Mittwoch, 30. Januar 2008

Und wieder hessische Verhältnisse

So. Dieser Beitrag wird jetzt mal ein bißchen salopp – immerhin ist dies ein Blog und kein Kommentar einer großen Tageszeitung.
Die Hessen haben nunmehr ein Parlament gewählt mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie im Bundestag, wo nach dem letzten Urnengang die unfreiwillige Ehe der großen Koalition eingegangen wurde. Bis in die Nacht hinein blieb es spannend, aber das ist für Hessen nichts untypisches, es ist hierzulande oft knapp. Beim Sieg Walter Wallmanns von der CDU war es 1987 genau so. Da so etwas abzusehen war, gab es bereits im Vorfeld von allen Parteien Bekundungen, was alles nicht gehe. Alle Parteien haben auch gleich nach der Wahl erklärt, daß sie nicht umfielen und bei ihrem Wort blieben.
Deutschland hat in den vergangenen Jahren in einem Lagerdenken gelebt, rot-grün oder schwarz-gelb. Ausnahmen gab es hiervon nur mit der sozialliberalen Koalition in Mainz unter Scharping und Beck. 1992 hatte der heutige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, damals als Fraktionsvorsitzender der CDU erstmal laut über eine schwarz-grüne Koalition nachgedacht.
Stellt sich die Frage, warum eigentlich nicht? Es ist nämlich falsch immer so zu tun, als seien die Grünen eine Linke Partei. Die Linke ist die histroisch die Arbeiterbewegung, jene Parteien, die für mehr soziale Gerechtigkeit kämpfen, also für materialistische Themen. Die Grünen hingegen sind eine Partei der hochgebildeten Schicht, der Kinder aus guten Häusern. Ingelheart hat dies als Postmaterialismus bezeichnet. Sie sind auch immer dort wählerstark gewesen, wo diese Klientel lebt, vor allem im Südwesten, weniger im Ruhrgebiet. Wenn also die Grünen Probleme mit der CDU haben, dann handelt es sich bildlich gesprochen eher um einen Generationenkonflikt der besser gestellten Jungen mit ihren Eltern. Es ist kein Zufall, daß in der grünen Partei viele alte 68er aktiv sind. Und denen folgte in den 60er Jahren die Arbeiterschaft eben auch nicht.
Damit soll natürlich nicht in Abrede gestellt werden, daß auch dieser Konflikt ein Stolperstein auf dem Weg zu einer Zusammenarbeit ist.
Aber werfen wir einen Blick in die Geschichte, und zwar in jene Hessens. Die Grünen zogen hier 1982 in den Landtag ein, wo dann keine Mehrheit mehr für eine sozialliberale Koalition bestand. Damals für die SPD so unangenehm wie heute die Erfolge der Linken. Mit den Grünen, niemals! So hieß es nicht nur dort, sondern lange auch im Vorfeld anderer Landtagswahlen. Als dann der erste Turnschuhminister vereidigt wurde lautet das einhellige Urteil, so eine Koalition sei aber gewiß nichts für den Bund.
Zugegeben, bis zur ersten Regierungsbeteiligung dort wurde die Partei ziemlich exakt volljährig.
Aber was soll die Ausschließerei heute? Zunächst einmal hat der Wähler gewählt, und die Politiker müssen sich damit abfinden. In Hessen und Hamburg hat man damals jeweils bald neu wählen lassen, als die Grünen die Mehrheiten der SPD zerstörten. Klaus von Dohnany war damit sogar einmal erfolgreich. Aber es kann ja nicht Sinn der Demokratie sein, daß man so lange wählt, bis das Ergebnis den Politikern paßt. Lore Lorentz hatte ebenfalls in den 80er Jahren ein Programm, in dem sie sich darüber lustig machte: die Politiker wählten sich eben im Fall am besten einfach ein anderes Volk.
Nein, in einer Demokratie, in einer Parteiendemokratie müssen alle demokratischen Parteien untereinander zur Zusammenarbeit fähig sein.
Natürlich wird über die Radikalität von Parteien gesprochen, über Verbots verfahren. Dieser Schritt ist jedoch eine Maßnahme aus den 50er Jahren, als man Angst von links wie rechts hatte. So wurden KPD und SRP verboten. Heute ist man eigentlich so schlau zu wissen, daß sich eine Gesinnung nicht verbieten läßt. Und es mag der politischen Elite schmecken oder nicht; während die rechten Parteien tatsächlich nach ihren Einzügen in verschiedene Landtage in der Regel nicht mehr als ein chaotischer Haufen zu sein verstehen, so ist die Linke in zwei Bundesländern sogar in der Regierungsverantwortung! Freilich muß als Einschränkung bestätigt werden, daß die Politiker der Linken in den neuen Bundesländern vielleicht doch etwas praktischer denken als dies bei den linken Sektierern im Westen mitunter der Fall ist. Aber hat die Linke nicht auch gesagt, ohne Vorbehalte und Regierungseintritt Frau Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wählen zu wollen?
Warum könnte das eine gute Idee sein? Wie erwähnt, jetzt gleich neu wählen zu lassen, garantierte nicht einmal eine andere Mehrheit. Es ist keine Frage, daß Andrea Ypsilanti und Roland Koch nicht gemeinsam eine Regierung bilden werden, ganz unabhängig davon, wer von beiden den anderen als Regierungschef zu akzeptieren bereit wäre. Für die Grünen ist die Gefahr in einer Jamaika-Koalition groß, daß nicht nur ihre Politik untergeht, sondern ihnen auch die Wähler davonlaufen. Ganz Ähnliches gilt in einer Ampelkoalition für die FDP. Hier mag man die Anleihe an die 80er Jahre machen: für solche Konstellationen ist die Zeit ganz einfach noch nicht reif.
Aber wenn sich die SPD-Spitzenkandidatin nun durch die Linke wählen ließe und eine Minderheitsregierung bildete, so wäre eine rot-grüne Koalition tatsächlich in der Mitte des vorhanden Spektrums, nämlich zwischen schwarz-gelb und dunkelrot, auch wenn die Mitte Angela Merkel für sich reklamiert – dies gilt wohl wenigstens nicht in Hessen eines Roland Kochs.
Warum muß eine Regierung immer eine stabile Mehrheit haben? Es gibt genug Länder, die regelmäßig mit wechselnden Mehrheiten regiert werden. Rot-grün könnte mal mit links, dann mit gelb oder auch schwarz zusammenarbeiten. Ohnehin, wenn tatsächlich alles ausgeschlossen bleibt, was einstweilen von den Politikern ausgeschlossen wird, dann geht nur eine große Koalition, in der CDU das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt, dieser aber nicht Roland Koch heißt.
In jedem Fall scheint es aberwitzig, daß die CDU ihren Wahlverlierer auch weiterhin als Aspiranten sieht. Dafür müßte sich Koch wirklich eine Mehrheit in Neuwahlen verschaffen.

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