Lebensstandard und allgemeine Lebensumstände sind für die meisten ausländischen Gäste viel wichtiger als Geschichte und Kultur. Wie hoch ist denn hier das Durchschnittseinkommen? Das ist die am häufigsten gestellte Fragen der Touristen. Darauf kann man nur erwidern, daß dies in zwei Sätzen gar nicht zu beantworten ist und eigentlich auch kaum zu ermitteln – getreu nach dem bekannten Motto: ich traue nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe. Aber ganz so schlimm ist es freilich nicht. In den baltischen Ländern besteht das Problem vorwiegend darin, daß zu viel im realen Leben passiert, was statistisch nicht erfaßt wird und nicht erfaßt werden kann. Darum ist es erforderlich, um den Lebensstandard der Menschen im Baltikum zu erklären, die Einnahmen- und die Ausgabenseite separat zu betrachten, weil sich beide Aspekte doch sehr deutlich vom westeuropäischen Durchschnitt unterscheidet.
Das offizielle Durchschnittseinkommen in Lettland liegt bei etwa 250 bis 300 Lat, und das ist deutlich weniger als 500 Euro. Damit sind die Letten statistisch noch hinter Portugal das Armenhaus Europas. Aber stimmt das?
Im Jahre 2002, also ungefähr ein Jahr vor dem Referendum, hat der lettische Journalist Juris Paiders ein Buch unter dem Titel „Ne¯ Eiropas Savieni¯bai“ also „Nein der Europäischen Union“ herausgegeben. Das Buch ist aber weniger ein Pamphlet gegen den Beitritt als eine Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Lettland und der Folgen, die ein EU Beitritt zeitigen wird. Paiders schreibt, daß in einer durchschnittlichen lettischen Wohnung von der Kaffeemaschine über den Kühlschrank, Fernseher und Videorekorder bis hin zum Computer alles vorhanden ist. Und so viel ist klar, mit dem vorher genannten Durchschnittseinkommen ließe sich dies nicht finanzieren.
Einnahmen
Einstweilen ist es in den baltischen Staaten nicht Ungewöhnliches, daß Menschen mehr als eine Arbeitsstelle haben. Insbesondere in Lettland ist es außerdem ein leidliches Thema, daß viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter offiziell zum gesetzlich festgelegten Mindestlohn beschäftigen, zusätzlich aber das sogenannte „Umschlageinkommen“ zahlen, in klaren Worten formuliert, diese Menschen arbeiten also halb schwarz – zu ihrem eigenen Nachteil, denn natürlich werden für diese zusätzlichen Zahlungen keine Sozialabgaben abgeführt. Im Handwerk und auf dem Bau ist die Zahl der grundsätzlich schwarz Arbeitenden sowieso hoch.
Und damit läßt sich auch eine zweite beliebte Frage der Touristen beantworten: Wie hoch ist denn hier die Arbeitslosigkeit? Hier war die Antwort vor der Krise unproblematisch: Es gab in den baltischen Ländern keine Arbeitslosigkeit. Abgesehen davon, daß die Transferzahlungen des Staates gering sind und es sich nur für wenige wirklich Arbeitslose lohnt, sich registrieren zu lassen, gibt es auch genügend Kollegen, die als offizielle Arbeitslose die Unterstützung mitnehmen und nebenbei schwarz weiterarbeiten. Hier müssen viele Arbeitgeber keine große Überredungskünste besitzen. Eine aus der Sowjetzeit geerbte negative Einstellung gegenüber dem Staat und Vorschriften läßt hier wenig Unrechtsbewußtsein entstehen.
Aber daß es eigentlich keine Arbeitslosigkeit gab, lag vorwiegend an der Öffnung der Arbeitsmärkte in Irland und Großbritannien mit dem Beitritt zur Europäischen Union 2004. Zwar arbeiten dort viele Menschen in Positionen, die ihrem Bildungsniveau nicht entsprechen, aber der mutmaßlich höhere Lohn hat viele in Unkenntnis der auch höheren Lebenshaltungskosten gereizt. Durch den gleichzeitigen Boom im Inland fehlten in den baltischen Ländern de facto Arbeitskräfte und es gab Plakatwerbeaktionen, welche die Menschen zum Bleiben aufforderten und Diskussionen über die Notwendigkeit, Gastarbeiter aus anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ins Land zu holen.
