, daß das Parteiensystem in den baltischen Ländern nicht mit dem westlichen vergleichbar ist. Angesichts dessen Unübersichtlichkeit scheitern Sie jedoch sehr schnell mit einer Beschreibung und verwechselt die Diskussion über die Aufhebung der Deckelung bei den Wahlkampfausgaben, welche die Parteien der Oligarchen begünstigen wurde, mit einer Diskussion über Staatliche Parteienfinanzierung, die in Lettland eben leider nicht stattfindet.
Ihre Kommentare zum Parteiensystem und dem Fehlen sozialistischer Alternativen zeigt, daß Sie sich mit postsozialistischen Gesellschaften nicht beschäftigt haben. Bereits Duverger hatte in den 50er Jahren die Frage gestellt, woher Parteien kommen, Lipset und Rokkan die gesellschaftlichen Cleavages ein Jahrzehnt später aufgezeigt. In einer über ein halbes Jahrhundert künstlich nivellierten Gesellschaft konnte es aber keine Milieus geben, aus den soziale Bewegungen entstehen, die sich später zu Parteien formieren, die Menschen können mit „Werten“ wie liberal, konservativ oder ähnlichem nichts anfangen. Also kann es auch kein solches Parteiensystem geben wie im Westen (meine Dissertation zum Thema finden Sie in der Bundestagsbibliothek). Alles was mit dem Wort „sozial“ zu tun hatte, war wegen der sozialistischen Vergangenheit überdies verpönt, auch wenn es zutreffend ist, daß ein großer Teil der Bevölkerung sozialdemokratisch orientiert ist. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung aber wurde dieser Cleavage durch den nationalen überlagert.
Mit Ihren Ausführungen verniedlichen Sie m.E. die Verbrechen der Sowjetunion, die sich zur Durchsetzung ihrer Ziele ja auch nicht zu schade war, mit den von Ihnen gescholtenen Nazis zusammenzuarbeiten und Pakte abzuschließen. In meinem Verständnis begibt sich eine Argumentation, welche vor den Folgen der Sowjetherrschaft die Augen verschließt, auf ein Niveau mit jenen, die auch die Untrennbarkeit verschiedener Facetten einer Gewaltherrschaft nicht erkennen und bis heute meinen, Hitler wäre ein guter Mann gewesen, hätte er die Juden nicht ermordet.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Reetz