Donnerstag, 11. Februar 2010

Überschreitet der Rechtsstaat den Rubikon?

Heiner Geißler erklärte bei Anne Will am Sonntag treffend, es handele sich bei der Frage des Kaufes gestohlener Daten um ein Paradoxon – völlig zutreffend, einen Scheinwiderspruch. Widersprüchlich erscheint, einen Gesetzesverstoß durch einen anderen heilen zu können.

Worüber kaum ein Diskutant spricht oder Kommentator schreibt, es ist schon immer klar gewesen, daß manche Menschen ihre Steuern nicht bezahlen und das Geld unter Schutz des Schweizer Bankgeheimnisses horten. Zum Politikum wurde dies erst im Rahmen der Finanzkrise und angesichts gigantischer Haushaltslöcher. Vorher bestand weniger politisches Interesse an der Verfolgung und sie war auch weniger realistisch. Das hat sich geändert, seit die Schweiz unter Druck steht.

Im Angesicht des Kaufes werden nun Argumente über die Leistungsträger der Gesellschaft, Sinn und Unsinn welcher Steuerbelastung ausgetauscht, die hinreichend bekannt sind.

Die Volksseele (der sogenannten kleinen Leute) kocht wie zu erwarten und Politiker wie Sahra Wagenknecht argumentieren, der Ankauf sei moralisch gerechtfertigt. So weit Schadenfreunde der kleinen Leute nachvollziehbar ist, mit diesem Argument machen sie es sich natürlich sehr einfach. Für die gute Sache zu kämpfen haben schon andere vorgegeben und damit viel (Ungerechtes und Verbrecherisches) gerechtfertigt. Gerade deshalb ist die Errungenschaft des Rechtsstaates so wichtig.

Diesen aber zu verteidigen, indem man den Kauf gestohlener Daten als Gesetzesverstoß mit der rechtsstaatswidrigen Androhung von Folter gegen den Täter im Fall des entführten Metzler-Jungen vergleicht, ist nicht stimmig. Damals wollte die Polizei das Versteck des Jungen herausfinden, um dessen Leben zu retten. Dementsprechend müßte der Staat also Schweizer Bankiers foltern, die Schwarzgeld verwalten oder Schweizer Politiker, die zu einer Änderung der Politik nicht bereit sind. Unter den schadenfrohen kleinen Leuten fände sich vielleicht im ersten Fall Befürworter, aber im zweiten?

Im Grunde belohnt der Staat durch den Ankauf der Daten einen Verräter, der durch seinen Verrat einen Vorteil erhält, in diesem Fall eine hohe Geldsumme. Solches Vorgehen des Staates gibt es auch bei V-Leuten und der Kronzeugenregel. Hier werden Verräter mit Vorteilen belohnt, und bei beide Ermittlungsmethoden werden ebenfalls regelmäßig moralische Bedenken erhoben, sie geschehen aber dennoch in juristisch festgelegtem Rahmen und überwacht.

Insofern ist es eigentlich schade, daß der Staat sich hinter dem Umstand verstecken muß, daß die Kopie von Daten strafrechtlich kein Diebstahl ist und der Ankauf damit auch keine Hehlerei sein kann.

Zugegeben, der Erfolg des Verräters könnte zur Nachahmung einladen; über weitere Datenangebote wurde bereits berichtet. Moralisch positiv betrachtet hätte dies zur Folge, daß sich die Anleger von Schwarzgelder nicht mehr in Sicherheit wähnen können. Im Bankenfall wie auch der Kronzeugenregel könnte sich der Rechtsstaat eigentlich nichts mehr wünschen, als daß alle Gesetzesübertreter sich plötzlich entschieden, zu Verrätern zu werden. Einzig unter den V-Leuten verhielte sich eine solche Entwicklung komplizierter, gibt es doch sowohl eingeschleuste als auch Insider. Wenn eine ganze kriminelle Vereinigung nur noch aus V-Leuten bestünde, paralysierte sie sich oder aber der Staat wäre selbst die kriminelle Vereinigung.

Der jüngste Fall, in dem ein liechtensteinisches Gericht die Bank verurteilte, einem früheren Kunden die Strafe zu erstatten, weil sie ihn nicht rechtzeitig genug für die Selbstanzeige über den Diebstahl informiert hatte, ist moralisch gesehen blanker Zynismus. Der Rechtsstaat wird instrumentalisiert, um sich der Strafe für eine rechtswidrige Handlung zu entziehen. Nichtsdestotrotz sollte die Bank im Rahmen der Kundenbetreuung auch bei legal angelegten Geldern ihre Kunden über solche Vorgänge unmittelbar informieren.

Daß es moralisch in Ordnung ist, Steuerhinterziehung aufzudecken, steht außer Frage. Freilich ist es unschön, daß dabei Mittel zur Anwendung kommen, die ihrerseits gesetzeswidrig sind. Aber der Staat arbeitet auch in anderen Fällen mit kriminellen Elementen zusammen, insofern wird der Rubikon des Rechtsstaates damit nicht überschritten. Es verhielte sich eventuell anders, wenn der Staat gezielt V-Leute auf Bankendaten ansetzen würde. Doch was ist Spionage anderes? Und die wird vom Geheimdienstausschuß des Bundestages kontrolliert.

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