Ausgaben
Die Frage, welche Ausgaben die Menschen im Baltikum haben, unterscheidet sich aber noch deutlicher von Westeuropa. Was kostet hier eine Miete? Auch diese Frage ist unter Touristen beliebt. Und hier muß daran erinnert werden, daß der Löwenanteil der Wohnbausubstanz in den baltischen Staaten zu sowjetischer Zeit errichtet wurde, und das heißt, es gab nie einen Eigentümer, die Wohnung wurden von der Stadtverwaltung oder den Werken verwaltet. Dank der Voucherprivatisierung konnten so die Menschen fast überall Eigentümer der Wohnungen werden, die seit bereits lange bewohnten. Die Verwaltungen wurden in Kooperativen umgewandelt, die mit Wohnungsbaugesellschaften in Deutschland vergleichbar sind. Die Bewohner zahlen nur die sogenannten Kommunalgebühren, also die Betriebskosten. In einer ungefähr 47km2 großen, typischen Zwei-Zimmer-Chruschtschowka (benannt nach dem Parteichef in der Zeit, in welcher sie errichtet wurden), betrug diese Summe 2004 nur etwa 25 Euro im Monat. Während der Heizperiode steigt dieser Betrag jedoch deutlich an, denn die sozialistischen Wohnhäuser sind ausnahmslos fernbeheizt. Da die Energiekosten auch in den baltischen Staaten in den letzten Jahren gestiegen sind, gibt es natürlich Parteien, die sich mit Lösungen nur für ihre Wohnung von diesem Netz abkoppeln.
Aber darüber hinaus pflege ich zu sagen, daß Kartoffeln nicht wie in Deutschland im Supermarkt wachsen. Die meisten Familien haben Kleingärten in einem Radius von bis zu 100km von ihrem Wohnort, wo Gemüse und Obst angebaut werden, in Gewächshäusern „Marke Eigenbau“ werden meist auch Tomaten gezüchtet.
Diese Struktur kann nur existieren dank einer innerfamiliären Zusammenarbeit über drei Generationen. Selbstverständlich helfen die Kinder mit, aber auch die Großeltern werden eingebunden. Die Rentner sind so gering, daß die Alten gezwungen sind, beispielsweise in im Baltikum noch allgegenwärtigen Pförtnerpositionen zu arbeiten – die gibt es sogar in Studentenwohnheimen, denn die Studenten leben fast nirgends allein auf einem Zimmer, und am Eingang wird der Besuch kontrolliert – oder aber von ihren Kindern finanziell unterstützt werden, wofür eine Gegenleistung erbracht wird, indem die Rentner im Garten arbeiten und auch auf die Kinder aufpassen, denn die Eltern arbeiten wie erwähnt sehr viel.
Darüber hinaus gibt es in den baltischen Ländern neben anderen einen besonderen Volkssport: das sammeln von Beeren und Pilzen. Wegen der dünnen Besiedlung und des feuchten Klimas gibt es beides in Hülle und Fülle. Hier gedeihen auch die in Deutschland weitgehend unbekannten Moosbeeren, auf Estnisch „jõhvika“ und auf Lettisch „dze¯rvene“. Die Popularität dieser Tätigkeit ist so groß, daß die lettische Sprache dafür sogar eigene Verben kennt: „oga“ ist die Beere und „ogot“ bedeutet, sie zu sammeln. „Se¯ne“ bedeutet Pilz und „se¯n¸ot“ kann man nur mit „in die Pilze gehen“ übersetzen.
Kredite
Dies sind natürlich die Aspekte, die eine Touristengruppe bei einer nur wenige Tage dauernden Reise mit Ausnahme der am Straßenrand feilgebotenen Pilze und Beeren nicht zu Gesicht bekommt. Dafür springt ihnen beim Altstadtrundgang insbesondere in Riga etwas anderes ins Auge: die Vielzahl der großen und teuren Autos.
