Als Ministerpräsident Aigars Kalvītis im Herbst 2007 dem „Druck der Straße“folgend zurücktrat, obwohl er über eine parlamentarische Mehrheit verfügte und Ivars Godmanis ihn im Amt ablöste, habe ich bereits in der Überschrift die Vorgänge als politischen Zirkus bezeichnet.
Der Regierung Godmanis gelang es zunächst durchaus, daß sich die Wogen um die Entlassung des Chefs der Anti-Korruptionsbehörde, der Festnahme des Bürgermeisters von Ventspils, Aivars Lembergs, und des Sprungs von Edgars Gulbis in die Daugava etwas legten. Diese Ereignisse hatten in der Regenschirmrevolution gemündet und kein gutes Licht auf den Staat Lettland geworfen.
Dann erreichte die Finanzkrise Lettland mit voller Wucht und der Regierungschef demonstrierte den geschäftigen, den Macher. Aber zügig stellten sich Zweifel an der Kompetenz dieses Kabinettes insbesondere in der Krise ein. Finanzminister Atis Slakteris gab ein englischsprachiges Interview, das zur Farce wurde durch dessen Antwort auf die Frage, was mit der lettischen Wirtschaft gerade geschehe, denn Slakteris antwortete: Nothing special. Ein geflügeltes Wort.
Dann folgten die Ausschreitungen vom 13. Januar und das Ultimatum des Präsidenten.
Die Regierung hängt am seidenen Faden, hängt sie?
Es folgte ein Kuddelmuddel sich tägliche ändernder Nachrichten.
Die Union aus Grünen und Bauern hatte im Februar der Regierung, an der sie selbst beteiligt ist, das Vertrauen ausgesprochen und der Mißtrauensantrag der oppositionellen Neuen Zeit war damit gescheitert. Bereits vier Tage später schlug sie vor, der Bankier Feiferis möge eine neue Regierung bilden. Wieder fast nur Stunden später war der Fraktionsvorsitzende Augusts Brigmanis bereit, sogar die ein oder andere weitere Forderung im Rahmen der Kabinettsumbildung fallen zu lassen. Es sei nicht die richtige Zeit.
Am nächsten Tag verlautbarte Ministerpräsident Godmanis, die Koalitionspartner haben sich jetzt doch noch auf den neuen Zuschnitt der Ressorts einigen können. Grüne und Bauern haben soch durchgesetzt, daß das Landwirtschaftsministerium nicht mit dem Umweltschutz zusammengelegt wird. Über die anderen Veränderungen ließe sich diskutieren, viel Zuständeigkeiten passen unvermeidlich mehr oder weniger zusammen.
Während die Neue Zeit zu Recht erklärte, alle paar Tage ein Mißtrauensvotum einzubringen, sei unsinnig, verkündete nun Präsident Zatlers, daß er Godmanis nicht mehr vertraue. R\gewiß, es gehört zu den Aufgaben des Präsidenten, einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefes zu benennen, der anschließend vom Parlament bestätigt werden muß. Doch das Vertrauen entziehen kann diesem ebenfalls nur das Parlament. Daran erinnerte Ex-Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga in einem Fernsehinterview.
Dann traf sich diese Woche Montag der Ministerpräsident mit dem Präsidenten, um, wie es hieß, das Vertrauensverhältnis zu erneuern. Vielfach war erwartet worden, Godmanis werde am Abend seinen Rücktritt bekannt geben. Das aber geschah nicht. Der Ministerpräsident hatte bereits vorher mehrfach erklärt, die Regierung arbeite und er plane keinen Rücktritt.
Ergebnis: Die Regierungsmehrheit stand am 6. Februar. Godmanis will nicht zurücktreten und Zatlers kann aus seiner Position nur mit starken Worten auftreten, schickt sich allerdings nicht an, sein einziges Recht anzuwenden und die Auflösung des Parlamentes anzuregen. Vom Ultimatum ist ebenfalls seit Tagen die Rede nicht mehr, sondern ausschließlich von den zu erledigenden Aufgaben.
Und in diesem Moment legt die Volkspartei plötzlich wieder einen Plan zur Reorganisation des Kabinetts vor.
