Also die Deutschen empfinden eine Gerechtigkeitslücke. Allein schon der Begriff wäre es wert, zum Unwort des Jahres gewählt zu werden!
Aber drehen wir zunächst die Zeitschraube ein wenig zurück: die Agenda 2010, die für die „Gleichstellung“ aller Arbeitslosen verantwortlich zeichnet, hat das Netz der sozialen Sicherung vereinfacht und die Sozialhilfeempfänger wieder zu Arbeitslosen gemacht. Umfangreich sind die Diskussionen über die Höhe der Zahlungen, den inzwischen festgestellten finanziellen Mehraufwand für die öffentliche Hand und die ganz große Frage: hat der jüngste Rückgang der Arbeitslosenzahlen etwas mit Hartz IV zu tun oder nur mit dem Aufschwung?
Dies ist eine müßige Diskussion, da die reelle wirtschaftliche Situation nicht wie im volkswirtschaftlichen Modell so einfach ceteris paribus (die Klausel, mit der die Wissenschaftler andere Einflüsse ausschließen, um einen separaten zu berechnen) eruiert werden, genauso wenig wie die Frage, wieso die Wirtschaft entgegen allen Erwartungen die Mehrwertsteuererhöhung so gut verkraftet hat.
So begrüßenswert die Agenda als erster Schritt zur Begrenzung der Regulierungswut ist, mit den Reformen, die den Namen eins bekannten Managers tragen, wurde jedoch der Grundfehler des deutschen Sozialsystems nicht behoben, daß immer Arbeitslosigkeit an Stelle von Arbeit finanziert; alle Reformvorschläge bewegen sich ausschließlich innerhalb des gegebenen Systems und allem an die SPD, aber nicht nur sie, zeigen keine Bereitschaft, angesichts zahlreicher Fehlentwicklungen das deutsche Modell grundsätzlich zu überdenken.
Das gegebene System wird nämlich einer sich wandelnden Arbeitswelt nicht gerecht. Heutzutage sind etwa mehrfache Stellenwechsel in einem Curriculum Vitae normal wie leider auch die zahlreichen, eben nicht versicherungspflichtigen Jobs unter den diversesten blumigen Bezeichnungen wie „Ein-€- oder Minijob“. Insbesondere Akademiker fällt es oftmals schwer, den Berufseinstieg der klassischen Form zu schaffen, sie werden vielfach in Praktika ausgebeutet. Auch Leiharbeit ist ein leidiges Thema mit zahlreichen Vor- und Nachteilen für den Arbeitsmarkt einerseits und den Arbeitnehmer andererseits. Viele Vollzeit arbeitenden Arbeitnehmer können heute von ihrem Einkommen kaum leben. Fest steht: Ein guter Teil der arbeitswilligen Bevölkerung fällt so durch den Rost dieses Systems. Die Forderung nach dem Mindestlohn läßt grüßen. Dank der de facto Vollbeschäftigung während der Anfangszeit der Bundesrepublik gab es solche Probleme früher einfach nicht.
So viel zum allgemeinen Aspekt der Notwendigkeit von Reformen. Was bringt nun die Reform der Reform? Geht sie in die richtige Richtung? Und wie ist das nun mit der Frage der Gerechtigkeit?
Die Verlängerung der Zahlung von Arbeitslosengeld an jene, die länger eingezahlt haben, löste eine Debatte über die Risikoversicherung aus, die verwundert. Es kann ja überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß die Arbeitsversicherung keine Lebensversicherung ist, keine Kapitalanlage. Wer in seinem Leben nicht arbeitslos wird, und das ist ja das Ziel aller Politik, dann sieht der Arbeitnehmer zum Renteneintritt keinen Pfennig seiner Beiträge wieder. Die Argumentation, die einen hätten ja nun länger einbezahlt, ist vor diesem Hintergrund ziemlich unfair. Soll das dann heißen, daß künftig jene, die länger in die Krankenversicherung eingezahlt haben, eine bessere Behandlung bekommen, als ein junger Mensch, bei dem Multiple Sklerose oder Leukämie diagnostiziert wird? Schon früher wurden die Sozialkassen in allerlei Hinsicht mißbraucht, wie unter Kohl mit der Frühverrentung im Interesse der Unternehmer, aber auf Kosten der Allgemeinheit, daß wurde komischerweise als ungerecht nicht betrachtet, sondern toleriert.