Zunächst muß einschränkend hinzugefügt werden, daß sich diese Beobachtung vor allem auf das Zentrum konzentriert. Da es nämlich keine große Mittelschicht gibt, die wie etwa in Deutschland einen Neuwagen der Mittelklasse erwirbt und diesen über zehn und mehr Jahre fährt, fehlt im Straßenbild dieses Segment von PKW. Es gibt fast ausschließlich die teuren Wagen und eben viele weit mehr als zehn Jahre alten, aus dem Ausland gebraucht eingeführten Autos.
Die meisten Fahrzeuge sind aber kein Privateigentum. Für die Buchhaltungen der ausländischen Firmenvertretungen ist es sinnvoller, einen Qualitätswagen über einen Leasingvertrag zu beschaffen, als die örtlichen Mitarbeiter mit Gebrauchtwagen auszustatten. Und diese, meist sehr jungen Personen, dürfen das Auto auch in ihrer Freizeit benutzen. Und geleast oder auf Ratenzahlung erworben sind zweifelsohne auch mehrheitlich die Fahrzeuge im Privatbesitz. Aber selbstverständlich gibt es in den baltischen Staaten auch Menschen, die in den letzten Jahren reich geworden sind, und sich die großen Wagen tatsächlich leisten können.
Dies muß man vor dem Hintergrund einer Lebenserfahrung verstehen, die in den vergangenen Jahren gezeigt hat, daß sich die Umstände schnell ändern können. Darüber hinaus sind die Gesellschaften der postsozialistischen Staaten noch erheblich mehr in der Moderne als der Westen, wo postmaterialistische Werte einen großen Teil der Gesellschaft erfassen. Im Baltikum wird eben gerne konsumiert, wenn es irgend möglich ist und dies auch gern gezeigt. Alleine die Einfahrt in die Altstadt kostet 5 Lat in der Stunde. Die Auswirkung dieses Snobismus zeigen sich außerdem in einer Vielzahl sogenannter Wunschkennzeichen, die in Lettland völlig frei wählbar sind. Und so kann es passieren, daß man einen Hummer mit dem Kennzeichen „ROLEXXX“ sieht.
Und selbst vor einem Studentenwohnheim, wo der Einzelne nicht einmal über ein eigenes Zimmer verfügt, sind oftmals mehrere Autos geparkt, deren Besitz man keinem Studenten zutrauen würde. Jedoch arbeiten die jungen Leute in der Regel spätestens ab dem zweiten Studienjahr und machen ob ihrer „zeitgemäßeren“ Kenntnisse nach Auslandsaufenthalt und Dank umfangreicher Sprachkenntnisse Karriere. Mit 300 Lat Monatseinkommen ist man dann kreditwürdig genug, und selbstredend kommen ein BMW und ein modernes Handy bei den Mädels in einer doch ziemlich materialistisch orientierten Gesellschaft besser an ...
Das offizielle Durchschnittseinkommen in Lettland liegt bei etwa 250 bis 300 Lat, und das ist deutlich weniger als 500 Euro. Damit sind die Letten statistisch noch hinter Portugal das Armenhaus Europas. Aber stimmt das?
Im Jahre 2002, also ungefähr ein Jahr vor dem Referendum, hat der lettische Journalist Juris Paiders ein Buch unter dem Titel „Ne¯ Eiropas Savieni¯bai“ also „Nein der Europäischen Union“ herausgegeben. Das Buch ist aber weniger ein Pamphlet gegen den Beitritt als eine Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Lettland und der Folgen, die ein EU Beitritt zeitigen wird. Paiders schreibt, daß in einer durchschnittlichen lettischen Wohnung von der Kaffeemaschine über den Kühlschrank, Fernseher und Videorekorder bis hin zum Computer alles vorhanden ist. Und so viel ist klar, mit dem vorher genannten Durchschnittseinkommen ließe sich dies nicht finanzieren.
Einnahmen
Einstweilen ist es in den baltischen Staaten nicht Ungewöhnliches, daß Menschen mehr als eine Arbeitsstelle haben. Insbesondere in Lettland ist es außerdem ein leidliches Thema, daß viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter offiziell zum gesetzlich festgelegten Mindestlohn beschäftigen, zusätzlich aber das sogenannte „Umschlageinkommen“ zahlen, in klaren Worten formuliert, diese Menschen arbeiten also halb schwarz – zu ihrem eigenen Nachteil, denn natürlich werden für diese zusätzlichen Zahlungen keine Sozialabgaben abgeführt. Im Handwerk und auf dem Bau ist die Zahl der grundsätzlich schwarz Arbeitenden sowieso hoch.