Diese Frage liegt dem Beobachter unwillkürlich auf der Zunge. Aber eigentlich ist es trivial: alle Parteien wissen, daß sie bei einer allfälligen Neuwahl das Verdikt des Wählers treffen wird. Es geht darum einerseits um eine Positionierung und natürlich um Einfluß in der Noch-Regierung. Godmanis in der Krise als Buhmann vorzuschieben hat Vorteile, unter seinem Kommando zu arbeiten aber gewiß nicht der Traum der beiden deutlich größeren Kräfte Volkspartei und Grüne/Bauern.
Was ist eigentlich hier los?
Dabei sollte nicht vergessen werden, daß Zatlers trotz aller populistischen Forderungen an die Politik während der letzten Monate immer noch der Kandidat genau dieser regierenden Koalition ist. Die Frage ist folglich einzig, wer hat welchen Einfluß darauf, ob und wann Zatlers von seinem einzigen starken verfassungsmäßigen Recht Gebrauch macht.
Nach der geltenden Verfassung kann nur der Präsident die Auflösung des Parlamentes anregen. Nach den Protesten zwischen der Regenschirmrevolution im Herbst 2007 und den Ausschreitungen am 13. Januar dieses Jahres könnten sich die Bürger Lettlands ein Beispiel an Argentiniens Müttern der Plaza de Mayo zum Ende der Militärdiktatur und Island jüngst nehmen: täglich vor der Rigaer Burg demonstrieren, bis Präsident Zatlers anstelle populistischer und fragwürdiger Ultimaten seines Amtes waltet.
Szenario 1: Der Präsident regt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) die Parlamentsauflösung an, worüber dann im Mai das obligatorische Referendum stattfindet. Daraufhin wird im Juni die Regierung umgebildet oder auch eine neue installiert und im September gewählt.
Szenario 2: Der Präsident gibt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) bekannt, daß er mit der Erfüllung der von ihm gestellten Aufgaben durch das Parlament zufrieden ist, und im Juni bilden dann die Parteien nach dem Wählerverdikt auf kommunaler und Europa-Ebene auf der nationalen Ebene eine neue Regierung, die dann bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2010 im Amt bleibt?
Was, wenn der Staat bald nicht mehr in der Lage sein sollte, seine hoheitlichen Aufgaben wahrzunehmen? Was Heißt es also schon rien ne va plus Lettonie?
Der Regierung Godmanis gelang es zunächst durchaus, daß sich die Wogen um die Entlassung des Chefs der Anti-Korruptionsbehörde, der Festnahme des Bürgermeisters von Ventspils, Aivars Lembergs, und des Sprungs von Edgars Gulbis in die Daugava etwas legten. Diese Ereignisse hatten in der Regenschirmrevolution gemündet und kein gutes Licht auf den Staat Lettland geworfen.
Dann erreichte die Finanzkrise Lettland mit voller Wucht und der Regierungschef demonstrierte den geschäftigen, den Macher. Aber zügig stellten sich Zweifel an der Kompetenz dieses Kabinettes insbesondere in der Krise ein. Finanzminister Atis Slakteris gab ein englischsprachiges Interview, das zur Farce wurde durch dessen Antwort auf die Frage, was mit der lettischen Wirtschaft gerade geschehe, denn Slakteris antwortete: Nothing special. Ein geflügeltes Wort.
Dann folgten die Ausschreitungen vom 13. Januar und das Ultimatum des Präsidenten.
Die Regierung hängt am seidenen Faden, hängt sie?
Es folgte ein Kuddelmuddel sich tägliche ändernder Nachrichten.
Die Union aus Grünen und Bauern hatte im Februar der Regierung, an der sie selbst beteiligt ist, das Vertrauen ausgesprochen und der Mißtrauensantrag der oppositionellen Neuen Zeit war damit gescheitert. Bereits vier Tage später schlug sie vor, der Bankier Feiferis möge eine neue Regierung bilden. Wieder fast nur Stunden später war der Fraktionsvorsitzende Augusts Brigmanis bereit, sogar die ein oder andere weitere Forderung im Rahmen der Kabinettsumbildung fallen zu lassen. Es sei nicht die richtige Zeit.