Aber damit nicht genug. Wo ist ein System gerecht, in dem jene Arbeitnehmer, die es in ihrer Jugend leicht hatten, eine Stelle zu finden, also auch problemlos über Jahre hinweg einzahlen konnten, nun wieder im Vorteil sind gegenüber den jüngeren, die dieses Glück der frühen Geburt nicht haben? Die jüngeren haben vielleicht noch Kinder im Haus und bauen gerade ein Eigenheim. Bei den Älteren hingegen sind die Kinder aus dem Haus und die Kredite längst abbezahlt.
Verwunderlich ist die Forderung der SPD aber auch vor dem Hintergrund der Erhöhung des Rentenalters auf 67 wie auch der Behauptung, daß zunehmend die Erfahrung älterer Arbeitnehmer gebraucht werde. Wenn dem so ist, wozu dann längere Arbeitslosengeldzahlungen? Insgesamt erwecken die verschiedenen Kampagnen eher den Eindruck, daß sie wenig aufeinander abgestimmt sind. Die SPD befindet sich im Harakiri, zerrieben zwischen Regierungsbeteiligung plus CDU sowie der Linken.
Außerdem noch eines, das Leben ist sowieso nicht gerecht. Die ältere Generation leidet allerdings unter dem Problem, daß sie nur sehr langsam begreift, wie wenig zutreffend der Wachstumsglaube in den 50ern und 60ern war. Da die Parteien schon lange über eine Überalterung ihrer Mitgliedschaft klagen, darf man davon ausgehen, daß die Beschlüsse mehr der Befriedigung der Parteibasis dienen, die in diesen alten Denkschulen steckt, was früher gut war, kann heute nicht plötzlich schlecht sein. Wähler und Mitglieder wird allem voran die SPD auf diese Weise sicher nicht gewinnen.
Aber drehen wir zunächst die Zeitschraube ein wenig zurück: die Agenda 2010, die für die „Gleichstellung“ aller Arbeitslosen verantwortlich zeichnet, hat das Netz der sozialen Sicherung vereinfacht und die Sozialhilfeempfänger wieder zu Arbeitslosen gemacht. Umfangreich sind die Diskussionen über die Höhe der Zahlungen, den inzwischen festgestellten finanziellen Mehraufwand für die öffentliche Hand und die ganz große Frage: hat der jüngste Rückgang der Arbeitslosenzahlen etwas mit Hartz IV zu tun oder nur mit dem Aufschwung?
Dies ist eine müßige Diskussion, da die reelle wirtschaftliche Situation nicht wie im volkswirtschaftlichen Modell so einfach ceteris paribus (die Klausel, mit der die Wissenschaftler andere Einflüsse ausschließen, um einen separaten zu berechnen) eruiert werden, genauso wenig wie die Frage, wieso die Wirtschaft entgegen allen Erwartungen die Mehrwertsteuererhöhung so gut verkraftet hat.
So begrüßenswert die Agenda als erster Schritt zur Begrenzung der Regulierungswut ist, mit den Reformen, die den Namen eins bekannten Managers tragen, wurde jedoch der Grundfehler des deutschen Sozialsystems nicht behoben, daß immer Arbeitslosigkeit an Stelle von Arbeit finanziert; alle Reformvorschläge bewegen sich ausschließlich innerhalb des gegebenen Systems und allem an die SPD, aber nicht nur sie, zeigen keine Bereitschaft, angesichts zahlreicher Fehlentwicklungen das deutsche Modell grundsätzlich zu überdenken.