Und damit läßt sich auch eine zweite beliebte Frage der Touristen beantworten: Wie hoch ist denn hier die Arbeitslosigkeit? Hier war die Antwort vor der Krise unproblematisch: Es gab in den baltischen Ländern keine Arbeitslosigkeit. Abgesehen davon, daß die Transferzahlungen des Staates gering sind und es sich nur für wenige wirklich Arbeitslose lohnt, sich registrieren zu lassen, gibt es auch genügend Kollegen, die als offizielle Arbeitslose die Unterstützung mitnehmen und nebenbei schwarz weiterarbeiten. Hier müssen viele Arbeitgeber keine große Überredungskünste besitzen. Eine aus der Sowjetzeit geerbte negative Einstellung gegenüber dem Staat und Vorschriften läßt hier wenig Unrechtsbewußtsein entstehen.
Aber daß es eigentlich keine Arbeitslosigkeit gab, lag vorwiegend an der Öffnung der Arbeitsmärkte in Irland und Großbritannien mit dem Beitritt zur Europäischen Union 2004. Zwar arbeiten dort viele Menschen in Positionen, die ihrem Bildungsniveau nicht entsprechen, aber der mutmaßlich höhere Lohn hat viele in Unkenntnis der auch höheren Lebenshaltungskosten gereizt. Durch den gleichzeitigen Boom im Inland fehlten in den baltischen Ländern de facto Arbeitskräfte und es gab Plakatwerbeaktionen, welche die Menschen zum Bleiben aufforderten und Diskussionen über die Notwendigkeit, Gastarbeiter aus anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ins Land zu holen.
Ausgaben
Die Frage, welche Ausgaben die Menschen im Baltikum haben, unterscheidet sich aber noch deutlicher von Westeuropa. Was kostet hier eine Miete? Auch diese Frage ist unter Touristen beliebt. Und hier muß daran erinnert werden, daß der Löwenanteil der Wohnbausubstanz in den baltischen Staaten zu sowjetischer Zeit errichtet wurde, und das heißt, es gab nie einen Eigentümer, die Wohnung wurden von der Stadtverwaltung oder den Werken verwaltet. Dank der Voucherprivatisierung konnten so die Menschen fast überall Eigentümer der Wohnungen werden, die seit bereits lange bewohnten. Die Verwaltungen wurden in Kooperativen umgewandelt, die mit Wohnungsbaugesellschaften in Deutschland vergleichbar sind. Die Bewohner zahlen nur die sogenannten Kommunalgebühren, also die Betriebskosten. In einer ungefähr 47km2 großen, typischen Zwei-Zimmer-Chruschtschowka (benannt nach dem Parteichef in der Zeit, in welcher sie errichtet wurden), betrug diese Summe 2004 nur etwa 25 Euro im Monat. Während der Heizperiode steigt dieser Betrag jedoch deutlich an, denn die sozialistischen Wohnhäuser sind ausnahmslos fernbeheizt. Da die Energiekosten auch in den baltischen Staaten in den letzten Jahren gestiegen sind, gibt es natürlich Parteien, die sich mit Lösungen nur für ihre Wohnung von diesem Netz abkoppeln.
Aber darüber hinaus pflege ich zu sagen, daß Kartoffeln nicht wie in Deutschland im Supermarkt wachsen. Die meisten Familien haben Kleingärten in einem Radius von bis zu 100km von ihrem Wohnort, wo Gemüse und Obst angebaut werden, in Gewächshäusern „Marke Eigenbau“ werden meist auch Tomaten gezüchtet.
Diese Struktur kann nur existieren dank einer innerfamiliären Zusammenarbeit über drei Generationen. Selbstverständlich helfen die Kinder mit, aber auch die Großeltern werden eingebunden. Die Rentner sind so gering, daß die Alten gezwungen sind, beispielsweise in im Baltikum noch allgegenwärtigen Pförtnerpositionen zu arbeiten – die gibt es sogar in Studentenwohnheimen, denn die Studenten leben fast nirgends allein auf einem Zimmer, und am Eingang wird der Besuch kontrolliert – oder aber von ihren Kindern finanziell unterstützt werden, wofür eine Gegenleistung erbracht wird, indem die Rentner im Garten arbeiten und auch auf die Kinder aufpassen, denn die Eltern arbeiten wie erwähnt sehr viel.