Am nächsten Tag verlautbarte Ministerpräsident Godmanis, die Koalitionspartner haben sich jetzt doch noch auf den neuen Zuschnitt der Ressorts einigen können. Grüne und Bauern haben soch durchgesetzt, daß das Landwirtschaftsministerium nicht mit dem Umweltschutz zusammengelegt wird. Über die anderen Veränderungen ließe sich diskutieren, viel Zuständeigkeiten passen unvermeidlich mehr oder weniger zusammen.
Während die Neue Zeit zu Recht erklärte, alle paar Tage ein Mißtrauensvotum einzubringen, sei unsinnig, verkündete nun Präsident Zatlers, daß er Godmanis nicht mehr vertraue. R\gewiß, es gehört zu den Aufgaben des Präsidenten, einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefes zu benennen, der anschließend vom Parlament bestätigt werden muß. Doch das Vertrauen entziehen kann diesem ebenfalls nur das Parlament. Daran erinnerte Ex-Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga in einem Fernsehinterview.
Dann traf sich diese Woche Montag der Ministerpräsident mit dem Präsidenten, um, wie es hieß, das Vertrauensverhältnis zu erneuern. Vielfach war erwartet worden, Godmanis werde am Abend seinen Rücktritt bekannt geben. Das aber geschah nicht. Der Ministerpräsident hatte bereits vorher mehrfach erklärt, die Regierung arbeite und er plane keinen Rücktritt.
Ergebnis: Die Regierungsmehrheit stand am 6. Februar. Godmanis will nicht zurücktreten und Zatlers kann aus seiner Position nur mit starken Worten auftreten, schickt sich allerdings nicht an, sein einziges Recht anzuwenden und die Auflösung des Parlamentes anzuregen. Vom Ultimatum ist ebenfalls seit Tagen die Rede nicht mehr, sondern ausschließlich von den zu erledigenden Aufgaben.
Und in diesem Moment legt die Volkspartei plötzlich wieder einen Plan zur Reorganisation des Kabinetts vor.
Diese Frage liegt dem Beobachter unwillkürlich auf der Zunge. Aber eigentlich ist es trivial: alle Parteien wissen, daß sie bei einer allfälligen Neuwahl das Verdikt des Wählers treffen wird. Es geht darum einerseits um eine Positionierung und natürlich um Einfluß in der Noch-Regierung. Godmanis in der Krise als Buhmann vorzuschieben hat Vorteile, unter seinem Kommando zu arbeiten aber gewiß nicht der Traum der beiden deutlich größeren Kräfte Volkspartei und Grüne/Bauern.
Was ist eigentlich hier los?
Dabei sollte nicht vergessen werden, daß Zatlers trotz aller populistischen Forderungen an die Politik während der letzten Monate immer noch der Kandidat genau dieser regierenden Koalition ist. Die Frage ist folglich einzig, wer hat welchen Einfluß darauf, ob und wann Zatlers von seinem einzigen starken verfassungsmäßigen Recht Gebrauch macht.
Nach der geltenden Verfassung kann nur der Präsident die Auflösung des Parlamentes anregen. Nach den Protesten zwischen der Regenschirmrevolution im Herbst 2007 und den Ausschreitungen am 13. Januar dieses Jahres könnten sich die Bürger Lettlands ein Beispiel an Argentiniens Müttern der Plaza de Mayo zum Ende der Militärdiktatur und Island jüngst nehmen: täglich vor der Rigaer Burg demonstrieren, bis Präsident Zatlers anstelle populistischer und fragwürdiger Ultimaten seines Amtes waltet.
Szenario 1: Der Präsident regt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) die Parlamentsauflösung an, worüber dann im Mai das obligatorische Referendum stattfindet. Daraufhin wird im Juni die Regierung umgebildet oder auch eine neue installiert und im September gewählt.
Szenario 2: Der Präsident gibt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) bekannt, daß er mit der Erfüllung der von ihm gestellten Aufgaben durch das Parlament zufrieden ist, und im Juni bilden dann die Parteien nach dem Wählerverdikt auf kommunaler und Europa-Ebene auf der nationalen Ebene eine neue Regierung, die dann bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2010 im Amt bleibt?
Was, wenn der Staat bald nicht mehr in der Lage sein sollte, seine hoheitlichen Aufgaben wahrzunehmen? Was Heißt es also schon rien ne va plus Lettonie?
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