Das gegebene System wird nämlich einer sich wandelnden Arbeitswelt nicht gerecht. Heutzutage sind etwa mehrfache Stellenwechsel in einem Curriculum Vitae normal wie leider auch die zahlreichen, eben nicht versicherungspflichtigen Jobs unter den diversesten blumigen Bezeichnungen wie „Ein-€- oder Minijob“. Insbesondere Akademiker fällt es oftmals schwer, den Berufseinstieg der klassischen Form zu schaffen, sie werden vielfach in Praktika ausgebeutet. Auch Leiharbeit ist ein leidiges Thema mit zahlreichen Vor- und Nachteilen für den Arbeitsmarkt einerseits und den Arbeitnehmer andererseits. Viele Vollzeit arbeitenden Arbeitnehmer können heute von ihrem Einkommen kaum leben. Fest steht: Ein guter Teil der arbeitswilligen Bevölkerung fällt so durch den Rost dieses Systems. Die Forderung nach dem Mindestlohn läßt grüßen. Dank der de facto Vollbeschäftigung während der Anfangszeit der Bundesrepublik gab es solche Probleme früher einfach nicht.
So viel zum allgemeinen Aspekt der Notwendigkeit von Reformen. Was bringt nun die Reform der Reform? Geht sie in die richtige Richtung? Und wie ist das nun mit der Frage der Gerechtigkeit?
Die Verlängerung der Zahlung von Arbeitslosengeld an jene, die länger eingezahlt haben, löste eine Debatte über die Risikoversicherung aus, die verwundert. Es kann ja überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß die Arbeitsversicherung keine Lebensversicherung ist, keine Kapitalanlage. Wer in seinem Leben nicht arbeitslos wird, und das ist ja das Ziel aller Politik, dann sieht der Arbeitnehmer zum Renteneintritt keinen Pfennig seiner Beiträge wieder. Die Argumentation, die einen hätten ja nun länger einbezahlt, ist vor diesem Hintergrund ziemlich unfair. Soll das dann heißen, daß künftig jene, die länger in die Krankenversicherung eingezahlt haben, eine bessere Behandlung bekommen, als ein junger Mensch, bei dem Multiple Sklerose oder Leukämie diagnostiziert wird? Schon früher wurden die Sozialkassen in allerlei Hinsicht mißbraucht, wie unter Kohl mit der Frühverrentung im Interesse der Unternehmer, aber auf Kosten der Allgemeinheit, daß wurde komischerweise als ungerecht nicht betrachtet, sondern toleriert.
Aber damit nicht genug. Wo ist ein System gerecht, in dem jene Arbeitnehmer, die es in ihrer Jugend leicht hatten, eine Stelle zu finden, also auch problemlos über Jahre hinweg einzahlen konnten, nun wieder im Vorteil sind gegenüber den jüngeren, die dieses Glück der frühen Geburt nicht haben? Die jüngeren haben vielleicht noch Kinder im Haus und bauen gerade ein Eigenheim. Bei den Älteren hingegen sind die Kinder aus dem Haus und die Kredite längst abbezahlt.
Verwunderlich ist die Forderung der SPD aber auch vor dem Hintergrund der Erhöhung des Rentenalters auf 67 wie auch der Behauptung, daß zunehmend die Erfahrung älterer Arbeitnehmer gebraucht werde. Wenn dem so ist, wozu dann längere Arbeitslosengeldzahlungen? Insgesamt erwecken die verschiedenen Kampagnen eher den Eindruck, daß sie wenig aufeinander abgestimmt sind. Die SPD befindet sich im Harakiri, zerrieben zwischen Regierungsbeteiligung plus CDU sowie der Linken.
Außerdem noch eines, das Leben ist sowieso nicht gerecht. Die ältere Generation leidet allerdings unter dem Problem, daß sie nur sehr langsam begreift, wie wenig zutreffend der Wachstumsglaube in den 50ern und 60ern war. Da die Parteien schon lange über eine Überalterung ihrer Mitgliedschaft klagen, darf man davon ausgehen, daß die Beschlüsse mehr der Befriedigung der Parteibasis dienen, die in diesen alten Denkschulen steckt, was früher gut war, kann heute nicht plötzlich schlecht sein. Wähler und Mitglieder wird allem voran die SPD auf diese Weise sicher nicht gewinnen.
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