Darüber hinaus gibt es in den baltischen Ländern neben anderen einen besonderen Volkssport: das sammeln von Beeren und Pilzen. Wegen der dünnen Besiedlung und des feuchten Klimas gibt es beides in Hülle und Fülle. Hier gedeihen auch die in Deutschland weitgehend unbekannten Moosbeeren, auf Estnisch „jõhvika“ und auf Lettisch „dze¯rvene“. Die Popularität dieser Tätigkeit ist so groß, daß die lettische Sprache dafür sogar eigene Verben kennt: „oga“ ist die Beere und „ogot“ bedeutet, sie zu sammeln. „Se¯ne“ bedeutet Pilz und „se¯n¸ot“ kann man nur mit „in die Pilze gehen“ übersetzen.
Kredite
Dies sind natürlich die Aspekte, die eine Touristengruppe bei einer nur wenige Tage dauernden Reise mit Ausnahme der am Straßenrand feilgebotenen Pilze und Beeren nicht zu Gesicht bekommt. Dafür springt ihnen beim Altstadtrundgang insbesondere in Riga etwas anderes ins Auge: die Vielzahl der großen und teuren Autos.
Zunächst muß einschränkend hinzugefügt werden, daß sich diese Beobachtung vor allem auf das Zentrum konzentriert. Da es nämlich keine große Mittelschicht gibt, die wie etwa in Deutschland einen Neuwagen der Mittelklasse erwirbt und diesen über zehn und mehr Jahre fährt, fehlt im Straßenbild dieses Segment von PKW. Es gibt fast ausschließlich die teuren Wagen und eben viele weit mehr als zehn Jahre alten, aus dem Ausland gebraucht eingeführten Autos.
Die meisten Fahrzeuge sind aber kein Privateigentum. Für die Buchhaltungen der ausländischen Firmenvertretungen ist es sinnvoller, einen Qualitätswagen über einen Leasingvertrag zu beschaffen, als die örtlichen Mitarbeiter mit Gebrauchtwagen auszustatten. Und diese, meist sehr jungen Personen, dürfen das Auto auch in ihrer Freizeit benutzen. Und geleast oder auf Ratenzahlung erworben sind zweifelsohne auch mehrheitlich die Fahrzeuge im Privatbesitz. Aber selbstverständlich gibt es in den baltischen Staaten auch Menschen, die in den letzten Jahren reich geworden sind, und sich die großen Wagen tatsächlich leisten können.
Dies muß man vor dem Hintergrund einer Lebenserfahrung verstehen, die in den vergangenen Jahren gezeigt hat, daß sich die Umstände schnell ändern können. Darüber hinaus sind die Gesellschaften der postsozialistischen Staaten noch erheblich mehr in der Moderne als der Westen, wo postmaterialistische Werte einen großen Teil der Gesellschaft erfassen. Im Baltikum wird eben gerne konsumiert, wenn es irgend möglich ist und dies auch gern gezeigt. Alleine die Einfahrt in die Altstadt kostet 5 Lat in der Stunde. Die Auswirkung dieses Snobismus zeigen sich außerdem in einer Vielzahl sogenannter Wunschkennzeichen, die in Lettland völlig frei wählbar sind. Und so kann es passieren, daß man einen Hummer mit dem Kennzeichen „ROLEXXX“ sieht.
Und selbst vor einem Studentenwohnheim, wo der Einzelne nicht einmal über ein eigenes Zimmer verfügt, sind oftmals mehrere Autos geparkt, deren Besitz man keinem Studenten zutrauen würde. Jedoch arbeiten die jungen Leute in der Regel spätestens ab dem zweiten Studienjahr und machen ob ihrer „zeitgemäßeren“ Kenntnisse nach Auslandsaufenthalt und Dank umfangreicher Sprachkenntnisse Karriere. Mit 300 Lat Monatseinkommen ist man dann kreditwürdig genug, und selbstredend kommen ein BMW und ein modernes Handy bei den Mädels in einer doch ziemlich materialistisch orientierten Gesellschaft besser an ...
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