Donnerstag, 24. Januar 2008

Mit 20 schon kein „Baby“ mehr

Estland macht sich Gedanken über die Rolle der Frau
Tallinn, im November 1997. – Zwanzig Jahre nach dem Beginn der Frauenbewegung wurde im Westen jüngst philosophiert, wie weit der Feminismus gekommen sei. Im Osten werden derweil ganz andere Betrachtungen zelebriert.
Für den gelegentlichen Osteuropareisenden ist es gewiß eine vertraute Tatsache, daß Frauen zwischen Tallinn und Sofia mehr auf ihre weibliche Erscheinung bedacht sind, denn im Westen üblich. Wer jedoch annimmt, es handele sich dabei um einen gewissen „Main-stream“, der irrt, denn auch hierzulande gibt es feine Unterschiede und die dürfen natürlich wie in jeder anderen Gesellschaft nicht unumstritten sein.
In Estland spricht man von „beib“, lies: „Bäib“. Wer das ist, wer nicht und welches Image die Betreffenden genießen, ist Gegenstand ausgiebigster Diskussionen. So wurde anläßlich einer der vielen Miß-Wahlen diesen Sommer schon die Vorstellungen der Kandidatinnen in der Zeitung direkt zur philosophischen Auseinandersetzung, stellte sich doch eine 17jährige blonde Schönheit mit den Worten zur Wahl, sie habe nichts dagegen, von einem Mann „beib“ genannt zu werden. Zwei Zeilen tiefer fand der aufmerksame Leser eine junge Bankangestellte, die eine solche Anrede ablehnte und der Hoffnung ausdruckt gab, sie werde im Leben nie so angesprochen werden.
Die jüngste Blüte in diesem Disput ist jedoch ein ganzseitiger Artikel in der größten Tageszeitung des Landes, „Postimees“, der sein Erscheinen in der Sonntagsausgabe sicher nicht zuletzt dem Kampf der estnischen Großen um Marktanteile verdankt. Dabei macht es jedoch nicht der gewagte Inhalt, sondern das weiße Papier. Da sich schon die Konkurrenz seit kurzem siebentägig profiliert, darf sich auch der Marktführer am letzten Tag der Woche nicht lumpen lassen und füllt also Seiten.
Grafisch wird verdeutlicht, wie sich „beib“s während der ersten drei Jahre verhalten. Da ist von der Auswahl eines entsprechenden Geschäftsmannes die Rede, der auf Partys begleitet wird. Es folgen standesgemäße Garderobe, Auto und Wohnung. Schließlich versucht die junge Dame die Beziehungen ihres Gönners auf dem Erfolgsweg zu unterstützen, um anschließend wieder größere Unabhängigkeit von ihm zu erlangen. Dabei würden vorwiegend solche Männer bevorzugt, die nicht übermäßig viel Zeit in die Entwicklung ihrer Firma investieren müssen oder wollen – oder noch schlimmer eigenen Interessen nachgehen, landläufig auch Hobby genannt.
Unter der fotografischen Darstellung einer verführerisch gekleideten jungen Dame heißt es: „Das Aussehen ist trügerisch – überzeuge dich, ob du es mit einem „beib“ zu tun hast oder nicht“. Komisch: Ist das Aussehen nicht viel eher verräterisch? Eines ist jedoch gewiß: Es gibt hübschere Mädels in Estland als die abgebildete.
Der Artikel selbst widmet sich einer tieferen Analyse. Was wollen die „beib“s, was machen sie und vor allem auch, was fangen sie falsch an. Manche machten den strategische Fehler, zwar prinzipiell richtig Geld und Auto des Verehrten als Maßstab zu nehmen, doch ließen sie sich oft auch auf Männer ein, die zum Beispiel drei Geschäfte und zwei Lager besitzen. Zu wenig befindet der Autor sachkundig. Ein solcher Sponsor habe möglicherweise keine Entwicklungschancen.
Aber „beib“s, so der Sozialkritiker weiter, kümmerten sich nicht besonders um die Zukunft, im Zweifelsfall werde eben schnell ein neuer Sponsor gesucht. Doch auch hier drohe den Mädchen Gefahr. Waren sie zu lange mit einem Mann zusammen, so könne es schon mal passieren, daß sie kein anderer mehr will, freilich vor allem dann, wenn „beib“ langsam in die Jahre kommt. Und das ist natürlich früh. Im Alter von 20 bis 25 Jahren seien die Möglichkeiten bereits weitgehend erschöpft.
Auch um den internationalen Vergleich bemüht sich die Analyse. In Estland heißt es da, seien die Methoden der „beib“s noch bis hin zum einschlägigen Slang etwas zurückgeblieben gegenüber sagen wir – Frankreich etwa, wo in Ermangelung einer ähnlichen Vielzahl von Sponsoren die Konkurrenz schlicht größer sei. Aber das Temperament macht’s natürlich auch. Warum im Land des Weines das männliche Interesse geringer ist, verrät der Artikel gleich ebenso. Dort nämlich gebe es einfach mehr Möglichkeiten für die Herren der Geschäftswelt, ihr Geld anderweitig auszugeben oder zu investieren, wie sich der Autor wörtlich auszudrücken beliebt.
Womit wieder bewiesen wäre, daß es sich als Manager im Westen eben doch sicherer lebt!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke für die Kommetare zu diesem "absolut" wissenschaftlichen Artikel über die Estnische Frau, ähm Estnische Babies bis 20!

"Womit wieder bewiesen wäre, daß es sich als Manager im Westen eben doch sicherer lebt!"

Wohl wahr, im Speziellem, mit viel fingierten horrenden Beraterhonoraren, Geldtransfers an ein Nummernkonto einer Service-Gesellschaft für eine Stiftung mit Sitz in Liechtenstein.